Baudelaire | Gesammelte Werke: Die Blumen des Bösen + Die künstlichen Paradiese + Die Fanfarlo + Tableaux parisiens | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 1276 Seiten

Baudelaire Gesammelte Werke: Die Blumen des Bösen + Die künstlichen Paradiese + Die Fanfarlo + Tableaux parisiens


1. Auflage 2014
ISBN: 978-80-268-1283-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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ISBN: 978-80-268-1283-8
Verlag: e-artnow
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Dieses eBook: 'Gesammelte Werke: Die Blumen des Bösen + Die künstlichen Paradiese + Die Fanfarlo + Tableaux parisiens' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Charles-Pierre Baudelaire (1821/1867) war ein französischer Schriftsteller. Er gilt heute als einer der größten französischen Lyriker überhaupt und als einer der wichtigsten Wegbereiter der europäischen literarischen Moderne. Inhalt: Die Blumen des Bösen (1857) Die künstlichen Paradiese (1860) Die Fanfarlo Tableaux parisiens

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IV
Der Gottmensch Inhaltsverzeichnis

Es wird Zeit, dieses Gaukelspiel und diese groben Marionetten bei Seite zu lassen, die aus dem Dunst kindlicher Gemüter entstehen. Müssen wir nicht von wichtigeren Dingen reden: Von den Veränderungen der menschlichen Gefühle und in einem Wort von der Haschischmoral? Bisher gab ich nur eine abgekürzte Monographie des Rausches, beschränkte mich darauf, seine hauptsächlichsten Züge, vornehmlich die materiellen Züge festzulegen. Aber was, wie ich glaube, für einen geistigen Menschen wichtiger ist, ist, die Wirkung des Giftes auf eben den Geist des Menschen kennenzulernen, das heisst: die Vergrösserung, Veränderung und Übertreibung seiner übrigen Gefühle und moralischen Begriffe, die nun in einer ausserordentlichen Atmosphäre ein wirkliches Phänomen von Strahlenbrechung ergeben. Der Mensch, der lange dem Opium oder Haschisch gefröhnt hat und der, geschwächt wie er es durch seine Leidenschaft ist, die notwendige Energie aufgebracht hat, sich los zu machen, kommt mir wie ein entsprungener Sträfling vor. Er erregt meine Bewunderung in höherem Masse als der vorsichtige Mensch, der niemals gefehlt hat, weil er immer der Versuchung aus dem Wege ging. Die Engländer brauchen häufig bezüglich der Opiumesser Bezeichnungen, die nur dem Unschuldigen übertrieben erscheinen können, dem die Schrecken solchen Verfalls unbekannt sind: enchained, fettered, enslaved! Ketten in der Tat, neben denen alle anderen Ketten, die der Pflicht und der freien Liebe, nur Gazestreifen, nur Spinnweben sind! Schreckliche Ehe des Mannes mit sich selbst! »Ich war zum Sklaven des Opiums geworden; es hielt mich in seinen Banden, und alle meine Arbeiten und meine Pläne hatten die Farbe meiner Träume angenommen« sagt der Gatte Ligeias; aber in wieviel herrlichen Stellen beschreibt Edgar Poe, dieser unvergleichliche Dichter, dieser unwiderlegbare Philosoph, den man immer gelegentlich geheimnisvoller Geisteskrankheiten zitieren muss, nicht den dunklen und packenden Glanz des Opiums! Der Liebhaber der strahlenden Berenice, der Metaphysiker Egoeus, erzählt von einer Störung in seinen Fähigkeiten, die ihn dazu bringt, den einfachsten Erscheinungen eine ungewöhnliche und riesenhafte Bedeutung zu geben: »Unermüdlich in langen Stunden des Nachdenkens, die Aufmerksamkeit auf irgendein kindisches Zitat in den Anmerkungen oder dem Text eines Buches gerichtet, den grössten Teil eines Sommertages gefesselt an einen merkwürdigen Schatten, der auf der Tapete oder auf dem Fussboden liegt – mich eine ganze Nacht vergessen, die aufrechte Flamme einer Lampe oder des Kaminfeuers zu beobachten, – den ganzen Tag über vom Blumenparfüm träumen – einförmig irgend ein gewöhnliches Wort so lange wiederholen, bis sein Ton durch stete Wiederholung aufhört, im Geist auch nur irgendeinen Gedanken noch zu erwecken, – so beschaffen waren einige der gewöhnlichsten und ungefährlichsten Abirrungen meiner Denktätigkeit, Abirrungen, die gewiss nicht beispiellos sind, aber ebenso gewiss jede Lösung und jede Analyse in Frage stellen.« Und der nervöse Auguste Bedloe, der jeden Vormittag vor dem Spaziergang eine Dosis Opium schluckte, gesteht uns, dass die hauptsächlichste Wohltat, die er aus der täglichen Vergiftung zieht, die ist, übertriebenes Interesse an allen Dingen, selbst an den trivialsten, zu nehmen: »Indessen hat das Opium seine übliche Wirkung gehabt, nämlich die ganze äussere Welt in unser äusserstes Interesse zu rücken. Im Zittern eines Blattes, – in der Farbe eines Grashalmes, – in der Form eines Kleeblattes, – im Summen einer Biene, – im Zerstäuben eines Tautropfens, – im Seufzen des Windes, – in den vagen, dem Wald entsteigenden Düften, entstand eine ganze Welt von Eingebungen, eine herrliche und bunte Prozession ungeordneter und rhapsodischer Gedanken.« So drückt sich der Meister des Grauens, der Fürst des Geheimnisses durch den Mund seiner Personen aus. Diese beiden Eigenschaften des Opiums sind in vollem Umfange auf den Haschisch anwendbar. In beiden Fällen wird der bisher freie Verstand zum Sklaven; aber das Wort rhapsodisch, das so ausgezeichnet einen von der äusseren Welt und dem Zufall des Geschehens beeinflussten und gelenkten Willen beschreibt, ist von treffenderer und schrecklicherer Wahrheit bezüglich des Haschisch. Beim Haschisch ist Vernunft nur noch ein Wrack im Spiel der Wellen, und der Gedankenfluss verläuft unerhört schneller und ›rhapsodischer‹ Dies bedeutet, glaube ich, klipp und klar, dass der Haschisch in seinem augenblicklichen Zustand viel stärker als das Opium, dem regelmässigen Leben weitaus feindlicher, weitaus zerstörerischer, in einem Wort, weitaus verwirrender ist. Ich weiss nicht, ob zehn Jahre Haschischgenusses ebensolchen Verfall bewirken wie zehn Jahre Opiumgenuss; ich behaupte, dass im Augenblick und für den nächsten Tag der Haschisch eine traurigere Wirkung hat: der eine ist ein freundlicher Verführer, der andere ein ungeordneter Dämon. Ich will in diesem letzten Teil die moralische Zerstörung beschreiben und analysieren, die durch diese gefährliche und süsse Übung angerichtet wird, eine derartige Zerstörung, so tiefe Gefahr, dass die, die leicht verletzt nur dem Kampfe entkommen, mir wie Tapfere erscheinen, die aus der Höhle eines vielgestaltigen Proteus entwichen, wie Orpheus, der die Hölle besiegte. Und wenn man meine Art zu sprechen für masslose Übertreibung hält, so will ich gestehen, dass ich die berauschenden Gifte nicht nur für die fürchterlichsten und sichersten Mittel halte, deren der Geist der Finsternis sich bedient, um die jämmerliche Menschheit zu fangen und zu vernichten, sondern für seine trefflichsten Verkörperungen. Diesmal will ich, um meine Aufgabe abzukürzen und meine Analyse klarer zu machen, anstatt zerstreute Anekdoten zu sammeln, eine Menge Beobachtungen auf eine einzige Person häufen. Ich muss also eine Seele meiner Wahl erfinden. De Quincey behauptete in seiner Beichte sehr richtig, dass das Opium den Menschen nicht einschläfert sondern erregt, aber dass es ihn nur entsprechend seiner Natur erregt, und dass es darum sinnlos wäre, wenn man, um die Wunder des Opiums kennenzulernen, es einem Viehhändler eingäbe; denn dieser würde nur von Ochsen und Weiden träumen. So darf auch ich nicht die schweren Phantasien eines haschischberauschten Viehzüchters beschreiben; wer würde sie mit Vergnügen lesen? Wer würde sie überhaupt lesen? Um meine Figur zu idealisieren, muss ich in ihr, in einem einzigen Kreise, alle Strahlen vereinigen und sie polarisieren; und der tragische Kreis, in dem ich sie einfangen werde, wird, wie gesagt, eine Seele meiner Wahl sein, etwa das, was das achtzehnte Jahrhundert einen ›empfindsamen‹ Menschen, was die romantische Schule einen ›unverstandenen‹ Menschen nannte und was Familien und die bürgerliche Masse für gewöhnlich mit der Bezeichnung ›Original‹ herabsetzen. Ein halb nervöses, halb galliges Temperament ist am geeignetsten für die Entwicklung solcher Trunkenheit; dazu ein kultivierter Geist mit an Form und Farben geübten Augen; ein zärtliches Herz, im Unglück ermüdet, aber noch bereit zur Verjüngung. Ich will mit deinem Einverständnis so weit gehen; alte Sünden anzunehmen und was sie in einer leicht erregbaren Natur bewirken müssten, nämlich, wenn nicht tatsächlich Gewissensbisse, so wenigstens Bedauern über eine verschwendete und schlecht ausgefüllte Zeit. Die Lust zur Metaphysik und die Kenntnis der philosophischen Theorien über das menschliche Leben sind gewiss keine unnützen Ergänzungen – noch die Liebe zur Tugend, zur abstrakten, stoischen oder mystischen Tugend, die in allen Büchern steht, mit der man die moderne Jugend füttert, als dem höchsten Gipfel, den eine vornehme Seele erklimmen kann. Wenn man noch eine grosse Empfindlichkeit der Sinne hinzufügt, die ich als letzte Bedingung ausgelassen hatte, glaube ich die hauptsächlichsten Eigenschaften des modernen, sensiblen Menschen vereinigt zu haben, dessen, was man die ›banale Form der Originalität‹ heissen könnte. So wollen wir denn jetzt sehen, was aus dieser Individualität wird, wenn sie der Haschisch bis zum Äussersten treibt. Folgen wir diesem Flug der menschlichen Einbildungskraft bis in ihren letzten und blendendsten Winkel, bis zum Glauben des Individuums an seine eigene Göttlichkeit. Gehörst du zu jenen Seelen, wird die dir innewohnende Liebe zur Form und zu den Farben im Beginn deines Rausches zunächst einen ungeheueren Weideplatz finden. Die Farben werden ungewohnten Glanz annehmen, mit siegreicher Kraft in dein Gehirn dringen. Die Deckengemälde, mögen sie zart, mittelmässig oder selbst schlecht sein, erhalten ein erschreckliches Leben; die gröbsten Tapeten, die auf den Wirtshauswänden kleben, werden wie herrliche Dioramen erscheinen. Die Nymphen mit der leuchtenden Haut schauen auf dich mit Augen, die tiefer und klarer als Himmel und Wasser sind; die Figuren der Mythologie tauschen in ihren Priestergewändern oder Rüstungen durch einen einfachen Blick mit dir feierliche Geständnisse. Das Gewirr der Linien wird zur deutlichen Sprache, in der du die Erregung und die Sehnsucht der Seelen liest. Unterdessen entsteht dieser geheimnisvolle und vorübergehende Geisteszustand, in dem die Tiefe des Lebens mit seinen vielgestaltigen Problemen sich ganz und gar in dem Schauspiel, das man vor Augen hat, abspielt, mag es so natürlich und alltäglich wie immer nur sein; wo der erste beste Gegenstand zum sprechenden Symbol wird. Fourier und Swedenborg haben, der eine mit seiner Ähnlichkeitslehre, der andere mit seinen Korrespondenzen, sich in Fauna und Flora, die dir in die Augen fällt, verkörpert und anstatt mit...



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