Becker | Das Raunen der Toten (eBook) | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 340 Seiten

Becker Das Raunen der Toten (eBook)


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86913-565-6
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 340 Seiten

ISBN: 978-3-86913-565-6
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein abgelegenes Dorf in den Dreißigerjahren, irgendwo in der Einöde nordwestlich von Hannover: Die einzige Hure der Ortschaft - eine geheimnisvolle Frau, die aus Kanada stammte und angeblich indianischer Herkunft war - wird erwürgt aufgefunden. Möglicherweise wurde sie vorher vergewaltigt. Die Kriminalpolizei aus Barghude nimmt die Ermittlungen auf. Doch niemand hat etwas gesehen oder gehört. Ein Mann aber kann sich nicht damit abfinden, dass der Fall im Sande zu verlaufen droht: Christian Falk, der Liebhaber der Ermordeten. Er stellt verschiedene Leute zur Rede - und bringt sich dadurch in höchste Gefahr, denn seine Nachforschungen werden im Dorf mit tiefem Missfallen verfolgt. Einzig Vera, die Tochter eines geachteten Großbauern, scheint auf seiner Seite zu sein. Weiß sie von dem dunklen Geheimnis aus Christians Vergangenheit? Schon bald muss erneut jemand sterben ...

Oliver Becker stammt aus Blumberg im Schwarzwald und lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main. Er schreibt Historische Romane und Kriminalromane. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen zählt die Trilogie um die 'Krähentochter'. Sein neuestes Buch ist das Historienabenteuer 'Die Schatten von New Orleans': eine packende Odyssee durch Opiumhöhlen, Gaunerspelunken und die Salons der ehrenwerten Gesellschaft. Von New York bis nach New Orleans und in die düsteren Sümpfe Louisianas.

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  6 Vera Novian betrachtete den Blumenstrauß auf dem Tisch und konnte es noch immer kaum fassen. Nie zuvor hatte er ihr Blumen geschenkt – oder sonst irgendetwas. Jetzt war er gerade dabei, Kaffee zu kochen. Sie hatte einen weiteren grauenhaften Tag im Verlag hinter sich, der Arm tat ihr weh von dieser verdammten Gangschaltung, sie war hundemüde – aber Marcus hatte sie, genau wie am Vorabend, mit einem Lachen empfangen. Und mit diesem Blumenstrauß. Sie fragte sich, wie sie seine blendende Stimmung einschätzen sollte. Und vor allem: Wie lange würde die vorhalten? Er pfiff sogar, während er Tassen und Untertassen aus dem Buffet holte. Fast ein Wunder, dass er wusste, wo sie standen … Nein, kein Zynismus jetzt, ermahnte sie sich, die Stimmung ist einfach zu schön. Hing das damit zusammen, dass er so gut vorankam? Ich hoffe es jedenfalls, dachte Vera und steckte sich eine weitere Zigarette an. »Ich könnte mich immer noch darüber kaputtlachen, dass sich die Einfaltspinsel hier über deine Raucherei aufregen«, sagte Marcus kopfschüttelnd, als er die Tassen füllte. »Selbst ein Eskimo am Ende des Eismeeres wäre weltoffener.« »Eigentlich haben sie sich mein Leben lang aufgeregt – über alles, was ich gemacht habe.« »Und trotzdem bist du immer wieder hierher zurückgekehrt. So dickköpfig kann nur eine Frau sein.« »Ausgerechnet du redest von Dickköpfigkeit.« »Friede«, beschwichtigte er leichthin. Sie setzten sich, tranken den Kaffee, rauchten. Im Haus war es ruhig, wie immer, doch diesmal hatte die Stille wirklich etwas Entspannendes. Vor dem Fenster ballte sich die abendliche Dunkelheit. »Schon verrückt, oder?«, bemerkte Marcus nach einer Weile. »Was meinst du, Liebling?« »Na, den Mord natürlich. Den Mord an der …« Er zögerte. »Sag es doch.« »An der Hure. Oder war sie etwa keine?« »Woher soll ich das wissen?« Sie wechselten einen kurzen Blick. »Ich habe jedenfalls auch keine Ahnung, was sie war.« Sein Lachen war spitzbübisch. »Dafür, dass du eigentlich niemanden hier kennst und mit niemandem redest, weißt du ganz gut Bescheid.« Erneut dieses Lachen. »Das gehört doch zu meinem Beruf. Ein Ohr für seine Mitmenschen zu haben, sozusagen. Oder etwa nicht? Die geschwätzige alte Tante, bei der ich die Blumen gekauft habe, hat mich ins Vertrauen gezogen – und mir die komplette Liste der Verdächtigen zugeraunzt, stell dir vor.« »War ich auch darunter?« »Ich bin mir nicht so sicher, ob ich dir derart geheime Informationen mitteilen darf.« »Normalerweise trauen sie mir hier allerhand zu. Warum also nicht den Mord an einer Frau, mit der ich nie ein Wort gesprochen habe?« Marcus zog an seiner Zigarette und erwiderte nichts. »Nun sag schon, wer ist denn auf ihrer Liste der Verdächtigen?« »Ha! Ertappt!« Erheitert zwinkerte er ihr zu. »Du bist also doch neugierig.« Sie betrachtete ihn, sein gut geschnittenes Gesicht, das volle Haar, von dem immerzu eine Strähne in die Stirn hing, die dazu verführte, sie zurückzustreichen. Seine hübschen, unergründlichen blauen Augen, seine gepflegten Hände, die so zärtlich sein konnten. »Nun sag schon«, wiederholte sie mit einem Lächeln. Marcus winkte ab. »Ach, die hat natürlich keine Namen genannt. Sie hat nur gemeint, dass es hier genügend Grobiane gibt, die rohe Sitten haben. Kerle, die ziemlich brutal sind.« »Wie ist die Frau eigentlich gestorben?« »Die Hure?« »Wer sonst?« »Erwürgt.« Er drückte die Zigarette in einem Zinn­aschenbecher aus. »Sagt die Blumentante.« Gleich darauf erhob Marcus sich. Er streckte die Arme, wirkte gleichmütig und entspannt. Vera verfolgte seine lässigen, geschmeidigen Bewegungen, als er die Tasse auf die Spüle stellte und ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Gedämpft ertönten seine Schritte auf den Stufen, die nach oben führten. Das leise Schließen seiner Zimmertür. Und damit befand er sich wieder in der Welt, die allein ihm gehörte. Vera verspürte eine jähe Unruhe. Sie hätte wohl nicht von dem Kaffee trinken sollen, dessen starker Duft ihr immer noch um die Nase wehte. Ein wenig frische Luft würde ihr guttun, befand sie, etwas Bewegung, allein sein, ohne von Mauern umgeben zu sein. Das war das Wertvolle dieses Dorfes, dass es nicht einengte, dass man von allem Abstand gewinnen konnte. Wenn auch das einzige Wertvolle. Sie schlüpfte in Schuhe und Mantel und legte sich ein großes seidiges Vierecktuch locker um Kopf und Schultern. So würde sie sich in Hannover niemals vor das Haus wagen, dachte sie, ein flüchtiges, verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Ohne sich von Marcus zu verabschieden, trat sie ins Freie, empfangen von einer beißenden Kälte und der üblichen, scheinbar durch nichts zu erschütternden Ruhe, die diese kleine, von nur wenigen, geradezu verlorenen Straßenlaternen kaum beleuchtete Ansammlung von Häusern fest im Griff hielt. Lediglich ein paar Schritte war sie gegangen, als sie ein fürchterlicher Schreck durchzuckte. Schlagartig blieb sie stehen. Ein Mann. Halb verdeckt von kahlen Sträuchern, die in der Finsternis etwas Bizarres hatten. Vera versuchte sich zu sammeln, ihre Gedanken rasten. Wer war das? Hatte er ihr Haus beobachtet? Sie beobachtet? Der Mann löste sich von den Sträuchern, näherte sich ihr aber kaum. Seine Umrisse wurden deutlicher. Unter einer Wollmütze schälte sich das blasse Gesicht aus dem dunklen Hintergrund. Jetzt erkannte sie ihn. »Guten Abend«, sagte er. Höflich, nicht freundlich. Es war Christian Falk. Und das unheimliche Bild, wie er die Tote getragen hatte, flammte kurz in Vera auf. »Verzeihung«, fuhr er leise fort. »Es war nicht meine Absicht, Sie zu erschrecken.« Was war überhaupt seine Absicht, wunderte sich Vera, aber noch war sie zu durcheinander, um etwas zu äußern. Falls Christian Falk sich von ihr ertappt fühlte, vermochte er das jedenfalls gut zu verbergen. Seine Züge drückten eine unübersehbare Wachsamkeit aus. Mehr aber auch nicht. »Verzeihung«, wiederholte er. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.« Endlich fand sie die Stimme wieder, endlich fühlte sie ihre innere Kraft zurückkehren. »Nicht der Rede wert.« »Eigentlich war ich auf dem Heimweg …«, meinte er, nur um sofort in Schweigen zu verfallen. Vera fiel auf, dass sie nie zuvor ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Und das, obwohl sie in dem Haus wohnte, in dem Christian Falk aufgewachsen war. Konnte das der Grund sein, weshalb er hier herumgeisterte?, fragte sie sich. Hatte das etwas mit dem Haus zu tun? »Ich habe Sie gesehen«, bemerkte sie und überraschte sich selbst damit, dass sie überhaupt noch einmal das Wort an ihn richtete. »Gesehen? Ich verstehe nicht.« Jetzt kam er doch ein Stück auf sie zu. Zweige der Sträucher streiften seinen Rücken – ein kratzendes Geräusch in der Stille. »Ja, als Sie die Frau …«, setzte Vera an. »Also, ich sah Sie, als Sie die Frau in den Armen hielten.« Wa­rum kannst du nicht einfach mal deinen Mund halten?, schimpfte Vera in Gedanken mit sich selbst. »Ach so. Das meinen Sie.« Er nickte. »Mein Beileid.« Etwas hilflos, wie die beiden Wörter klangen. Aber Vera wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie musterte ihn. Er war knapp zehn Jahre jünger als sie. Und ziemlich gut aussehend, was ihr nie aufgefallen war. Wohl etwas hagerer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sein Gesicht war gleichmäßig geformt, sein Blick klar, aufrecht stand er da. Es ging etwas Zurückhaltendes von ihm aus. Doch gerade das war es, was auf Vera nicht unangenehm wirkte – trotz der merkwürdigen Situation, trotz der geisterhaften Dunkelheit. »Wie gesagt«, meinte Falk unschlüssig, »ich wollte Sie nicht ängstigen.« »Es ist schon gut. Ich habe lange in Hannover gelebt – ich falle nicht in Ohnmacht, wenn mir unverhofft ein Mensch über den Weg läuft.« Er lächelte. Vera fühlte es mehr, als dass sie es sehen konnte. »Ich habe in Kanada gelebt«, sagte er, und es schien ihr, als wäre ihm die Äußerung ungewollt über die Lippen gerutscht. »Davon habe ich gehört.« »Und früher einmal«, er deutete auf Veras Haus, »habe ich hier gelebt.« »Ich weiß.« Erneut musterte sie ihn. So eingehend, wie es die Nacht zuließ. »Und ich hoffe, Sie nehmen mir es nicht übel, dass ich das Haus gekauft habe.« »Wie könnte ich?« Sein Blick verklärte sich ein wenig, zumindest glaubte sie das wahrzunehmen, und auf einmal tat er ihr leid. »Sie haben das Gebäude gewiss seit Ihrer Kindheit nicht mehr betreten?« Er schüttelte den Kopf. Noch bevor sie sich selbst aufhalten konnte, stellte Vera die nächste Frage: »Möchten Sie hereinkommen? Einfach nur so?« Warum musste sie immerzu so impulsiv sein, so … direkt, sie verstand es selbst nicht. Falk wirkte verblüfft. Sehr verblüfft. »Hereinkommen? Also, ich weiß nicht. Es wäre doch etwas ungewöhnlich …« »Sicher. Ich dachte nur, es würde Ihnen womöglich eine Freude machen.« Was würde Marcus davon halten? Doch das war wohl vollkommen egal, Falk würde ihren wunderlichen Vorschlag ohnehin kaum annehmen. »Eine Freude? Ja, vielleicht.« Er zögerte, sah hinüber zum Haus. Und dann setzte er hinzu: »Warum eigentlich nicht?« Etwa...


Oliver Becker stammt aus Blumberg im Schwarzwald und lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main. Er schreibt Historische Romane und Kriminalromane. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen zählt die Trilogie um die "Krähentochter".

Sein neuestes Buch ist das Historienabenteuer "Die Schatten von New Orleans": eine packende Odyssee durch Opiumhöhlen, Gaunerspelunken und die Salons der ehrenwerten Gesellschaft. Von New York bis nach New Orleans und in die düsteren Sümpfe Louisianas.



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