Becker | Lost Place Stories | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 366 Seiten

Becker Lost Place Stories

13 gruselige und satirische Kurzgeschichten von verlassenen Orten in Berlin und Brandenburg
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7541-8967-2
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

13 gruselige und satirische Kurzgeschichten von verlassenen Orten in Berlin und Brandenburg

E-Book, Deutsch, 366 Seiten

ISBN: 978-3-7541-8967-2
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erkunden Sie lange vergessene Plätze und Orte, an denen Unglaubliches geschah. Welches Geheimnis verbirgt der alte Bunker am Wannsee? Von welchem Wunder erzählt das Kasernen-Theater im Wald? Woran forscht der alte Professor? Gibt es wirklich ein UFO am Ufer der Spree? Lesen Sie von Täuschern und Tierquälern. Lassen Sie sich vom Charme des alten Berlins einfangen. Erfahren Sie vom Schicksal meines Großvaters Paul Becker, dem Kapellmeister, dem die Liebe zur verbotenen Swing-Musik zum Verhängnis wurde.

Markus Becker, geb. 1970 in Berlin, schreibt seit seiner Jugend Kurzgeschichten. Er besucht verwunschene, verlassene Orte - Lost Places - in Berlin und Brandenburg und hat über sie recherchiert. Diese von der Natur zurückeroberten und durch Vandalismus veränderten Orte ihn zum Schreiben. In historisch fundierte Geschichten fließt seine grenzenlose Phantasie ein. Bewertungen und Rezensionen erwünscht! Ich freue mich auf Ihre Kritik und Ihre Anregungen!
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2. Der Präparator


„Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“

um 550 v. Chr., Aisop, griechischer Sklave auf Samos

„Fass es lieber nicht an, es wird dich beißen!“

Der Junge wich erschrocken einen Schritt zurück.

Hatte sich der Kiefer des Krokodils bewegt? Wenigstens ein Stück?

Nein, nur Einbildung. Der Vater und der Präparator lachten. Alle Tiere in dem kleinen Ladengeschäft waren unbeweglich und tot. Wenn auch auf wundersame Weise wie im Augenblick eingefroren und damit zum ewigen Leben verurteilt.

Der Junge war fasziniert. Wie echt sie aussahen: der Fuchs mit seinem wachen Blick, der Schäferhund, der aus seiner Hundehütte schaute und die zusammengerollte Katze, die aussah, als ob sie schlief. Die vielen Vögel oben auf den Regalen sahen auch sehr lebendig aus. Einige im Flug, andere auf einem Ast sitzend.

Die Anatomie stimmte. Die Posen auch. Einige wirkten etwas staubig wie der Wiedehopf ganz oben unter der Raumdecke. Viele der Tiere hatten leuchtende Augen, die den Betrachter zu beobachten schienen, egal wo man sich gerade in dem Ausstellungsraum befand.

Wenn der Vater mal keine Zeit hatte, ging der Junge alleine zu dem kleinen Geschäft des Präparators in der Nähe einer großen Einkaufsstraße und lugte durch die Scheibe.

Der ganze Laden war mit ausgestopften Tieren vollgestellt. Gruselig sahen die Tiere aus, besonders die, die nah am Fenster standen und ihn mit ihren Glasaugen zu fixieren schienen.

Der Braunbär war ein Meisterstück und sah sehr realistisch aus. Seine ausgefahrenen Krallen waren scharf wie Messer und die Pose, in der er verewigt worden war, war die des Jägers: aufgerichtet und groß, kräftig und unbesiegbar mit weit aufgerissenem Maul.

Wie machte das der Präparator bloß? Wo waren eigentlich die Nähte der ausgestopften Tiere versteckt? Wo waren ihre Organe und das gesamte Innenleben verblieben? Womit wurden die hohlen Körper aufgefüllt, damit sie so plastisch aussahen?

So viele Fragen, die der Präparator bei den zahlreichen Besuchen des Jungen freundlich beantwortete. Jedenfalls die meisten.

Der Ladeninhaber freute sich über den Besuch des aufmerksamen und interessierten Jungen, auch wenn er noch kein Tier gekauft hatte oder in Auftrag gegeben hatte.

Die Gesellschaft des Jungen war ihm angenehm und er zeigte ihm hier und da auch ein paar Tricks seines Handwerks:

Wie man das Fell von verunglückten Tieren reparieren konnte an Stellen, die durch Blut verunreinigt oder durch Einschüsse durchlöchert worden waren. Wie man kaschierte, reinigte, nähte, desinfizierte und ausstopfte. Aus toten Tieren wurden lebensechte Präparate.

Auf dem Heimweg begegnete der Junge auf der Straße oft Katzen und Hunden aus der Nachbarschaft. Dann ging er in die Hocke und streckte ihnen die Hand entgegen, damit sie daran schnuppern konnten. Dieses Verhalten hatte er mal in einem Tierfilm gesehen. Meistens kamen die Haustiere dann so nah heran, dass er sie streicheln konnte.

Es war auch schon mal eine wildlebende Katze dabei, eine Freigängerin, die ausgebüxt war. In seiner Jackentasche hatte er ein wenig Futter dabei. So manchem Tier durfte er das Leckerli direkt ins Mäulchen stecken. Wenige sogar am Bauch kraulen, nachdem sie sich auf den Rücken gelegt hatten. Die Tiere mochten den Jungen. Manchmal folgten sie ihm sogar ein Stück seines Weges.

Er mochte die Tiere auch. Sehr sogar. Er wollte gerne ein Haustier haben. Die Eltern waren auf den Wunsch des Sohnes nicht eingegangen, sie wollten kein Tier in der Wohnung haben und befürchteten, dass es zu viel Lärm und Dreck machen würde oder er sich nicht ausreichend um ein Tier kümmern würde. Irgendwann fand sich der Junge damit ab, dass ihm sein Traum vom eigenen Haustier nicht erfüllt werden sollte.

Draußen gab es ja genug Tiere.

Die Dame im Tierfutterladen war sehr freundlich, Sie beriet den Jungen ausführlich, was Hunde und Katzen gerne fressen. Sie hatte Geduld, der Junge stand schon lange in ihrem Laden.

„Nur Trockenfutter und nichts Frisches geht gar nicht!“, sagte sie. „Und stark gesalzenes Fertigfutter auch nicht. Geben sie ihrem Liebling besser von den Innereien, dem Rind-Schwein-Mix und dem frischen Gemüse-Fleisch-Mix, er wird es ihnen danken und agil und gesund bleiben. Kostet etwas mehr aber erspart am Ende die dicke Rechnung beim Tierarzt.“

Sie war eine erfahrene Verkäuferin.

„Was für eine Rasse haben sie denn?“ fragte die Verkäuferin den Jungen. „Ähh, also, es ist ein Golden Retriever!“ stammelte der Junge. Er hatte gar keinen Hund. Aber er hatte schon viele Hunderassen gesehen und einige auch streicheln dürfen. Außerdem wusste er, wo sich viele Hunde aufhielten.

Er kaufte verschiedene Sorten Nahrung und verabschiedete sich freundlich.

Am Hundeauslaufplatz am Stadtrand sah er die verschiedensten Rassen und beobachtete ihr Verhalten. Und ihre Fressgewohnheiten. Manche wurden für ein Kunststück belohnt von Frauchen oder Herrchen.

Wenn der Junge einen Beutel mit frischem Fleisch aus dem Fachgeschäft dabeihatte, kamen einige Hunde sogar zum Zaun gerannt. Interessant. Sie scheinen das Futter weit zu riechen, durch den Beutel und sogar gegen den Wind. Wenn die Hundebesitzer ihn komisch anschauten, dann lächelte er verlegen und sagte: „Hab nur frische Leberwurst für meine Oma in der Tasche!“ und ging weiter.

Es war ein schöner warmer Sommerabend. Nach Einbruch der Dunkelheit schlenderte er unauffällig gekleidet durch die Straßen, die er vorher schon mit dem Wagen abgefahren war. Die meisten Hundebesitzer waren mit der letzten Gassi-Runde schon fertig.

Hier und da ein Passant, aber nichts Auffälliges. Er ging zielstrebig auf einen großen handgeschrieben Zettel an einem Baum zu, riss ihn ab und legte ihn in die Mappe in seiner Tasche. In der nächsten Querstraße noch ein Zettel. Fast schon ein Poster. Diesmal hochauflösend und in Farbe gedruckt. Ratsch, abgerissen, in die Tasche gelegt.

So durchquerte er das ganze Viertel, Straße für Straße.

Xara, Luna, Bommel, Angus, Emma, Bella, Timon… Alle wurden sie vermisst, ob Hund oder Katze. Er hatte ihre Suchmeldungen und Steckbriefe einkassiert, die schriftlichen Hilferufe ihrer Frauchen und Herrchen. Die Tiere wurden darin genauestens beschrieben: hellbraunes Fell mit dunklem Fleck auf der Stirn oder lahmt etwas, folgt gerne Menschen, ist schüchtern etc.

Manchmal wurden sogar hohe Belohnungen ausgelobt.

„Sollen die Leute doch besser auf ihre Lieblinge aufpassen!“, dachte er.

Bis um Mitternacht war er fertig mit dem Abreißen und Einsammeln der Zettel und Poster. In der Folgenacht machte er wieder einen Beutezug, nur in einem anderen Viertel der Stadt.

Das alte Flughafengelände war schon seit Jahren verlassen. Es wurde nicht mehr benötigt, seit der neue Flughafen in Betrieb genommen worden war. Das war schon viele Jahre her.

Die Start- und Landebahnen sahen noch gut erhalten aus, der alte Tower sah aus wie ein kleiner Leuchtturm und stand bedeutungslos neben dem flachen Gebäude: die Luftaufsichtsbaracke war der Witterung ausgesetzt gewesen und ziemlich zerfallen. Die Hundezwinger vor dem Gebäude waren leer, ihre Gittertüren offen und das gesamte Gelände war von modernen Wandalen heimgesucht worden. Dann waren die Sprayer gekommen und hatten ihre Kunstwerke an den feuchten Wänden hinterlassen. So hatte der bröckelnde graue Putz wenigstens wieder etwas Farbe bekommen.

Schräge Tags und böse Graffiti-Gesichter zierten die Fassade des Hauptgebäudes.

Er erreichte das Gelände in der Dämmerung. Hier kannte er sich hier gut aus. Zügig betrat er das Gebäude, ging herunter in den Keller, schaute sich um: niemand war seit seinem letzten Besuch hier gewesen. Glücklicherweise hatte er bei seinem ersten Besuch einen Schlüssel gefunden.

Dieser passte genau in das Schloss der Kellertür. Er schloss auf und legte die Gegenstände ab, die er mühsam ins Gebäude geschleppt hatte. Mehrmals musste er vom Auto bis hier laufen. Auf dem Gelände wollte er aber nicht parken, es war ihm zu riskant, falls doch ein Neugieriger in der Nähe war, z.B. Spaziergänger. Er schwitzte und atmete tief.

Im Schutz der Dunkelheit wuchtete er die großen Zwinger ins Gebäude. Den Krach und das Echo, als er sie die Treppe heruntergleiten ließ und sie auf dem Kellerboden aufschlugen, hörte zum Glück niemand. Die robusten Käfige hatten keinen Transportschaden bekommen.

Dann machte er sich an die Arbeit und türmte die Gegenstände auf. Die großen, breiten Hundezwinger bildeten die untere Reihe. Er kletterte auf den alten Tritt der im Keller herumgestanden hatte, um alles bis zur Decke zu verstauen, was er mitgebracht hatte. Verschwitzt, aber glücklich betrachtete er sein Werk. Perfekt!

50 Zwinger und Käfige, Vogel-Bauern und Kästen, nach der Größe sortiert, standen hier übereinander getürmt an der rechten Wand. An die linke Wand klebte er die Steckbriefe und Suchposter, die er in dieder Woche eingesammelt hatte. Einige waren doppelt oder dreifach bereits vorhanden.

Er überklebte die alten Steckbriefe mit den neuen. Sie zierten meist die gleichen schlecht erkennbaren Fotos von vermissten Vierbeinern und Vögeln, auf einem war sogar ein schwarzer Achtbeiner abgebildet: eine Vogelspinne wurde gesucht, nachdem sie im Garten entlaufen war.

Manche Tierbesitzer...



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