E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Belleza Herrscherin der tausend Sonnen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-18792-7
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Reihe: Die Herrscherin der tausend Sonnen-Reihe
ISBN: 978-3-641-18792-7
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prinzessin Rhee Ta'an beherrscht das Schwert meisterhaft und will nur eins: Rache. Nachdem ihre Familie ausgelöscht wurde, ist sie für den korrupten Kronregenten lediglich eine Marionette. Jetzt, mit fast 16, wird sie die Kaiserkrone tragen und hofft, endlich die Mörder ihrer Angehörigen zu bestrafen. Doch dann entkommt Rhee selbst nur knapp einem Anschlag und muss untertauchen. Zur gleichen Zeit verschwindet ihr vermeintlicher Mörder - Pilot Alyosha, eben noch galaktischer Superstar, nun von der Regierung gejagter Verbrecher. Aly und Rhee ahnen noch nicht, dass das Schicksal der ganzen Galaxie in ihren Händen liegt: Eine dunkle Macht droht ihre Welt in einen interplanetaren Krieg zu stürzen ...
Rhoda Belleza wuchs in Los Angeles auf, wo sie viel X-Files-Fanfiction schrieb und haufenweise Avocados vertilgte. Sie arbeitet als Lektorin für Kinder- und Jugendbücher in einem Verlag. Wenn sie nicht schreibt, guckt sie leidenschaftlich Nail-Art-Tutorials und Kung-Fu-Filme oder näht alles Mögliche zusammen, um es hinterher als Kleidung auszugeben. Wenn sie hingegen schreibt, dann in ihrem sonnigen Apartment in Brooklyn, das vollgestopft ist mit zu vielen Fahrrädern und Schuhen. Herrscherin der tausend Sonnen ist ihr Debüt.
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1
Rhiannon
Rhee rannte über den belebten Marktplatz und wirbelte dabei Staub auf, der sich in der geringen Schwerkraft Nau Frumas nur langsam wieder legte. Die Touristen husteten und beschwerten sich, als Rhee an ihnen vorbeistürmte, aber sie achtete nicht darauf, da sie den Platz nach Julian absuchte, dessen Miniaturteleskop sie an die Brust drückte. Sie war nicht daran gewöhnt, sich in einer Menschenmenge aufzuhalten; den Großteil ihres Lebens hatte sie damit verbracht, von einem Balkon auf die Menge hinabzuschauen, während man sie drängte, zu winken und zu lächeln und so damenhaft wie möglich auszusehen. Trotzdem fand sie das Gedränge und Geschiebe faszinierend.
Die goldene Stunde war angebrochen und die Sonne tauchte gerade hinter den Horizont. Rhee wagte einen Blick über die Schulter und entdeckte einen der Tasinn, der sich durch die wogende Menge in ihre Richtung pflügte. Seine maßgeschneiderte Khakiuniform und seine glänzenden Abzeichen stachen aus dem Meer der farbenfrohen Leinengewänder hervor. Seine Haut wirkte kreidebleich im Gegensatz zu der der einheimischen Männer, die auf diesem Wüstenmond aufgewachsen waren und die die Hitze der Sonne kannten – nicht nur die gebrochene Strahlung wie in den Kuppelstädten auf Kalu. Sie sah, dass seine Hand auf dem Taser an seinem Gürtel lag.
Die Tasinn waren die königliche Garde – streng genommen ihre königliche Garde, aber sie kamen ihr wie ein Relikt aus der Ära ihres Vaters vor, das nichts mit dem Leben zu tun hatte, das sie hier auf Nau Fruma führte. Sie waren eine Truppe von Elitekämpfern aus den Reihen der UniForce-Soldaten und im Personenschutz ausgebildet. Dieser Gardist war einer von vielen Männern, die den Auftrag hatten, sie zu finden, damit sie auf ihren Geburtsplaneten Kalu zurückkehren konnte.
Sie war sechs gewesen, als sie ihn verlassen hatte, kurz nachdem ihre gesamte Familie bei einem »Unfall«, wie die Behörden es nannten, ums Leben gekommen war. Rhee hatte angeblich Glück gehabt, als sie von dieser Tragödie verschont worden war, aber sie wusste es besser. Denn zwei Dinge standen fest – dass ihre Familie ermordet worden war und dass sie mit ihnen hätte sterben sollen.
Ein Feuerwerkskörper stieg mit einem schrillen Kreischen in den Himmel auf. Sein wütendes Heulen verlor sich in einem leisen Pfeifen, dann explodierte er in der Ferne. Sie fragte sich, ob der Tod genauso schnell und gnädig über ihre Familie gekommen war.
Rhee steckte das Teleskop in die Tasche und zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, um ihre verschiedenfarbigen Augen zu verbergen. Eins war braun, das andere grünlich braun. Sie schob ihren pechschwarzen Zopf zurück, drängte sich an zwei lachenden Männern vorbei und bog nach links zwischen eine Reihe von Zelten. Dabei wich sie einer großen Frau mit einem Käfig aus, zuckte zusammen, als der weiße Vogel darin mit den Flügeln flatterte, und kam sich sofort dumm vor.
»Seid wachsam und bereit«, hatte Veyron immer gesagt, während er die rauen Hände hochgehalten hatte, gegen die sie boxte und trat. Sie durchlief die Kombinationen, bis sie nur noch das Blut hören konnte, das ihr in den Ohren dröhnte. Im Dojo war sie kein Mädchen, keine Prinzessin, sondern nur eine Abfolge von Absichten: Ausweichen, Angreifen, Abwehren, Töten.
Töten.
Jetzt hatte sie das Gefühl, als sei ihr Magen verdreht wie die Kaktusstämme, hinter denen sie und Julian sich versteckten, wenn sie sich an den Palastmauern vorbeischlichen. Von dem Geruch nach Rauch und verkohltem Fleisch von einer nahen Marktbude wurde ihr übel. Ein derkatzianisches Mädchen mit gelben Augen saß auf einem Hocker, fächelte sich mit der Hand Luft zu und bot den Passanten mit der anderen ein Wurzelgemüse an. »In echter Erde gewachsen«, rief sie.
Alle waren auf den Beinen: Reisende und Händler von den Rändern des Universums, einheimische Familien, wohlhabende Touristen. Heute Nacht würde der Kamreial-Meteoritenschauer niedergehen, der alle einhundertneunundvierzig Jahre kam. »Das gibt es nur einmal im Leben«, hatten die Hologramme verkündet. »Ihr werdet so etwas nie wieder sehen.«
Genau das war der Grund, warum der Kronregent festgelegt hatte, dass Rhiannon in dieser Nacht in die Hauptstadt Sibu zurückkehren sollte. Die geliebte Rose der Galaxie reiste inmitten eines Sternenschauers nach Kalu zurück: eine dicke, fette, hübsch verpackte Lüge, die dem Image diente. In Wahrheit herrschte innige Feindschaft zwischen Rhee und dem Regenten Seotra, der den Thron bis zu Rhees Volljährigkeit übernommen hatte. Er war der Kindheitsfreund und einer der engsten Ratgeber ihres Vaters gewesen.
Bis Regent Seotra ihre Familie verraten hatte.
Die Ta’an waren ein altes Geschlecht. Man konnte ihre Ahnenreihe fast drei Jahrhunderte zurückverfolgen, und seit zwölf Generationen saßen sie auf dem Thron. Sie waren unter den ersten Siedlern im Osten gewesen. Die dunkle Erde Kalus war Teil von Rhees Haut, das Meer floss in ihren Adern und die Wurzeln der Bäume waren ihre eigenen. Wochenlang hatte sie wieder und wieder die Erinnerungen an ihre Kindheit in der Hauptstadt abgespielt, damit sie sich dort bei ihrer Heimkehr wie zu Hause fühlen würde.
Es war Seotra gewesen, der sich für Rhees Rückkehr nach Nau Fruma starkgemacht hatte. »Um ihrer Sicherheit willen«, hatte er behauptet. Und obwohl Nau Fruma gemäß des Urneu-Vertrags ein politisch neutraler Mond war, hielt er Rhee auch so weit wie möglich von ihrem wahren Geburtsrecht fern – dem Thron. Es war ein Schritt, um Kronregent zu bleiben und ihren Aufstieg an die Macht zu verhindern. Seotra machte sich Sorgen.
Zu Recht. Rhee würde dafür sorgen, dass er für das bezahlte, was er ihrer Familie angetan hatte. Sie hatte sich jahrelang auf diesen Augenblick vorbereitet, in dem sie seiner Regentschaft und seinem Leben ein Ende machen würde.
Sie wünschte nur, sie könnte ihn mehr als einmal töten.
»Ehre, Tapferkeit, Loyalität«, flüsterte sie.
Rhee schaute zum Palast zurück, in dem sie den größten Teil ihrer Kindheit verbracht hatte. Er lag hoch oben auf dem Hügel, nur ein kleines Stück von der Stadt entfernt, obwohl es ihr jetzt so vorkam, als läge eine ganze Welt dazwischen – ein Gefängnis, das sie von der echten Welt und ihrer Bestimmung fernhalten sollte. Es war einst das zweite Zuhause ihrer Familie gewesen. Östlich davon konnte sie gerade noch den Schlund eines alten Vulkans ausmachen, der sich einsam aus der flachen Wüstenebene erhob. Kronenstein. Tai Reyanna, Rhees langjährige Gouvernante, hatte einmal eine Bemerkung darüber gemacht, wie passend es für Rhee sei, einer Krone so nahe zu sein.
»Eweg nich!«, donnerte eine tiefe Stimme, und ein Modrüssel riss sie fast von den Füßen. Sein Tentakel hinterließ eine klebrige Spur auf ihrer Kleidung. Als sie über die Schulter sah, konnte sie nur Fühler erkennen, die aus einem Gewand mit hohem Kragen herausragten, dessen Stoff von einem schleimigen Sekret durchnässt war – Modrüssel waren dafür bekannt, wegen ihrer hohen Körpertemperatur heftig zu schwitzen.
Sie eilte weiter. Gerade als sie den Platz erreichte, kam eine Nachricht durch ihren Würfel, und Tai Reyannas Rufzeichen blitzte kurz vor ihren Augen auf. Rhees Herz machte einen Satz.
Die Tai waren eine Sekte von Lehrern und Betreuern, und Simone Reyanna war eine hochrangige Tai, die der königlichen Familie diente und Rhees Gouvernante war. Rhee ignorierte ihre Anrufe sonst nicht, aber normalerweise riss sie auch nicht aus.
Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie holte tief Luft, legte den Finger an eine Stelle hinter dem rechten Ohr und tippte darauf, um den Würfel auszuschalten. Sofort wurde ihr schwindlig, und sie fühlte sich desorientiert, als habe sie etwas Wesentliches verloren. Es war das sichere Gefühl, online zu sein, die beruhigende Gewissheit, sich nie zu verirren, das Wissen, dass jeder Gedanke und jede Erfahrung aufgezeichnet wurden, um sie wieder und wieder abspielen zu können.
Aber es war auch befreiend. Nichts würde aufgenommen werden, und es bestand auch kein Zugriff mehr, zumindest nicht auf die Erinnerungen, die sie auf sofortigen und vollständigen Abruf programmiert hatte und die sie förmlich zu vereinnahmen schienen. Mit dem Ausschalten des Würfels schlug das Geplapper der Menge sofort von Rhees kalusianischer Muttersprache in verschiedene Dialekte aus dem ganzen Sonnensystem um. Sie hatte vergessen, dass ihr Dolmetscher mit ihrem Würfel verbunden war. Jetzt durchschnitten die fremden Worte, das Zungenschnalzen, die Pfiffe und die Pieptöne die Luft. Wie waren ihre Urahnen ohne den Würfel zurechtgekommen? War es möglich, dass sie so viele Sprachen nur durch Lernen beherrscht hatten?
»Sie versteigern auch ausrangierte Droiden«, sagte ein Junge vor ihr. Sein Nauie, der melodische Dialekt dieses Mondes, erregte ihre Aufmerksamkeit.
Julian. Er drehte sich in dem Moment um, als sie ihn in der Menge erblickte. Er riss die blauen Augen auf. Seit sie einander kannten, waren sie gleich groß gewesen, bis er vor zwei Jahren in die Höhe geschossen war. Sie musste jetzt aufschauen, wenn sie ihm in die Augen sehen wollte, was sie furchtbar ärgerte – es war ein Wettstreit, den sie nicht gewinnen würde.
»Still!«, zischte sie, bevor er ihren Namen rufen konnte. »Du musst deinen Würfel ausschalten. Schnell«, fügte sie hinzu, als er protestieren wollte.
»Du bist paranoid«, erwiderte er. Angeblich war es unmöglich, sich in einen anderen Würfel einzuhacken, aber es ging das Gerücht um, dass Seotra und seine Lakaien die Bürger überwachten, indem sie...