E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Behn Ich lehne es ab, meine Zunge im Zaum zu halten. Band 1
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95988-216-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-95988-216-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Band 1 der gesammelten Werke von Aphra Behn, die Romane und Erzählungen. Aphra Behn, die Wegbereiterin des modernen Romans Oroonoko ist ein westafrikanischer Prinz, der als Sklave in die südamerikanischen Kolonien verkauft wird und dort einen Aufstand anzettelt - die berühmteste von Aphra Behns schillernden Figuren. Die schöne Miranda nutzt ihr blendendes Aussehen, um daraus Profit zu schlagen, und schreckt auch vor Mord nicht zurück. Die Briefeschreiberin Astrea gibt Einblick in die Licht- und Schattenseiten einer Affäre, während die mysteriöse schwarze Lady vor der Liebe und ihren Konsequenzen ins turbulente London flieht. Aphra Behns vielschichtige Prosa erinnert an das, was wir heute »Autofiktion« nennen. Ihr wegweisender Roman »Oroonoko« ist einer der ersten Vertreter der Gattung und gilt als Klassiker der Frühen Neuzeit. Anders als Jane Austen, die Brontë-Schwestern und George Eliot konnte Englands erste freie Schriftstellerinihre Werke noch unter ihrem eigenen Namen publizieren und war damit unglaublich erfolgreich. Dieser erste Band enthält »Oroonoko« und die Erzählungen »Die schöne Scheinheilige«, »Liebesbriefe an einen Edelmann« und »Die Abenteuer der schwarzen Lady« in der Übersetzung aus dem Englischen von Tobias Schwartz. »Als Frau, die Konventionen brach, Grenzen festgezurrter Identitäten sprengte und selbstbestimmt lebte, taugt sie gewissermaßen als Covergirl für heutige Feministinnen und den Wunsch, doch eine erfolgreiche Schwester oder eben Nichte Shakespeares zu entdecken.« Marlen Hobrack, Der Freitag
Aphra Behn (*10. Juli 1640; ?16. April 1689 in London) - eine Feministin avant la lettre - ist die erste bekannte freie Schriftstellerin Englands und »Erfinderin« des realistischen Romans, wie wir ihn kennen. Ob in ihrem Prosawerk oder in ihren Erfolgskomödien, ihr Figurenarsenal könnte unterschiedlicher nicht sein. Doch all ihre Heldinnen und Helden eint, dass sie sich keinen Zwängen und Konventionen fügen wollen. Behns Themenspektrum reicht von Gender Trouble bis zur Zivilisationskritik und stets begehrt sie auf gegen die unterdrückte Stellung der Frauen in ihrer Epoche.
Weitere Infos & Material
Oroonoko oder Der königliche Sklave
Eine wahre Geschichte
Ich will nicht so tun, als wollte ich Sie, werte Leserin, werter Leser, mit den Abenteuern eines erfundenen Helden unterhalten, wenn ich Ihnen die Geschichte dieses königlichen Sklaven erzähle, oder als würden sein Leben und Schicksal dem freien Gestaltungswillen der Dichterin unterliegen. Eine wahre Geschichte will ich Ihnen stattdessen erzählen, ungeschönt, eine Geschichte, die nichts anderes enthält als die Geschehnisse, die ihm wirklich widerfuhren. Diese Geschichte will ich ganz einfach erzählen, ihre Reize und natürlichen Verstrickungen sprechen für sich. Um sie unterhaltsam erscheinen zu lassen, bedarf es keiner weiteren Erfindungen, das schafft die Wirklichkeit schon von allein. Ich war selbst Augenzeugin großer Teile dessen, was Sie hier vor Augen geführt bekommen, und das, was ich nicht selbst miterleben konnte, erfuhr ich unmittelbar aus dem Mund der Hauptfigur dieser Geschichte, des Helden selbst, der uns die Kapitel seiner Jugend offenlegte und Tausende kleiner Begebenheiten berichtete. So wertvoll sie erscheinen – und obwohl gute Geschichten Mangelware sind und echte Abenteuer Seltenheitswert haben –, werde ich sie aus Gründen der Knappheit und Bündigkeit auslassen, da sie sich für den Leser als ermüdend und schwierig erweisen könnten, zumal in einer Welt, die zu jeder Zeit Ablenkungen bereithält, Neues und Bizarres. Wir aber, die wir von dem Charakter dieses großen Mannes so derart eingenommen waren, waren begierig, jede Einzelheit aus seinem Leben zu erfahren. Der Schauplatz des letzten Teils seiner Abenteuer befindet sich in einer amerikanischen Kolonie namens Surinam in Westindien. Doch bevor ich Ihnen die Geschichte dieses edlen Sklaven erzähle, erscheint es mir angebracht, dass ich Ihnen von der Art und Weise berichte, wie Sklaven in die neuen Kolonien gebracht werden. Denn bei denjenigen, von denen dort Gebrauch gemacht wird, handelt es sich nicht um die ortsansässigen Eingeborenen. Mit denen leben wir in großem Einvernehmen und wagen es nicht, sie zu bevormunden. Im Gegenteil, wir begegnen ihnen mit der freundlichsten und freundschaftlichsten Zuneigung der Welt, wir treiben Handel mit ihnen, kaufen ihren Fisch, ihr Wild, ihre Büffel, Felle und kleine Raritäten wie Pinseläffchen, eine Affenart von der Größe einer Ratte oder eines Wiesels, aber mit einer wunderbar zierlichen Gestalt und einem Gesicht und Händen, als wären sie die eines Menschen, außerdem Pardelkatzen, kleine Raubtiere, die aussehen wie Löwen, aber so klein sind wie Katzen – sie sehen genauso aus wie die erhabenen Raubtiere, nur eben so, als wären sie Miniaturversionen. Die Indianer handeln mit kleinen Sittichen, großen Papageien, Aras und Tausenden anderer Vögel und Wildtiere in wundervollen und überraschenden Formen und Farben, mit den Häuten riesiger Schlangen, von denen es meterlange Exemplare gibt, so wie die, die in der königlichen Altertumssammlung zu sehen ist. Die Sammlung enthält übrigens auch einige seltene Insekten von beeindruckender Farbe und Gestalt, welche ich ihr übereignet habe. Einige von ihnen haben die Größe einer Faust, andere sind kleiner, alle aber sind sie von einer Vielfalt und Pracht, wie sie keine Kunst zu imitieren vermag. Des Weiteren tauschen wir Federn ein, die sie wiederum in unterschiedlichsten Formen zusammenstellen, um sich daraus kurze Gewänder und herrlichen Schmuck für ihre Köpfe, Nacken, Arme und Beine zu machen, das Farbspektrum ist unvorstellbar. Mir wurde eine ganze Garnitur überreicht und ich übergab sie dem Theater Ihrer Majestät, des Königs, wo daraus das unnachahmliche Kostüm der Indian Queen wurde, das von allem, was Rang und Namen hat, grenzenlos bewundert wurde. Ansonsten gab es Tausende kleiner Kinkerlitzchen, Kuriositäten aus dem Urwald und einiges an Kunsthandwerk, ihre Körbe etwa, aber auch Waffen und Kleider. Wir tauschten das alles gegen Glasperlen in allen möglichen Farben, gegen Messer, Äxte, Stecknadeln und Stricknadeln, die sie lediglich als Werkzeuge benutzten, um Löcher in ihre Ohren, Nasen oder Lippen zu stechen, an die sie für gewöhnlich eine ganze Menge kleiner Dinge hängen, lange Perlenketten etwa, flachgeklopfte Stückchen aus Zinn, Messing oder Silber oder irgendwelchen anderen funkelnden Schmuck. Die Perlen weben sie in Stoffe, die etwa einen Viertelmeter lang sind und ebenso breit, und sie lassen daraus hübsche Blumen in ganz unterschiedlichen Farben entstehen. Mit den Stoffen bedecken sie sich dann, wie Adam und Eva es mit den Feigenblättern taten. Die Männer tragen lange Streifen aus Leinen, mit denen sie auch zu handeln versuchen. Außerdem ziehen sie die Perlen auf lange Baumwollfäden auf und machen daraus Gürtel, mit denen sie die Stofffetzen festschnüren. Sie werden zwanzig Mal oder noch häufiger um die Taille gewickelt und dann quer, wie ein Brustgurt, in beide Richtungen, und um ihre Nacken, Arme und Beine. Der Schmuck, dazu ihre langen schwarzen Haare und ihre Gesichter, die hier und da mit kleinen Farbtupfern oder Blumen bemalt sind, das alles macht aus ihnen wahrlich wunderbar anzusehende Gestalten. Einige dieser Naturschönheiten, die, wie eigentlich fast alle, wirklich sehr zarte und schöne Körper haben und außerdem sehr hübsche Gesichtszüge besitzen, sind sehr bezaubernd und einnehmend – alles an ihnen könnte man schön nennen, abgesehen von ihrer Hautfarbe, die von einem rötlichen Gelb ist oder, nach einer Art Einölung, die sie einander sehr oft verabreichen, auch von der Farbe eines frischgebackenen Ziegelsteins, aber glatt, samtig und geschmeidig. Sie sind außerordentlich bescheiden und schamhaft, sehr schüchtern und auch schön anzufassen. Obwohl sie alle halbnackt herumlaufen, sieht man sie nie eine unanständige Geste tun oder einen unzüchtigen Blick werfen, auch wenn man noch so lange unter ihnen lebt. Und da sie es gewohnt sind, sich unentwegt so zu sehen, wie Gott sie erschaffen hat – so wie unsere Urahnen vor dem Sündenfall –, erscheint es so, als hätten sie keinerlei Wünsche. Nichts weckt ihre Neugier, alles, was es zu sehen gibt, ist unmittelbar und ständig zu sehen und wo es nichts Neues gibt, kann es auch keine Neugier geben. Nicht, dass ich nicht auch einmal einen gutaussehenden jungen Indianer gesehen hätte, der in Liebe zu einer sehr hübschen jungen Indianerin entbrannt war. Doch sein Liebeswerben bestand einzig und allein darin, seine Arme zu verschränken und sie mit Blicken zu verfolgen, während er, von seinen Seufzern einmal abgesehen, kein Wort über die Lippen brachte. Sie hingegen verdeckte ihre Augen sorgfältig, um ihn ja nicht zu erblicken – so als wäre selbiger Liebhaber gar nicht anwesend oder als würde sie vielmehr einen solchen gar nicht begehren – und sie machte keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Sie senkte nur die Blicke und errötete mit einer strengen und ernsten Schamhaftigkeit, wie ich sie auf dieser Welt zuvor noch nicht gesehen habe. Diese jungen Leute vermittelten mir eine deutliche Vorstellung vom Zustand ursprünglicher Unschuld, in der sich der Mensch befand, bevor er die Sünde kennenlernte, und es ist schlicht offensichtlich, dass die Natur in ihrer Einfalt die harmloseste, unbedenklichste und keuschste Geliebte ist. Sie alleine würde die Welt wesentlich besser lenken als alle Erfindungen der Menschen zusammen, wenn man sie nur ließe. Die Religion ihrerseits würde hier nur die Ruhe und Gelassenheit zerstören, die die Indianer dank ihrer Unwissenheit besitzen, und Gesetze würden sie die Verbrechen erst lehren, von denen sie bislang noch gar keine Vorstellung haben. Einmal fasteten sie und betrauerten den Tod eines englischen Gouverneurs, der ihnen versprochen hatte, sie an irgendeinem bestimmten Tag aufzusuchen, jedoch nie eintraf und auch keine Nachricht schickte. Sie glaubten, dass nur der Tod in der Lage wäre, einen Mann, der einmal sein Wort gegeben hatte, daran zu hindern, es auch zu halten. Als sie erfuhren, dass er gar nicht tot war, fragten sie ihn, welchen Namen man einem Menschen gebe, der Dinge verspricht, die er nicht einhielt. Der Gouverneur erklärte ihnen, ein solcher Mensch wäre nichts anderes als ein Lügner und es wäre äußerst beleidigend für einen Edelmann, so genannt zu werden. »Herr Gouverneur«, antwortete da einer von ihnen, »Sie sind ein Lügner und haben sich dieser Schändlichkeit schuldig gemacht«. Die Indianer haben eine sehr ursprüngliche Vorstellung von Gerechtigkeit, welche keine Arglist kennt, sie verstehen weder Betrug noch Laster, es sei denn, die Weißen hätten es ihnen beigebracht. Sie haben eine Vielzahl an Frauen, die, wenn sie älter werden, ihren wiederum jungen Nachfolgerinnen dienen, aber ihre Arbeiten sind leicht zu ertragen und sie werden sehr geachtet. Andere Bedienstete haben sie nicht, es sei denn, sie haben in einem Krieg Sklaven gemacht. Die Eingeborenen auf dem Kontinent, den ich besuchte, hatten zwar keinen König, aber dem ältesten Kriegsführer wurde allseits mit großer Ergebenheit gehorcht. Ein Kriegsführer ist ein Mann, der sein Volk bereits in die Schlacht geführt hat – mit Haltung und mit Erfolg, wovon ich später noch Gelegenheit haben werde, mehr zu erzählen, auch von einigen anderen ihrer Bräuche und Umgangsformen, wenn wir ihnen wieder begegnen. Wie gesagt, leben wir mit diesen Menschen in Frieden und großem Einvernehmen, so, wie es sich gehört. Die Indianer wissen sehr genau, wie man an Nahrungsmittel gelangt, sie kennen die besten Stellen. Für kleinen, im Grunde wertlosen Tinnef versorgen sie uns mit allem, was für uns ansonsten zu bekommen unmöglich wäre. Sie jagen nicht nur im Urwald oder in den Steppen, wo sie die Beute wie Hunde aufspüren, indem sie schnell und gezielt auch nahezu undurchdringliche...




