Beemen | Im Namen der Tiere | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 325 Seiten

Beemen Im Namen der Tiere

Wie eine NGO große Teile Afrikas beherrscht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-406-82208-7
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie eine NGO große Teile Afrikas beherrscht

E-Book, Deutsch, 325 Seiten

ISBN: 978-3-406-82208-7
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die NGO „African Parks“ verwaltet 22 große Naturparks in Afrika und gilt als Erfolgsgeschichte. Doch was und wer steckt wirklich dahinter? Olivier van Beemen deckt in seinem fesselnden Buch die staatsähnlichen Strukturen, die Macht des African-Parks-Militärs und das rücksichtslose Vorgehen gegen die lokale Bevölkerung auf. Kritiker sprechen von „grünem Kolonialismus“. Oder ist es der alte Kolonialismus in neuem Gewand?

„African Parks“ verwaltet eine Fläche von der Größe Großbritanniens und hat sich von zwölf afrikanischen Staaten Hoheitsrechte übertragen lassen. Die Organisation unterhält bewaffnete Kräfte mit weitgehenden Befugnissen zum Schutz der Gebiete – vor Terroristen, vor Wilderern und vor der Bevölkerung. Einheimische dürfen das von ihnen traditionell genutzte Land nicht mehr betreten, es kommt zu Folter und Vergewaltigungen. Der Safari-Tourismus, Spenden von Milliardären und westlichen Regierungen, auch der deutschen, bringen reiche Einnahmen. An der Spitze steht eine weiße Elite, die alles daran setzt, nur schöne Bilder von Großwild und intakter Natur nach außen dringen zu lassen. Olivier van Beemen hat drei Jahre lang über die Organisation recherchiert, unzählige Insider, Aussteiger und Anwohner der Parks befragt und sich nicht von Verhaftung, Spionagevorwürfen und Abschiebung abschrecken lassen. Sein aufrüttelndes Buch zeigt, was die Militarisierung des Naturschutzes anrichtet, wie die einheimische Bevölkerung drangsaliert wird und wie eine weiße Exekutive ohne demokratische Kontrolle im Namen einer „unberührten“ – menschenleeren – Natur herrscht.

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1 UNTER SPIONAGEVERDACHT BENIN, FEBRUAR 2022
Der Kommissar der Kriminalpolizei von Parakou ruft uns noch einmal in sein Büro zurück. Anderthalb Tage sitzen wir nun schon fest, es ist die vierte Polizeiwache, die wir von innen sehen, und wir haben mehr als zweihundertfünfzig Kilometer in etwa fünfundzwanzig verschiedenen Polizeifahrzeugen zurückgelegt.[1] Wir sind aber guten Mutes, dass man uns jetzt freilässt. Die Niederländische Botschaft in Benin zeigt sich ebenfalls optimistisch. Der Kommissar, an diesem Sonntag eigens für uns in sein Büro beordert, macht einen wohlwollenden Eindruck. Er kommt in Zivil, mit Sandalen an den Füßen. Während des vorangegangenen Verhörs hatte man meiner Kollegin Flore Nobime eine Lektion erteilt: Sie hätte nicht mit einem ausländischen Autor in den Norden ihres Landes reisen sollen, ohne die Behörden darüber zu informieren. Ihr müsse doch wohl klar sein, dass das gefährlich sei? Wir nehmen Platz und hören, was uns der Kommissar zu sagen hat. «Sie beide werden der Spionage verdächtigt.» Was? Spionage? Hat der Kommissar irgendwelche Beweise dafür oder zumindest Indizien? Für wen sollten wir denn spionieren? Er hat noch weitere schlechte Nachrichten. Unser Fall soll vor dem Gericht für Wirtschaftsdelikte und Terrorismus (CRIET) verhandelt werden, Kritikern zufolge ein Instrument der Staatsmacht, das speziell dazu geschaffen wurde, um politische Gegner für lange Zeit auszuschalten. Zwei Kandidaten, die sich bei den letzten Präsidentschaftswahlen erdreistet hatten, den autoritären Präsidenten Benins, Patrice Talon, herauszufordern, bekamen dafür zehn und zwanzig Jahre Gefängnis aufgebrummt, und auch kritische Journalisten und Blogger wurden zu harten Strafen verurteilt. Dennoch ist die Stimmung im Kommissariat keineswegs feindselig. Wir müssen nicht in die Zelle, können unsere Sachen behalten, und ich darf unter Polizeibegleitung in dem quirligen Restaurant La Vieille Marmite im Zentrum Parakous, der drittgrößten Stadt des westafrikanischen Landes, etwas zu essen holen. Das Hähnchen mit Spinat und Pommes frites, das wir auf einer Bank vor dem Kommissariat verspeisen, schmeckt gut. Allerdings müssen wir ein Vernehmungsprotokoll unterschreiben, in dem schwarz auf weiß steht, dass wir der Spionage am Staat Benin verdächtigt werden. Ein Foto von dem Dokument darf ich nicht machen. Es folgen hektische Telefonate nach Hause und mit der Botschaft: Die Angelegenheit wird sowohl in den Niederlanden als auch in Benin sehr ernst genommen. Eine Woche zuvor war ich in Benin angekommen, um Recherchen zu African Parks (AP) durchzuführen, einer internationalen Organisation, die von ihrem Hauptsitz (Headquarter) in Johannesburg aus Naturreservate in Afrika verwaltet.[2] Diese Organisation wurde unter Beteiligung des niederländischen Geschäftsmanns und Milliardärs Paul Fentener van Vlissingen (1941–2006) gegründet und hat Vereinbarungen mit insgesamt zwölf afrikanischen Staaten über die Verwaltung von zweiundzwanzig Naturreservaten getroffen, darunter zwei in Benin. African Parks ist die größte und ambitionierteste Naturschutzorganisation Afrikas mit einem jährlichen Umsatz von mehr als hundertzwanzig Millionen Euro. Die gesamte Landfläche, die unter ihrer Kontrolle steht, beträgt gut zwanzig Millionen Hektar, vergleichbar der Fläche Großbritanniens, und in den kommenden Jahren sollen große Flächen dazukommen. Das Ziel ist es, verwahrloste Parks und Reservate vor Wilderern und anderen Gefahren zu schützen, Tierarten, die hier ehemals heimisch waren und längst verschwunden sind, wieder anzusiedeln und eigene Einkünfte zu generieren – Letzteres vor allem mittels reicher Touristen, die dafür sorgen sollen, dass sich ein solcher Park weitestgehend selbst trägt. Nicht nur Wildtiere und Ökosysteme sollen davon profitieren, sondern auch die lokale Bevölkerung, die mit der Bedeutung des Naturschutzes vertraut gemacht werden und begreifen soll, dass Wilderei gegen ihre eigenen Interessen verstößt. Mit toten Elefanten lockt man keine Touristen an, die bereit sind, tausend Dollar pro Nacht auszugeben. Als ich Benin im Februar 2022 besuche, bin ich bereits seit einem guten Jahr mit meinen Recherchen zu der Organisation beschäftigt, und mein Verhältnis zum Headquarter ist angespannt. African Parks möchte die Informationspolitik gern in Eigenregie betreiben und hat in der Vergangenheit heftig auf die wenigen kritischen Artikel reagiert, die irgendwo in den Medien über die Organisation erschienen waren. Ich bräuchte nicht auf ihre Mitarbeit zu zählen, so wurde mir zu verstehen gegeben. Ich kooperiere auf dieser Reise eng mit der Journalistin Flore Nobime, die ihrerseits bereits einen aufschlussreichen Artikel über die Arbeit von African Parks in ihrem Land veröffentlicht hatte.[3] Nach einigen erfolgreichen Interviews in Cotonou und Porto Novo an der Atlantikküste fahren wir mit dem Bus in den Nordwesten, nach Tanguiéta, eine Fahrt von gut zehn Stunden. Tanguiéta liegt etwa vierzig Kilometer vom Eingang des Nationalparks Pendjari entfernt, der von AP geleitet wird. In dem Städtchen interviewen wir Personen, die das Gebiet gut kennen oder eine direkte Beziehung zum Park unterhalten, so wie Kinto Sylla, ein ehemaliger Militär und einstiger Leibwächter eines Ministers. Falls wir Personen sprechen wollten, die noch näher an der Quelle sitzen, müssten wir sein Dorf Sangou unweit des Eingangstors zum Park besuchen, versichert er uns. Über die Sicherheitslage haben wir uns zuvor eingehend informiert. Für den Park selbst gilt zu dem Zeitpunkt die Reiseempfehlung «Rot» – was bedeutet, dass von Fahrten dorthin entschieden abgeraten wird. Für die Zone rund um den Park gilt jedoch lediglich die Stufe «Orange», will heißen: Man sollte dort besser keinen Urlaub machen, aber notwendige Reisen sind möglich. Hintergrund: Die Region hat mit dschihadistischer Gewalt zu kämpfen, die von den Nachbarländern Burkina Faso und Niger aus immer häufiger auch auf Benin übergreift. Doch das Risiko, dass uns während eines kurzen Besuchs in Sangou sowie einigen umliegenden Dörfern außerhalb des Parks – zudem unter Begleitung des in der Bevölkerung hoch angesehenen Kinto Sylla – etwas passiert, halten unsere Kontaktpersonen und auch wir für äußerst gering. Und so machen wir uns auf den Weg, auf zwei Motorrädern samt einem lebenden Perlhuhn – unser Abendessen. Unterwegs gibt es keine Checkpoints, allerdings begegnen wir Fahrzeugen von African Parks sowie der Armee, und über uns fliegt ein Flugzeug von AP hinweg. Unser vierundzwanzigstündiger Besuch verläuft ohne Zwischenfälle, genau wie geplant. Die Interviews unter anderem mit Parkwächtern,[*1] einem Viehzüchter, einem Dorfoberhaupt und einem Medizinmann sind äußerst aufschlussreich, wie sich im Weiteren noch zeigen wird. Vom Park selbst halten wir uns fern. Abends, zurück in unserem Hotel in Tanguiéta, erhalten wir Besuch von einem örtlichen Polizeikommissar, der in Schlappen daherkommt. Wir sind außerhalb der Stadt gesehen worden, und er möchte nun wissen, was wir hier zu suchen haben. Eine legitime Frage angesichts der vermeintlichen Anwesenheit von Söldnern und der dschihadistischen Bedrohung in dem Gebiet. Wahrheitsgemäß erzählen wir, dass wir uns als Schriftsteller und Journalisten für die Lebensumstände der Bevölkerung interessieren. Am nächsten Morgen werden wir auf der Dachterrasse des Hotels einem ausführlicheren Verhör unterzogen – der Kommissar ist noch immer in Schlappen sowie in Gesellschaft eines Ermittlungsbeamten. Es scheint nach wie vor nichts gegen uns vorzuliegen. Um die Mittagsstunde herum sollen wir nur noch kurz mit auf die Wache kommen – zwecks einer «gründlichen Personenkontrolle» – es geht um «letzte Formalitäten». Die Polizei setzt uns nicht darüber in Kenntnis, dass wir offiziell verhaftet sind und uns das Recht auf einen Anwalt sowie einen Arzt zusteht – im Nachhinein wird uns klar, dass das der Beginn einer ganzen Reihe von Verstößen gegen die Beniner Strafprozessordnung und die Landesverfassung war.[4] Obwohl unsere Identität innerhalb weniger Stunden und einschließlich eines Checks bei Interpol überprüft worden ist, hält man uns den ganzen Nachmittag fest. Wir unterschreiben ein...


Olivier van Beemen ist ein niederländischer investigativer Journalist, der sich vor allem mit Afrika beschäftigt. 2019 wurde er mit dem "Tegel", dem wichtigsten niederländischen Journalistenpreis, ausgezeichnet. Seine Artikel erscheinen in internationalen Zeitungen wie The Guardian, Le Monde, NRC Handelsblad und The Continent. Sein Buch über die Brauerei Heineken in Afrika wurde in fünf Sprachen übersetzt und für verschiedene Preise nominiert.



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