Benecken / Reinhardt | Unschuldig verurteilt | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Benecken / Reinhardt Unschuldig verurteilt

Zwei Strafverteidiger über den Albtraum Justizirrtum

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-7110-5348-0
Verlag: ecoWing
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Im Zweifel gegen den Angeklagten! Reihenweise Fehlurteile in Deutschland!Jens Söring, deutscher Diplomatensohn, wurde wegen angeblichen Doppelmordes in den USA verurteilt - 33 Jahre verbrachte er hinter Gittern, obwohl vieles gegen seine Täterschaft sprach. Ein Justizirrtum, der nur im „Unrechtssystem“ der USA möglich ist? Keinesfalls! Die beiden Strafverteidiger Burkhard Benecken und Hans Reinhardt, bekannt durch ihren True-Crime-Podcast „Advokaten des Bösen“, zeigen auf, was im deutschen Strafverfahren tagtäglich falsch läuft.Von schlampig arbeitenden Polizeibeamten über korrupte Pflichtverteidiger, die ihre unschuldigen Mandanten an das Gericht „verkaufen“, bis hin zu Deals in der Gerichtskantine zwischen Staatsanwälten und Richtern: Erfahren Sie mehr darüber, wie skandalöse Gerichtsurteile entstehen und wie schnell Unschuldige auch in Deutschland im Gefängnis landen!- Tagtäglich Justizirrtümer: Deutschlands Gerichte haben eine hohe „Fehlerquote“- Zu Unrecht verurteilt: wahre Fälle aus der eigenen Strafverteidiger-Tätigkeit der Autoren- Der Netflix-Doku-Fall Jens Söring: wie ähnliche Fehlurteile in Deutschland entstehen- Unfassbare Fehlurteile: Ein spannendes Sachbuch für True-Crime-FansJustizopfer in Deutschland: ein erschreckender Blick hinter die Kulissen der scheinbar sauberen Justizwelt„Die deutsche Strafjustiz ist relativ instabil und irrtumsanfällig.“ Dieses beunruhigende Urteil fällen die Autoren auf Grund ihrer Erfahrungen als Strafverteidiger. In diesem Buch zeigen sie Kapitel für Kapitel die Ursachen für Justizirrtümer auf, die in Deutschlands Gerichtssälen dazu führen, dass die Falschen hinter Gittern landen. Dabei reden sie Klartext und schildern wahre Fälle.Ein packendes Sachbuch, das den Glauben an das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ untergräbt und der deutschen Justiz einen unschönen Spiegel vorhält.
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VORWORT
DREIUNDDREIßIG JAHRE HINTER GITTERN – SCHULDIG!?!
»Mr Hetler, sind die Mitglieder der Jury zu einem Ergebnis gekommen?« In der Stimme des Gerichtssekretärs sind militärischer Drill und aufgesetzte Höflichkeit herauszuhören. Nach einer kleinen Pause steht der Vorsitzende der Jury auf und antwortet: »Ja, das sind wir.« Er nickt einmal kurz und überreicht dem Gerichtssekretär ein einziges Blatt Papier – das einstimmige Urteil. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal des Kreisgerichts in Bedford County im US-Bundesstaat Virginia ist die Luft zum Schneiden. Alle warten auf die Entscheidung. Es geht um ein fünf Jahre zurückliegendes Verbrechen in Boonsboro, dem wohlhabenderen Teil von Bedford. Ein Ehepaar wurde dort am 30. März 1985 getötet, nein, im wahrsten Sinne des Wortes in seinem eigenen Haus abgeschlachtet. Ein doppelter Overkill. Eine Freundin des Paars hatte das Verbrechen vier Tage später entdeckt. Die Ehefrau lag in der Küche, ihr Mann zwischen Ess- und Wohnzimmer. Beide hatten offensichtlich mit ihrer Mörderin, ihrem Mörder oder ihren Mördern noch gemeinsam etwas gegessen und getrunken. Danach war das Paar bestialisch massakriert worden. Der Boden war blutgetränkt, die Leichen übersät mit Stich- und Schnittwunden, die Gesichter schrecklich entstellt, die Köpfe beinahe vollständig abgetrennt. Eine Tatwaffe war ebenso wenig gefunden worden wie Zeugen für das mörderische Blutbad. Auf der Anklagebank sitzt an diesem Junitag 1990 ein dreiundzwanzigjähriger Student und wartet auf das Ende des dreiwöchigen Prozesses. Auf sein Urteil. Nervös tupft sich der Sohn eines deutschen Diplomaten fast im Minutentakt Schweißperlen von seiner Stirn. Er ist voller Zuversicht, glaubt an ein gerechtes Urteil. Endlich überreicht der Vorsitzende der Jury, John Carson Hetler, dem Gerichtssekretär den gefalteten Zettel mit dem Ergebnis der Geschworenen. Der Sekretär räuspert sich noch kurz, bevor er das Blatt auffaltet und mit fester Stimme vorliest: »Wir, die Jury, erklären den Angeklagten schuldig des Mordes im ersten Grad an Derek William Reginald Haysom laut Anklage und setzen als Strafe lebenslange Haft fest. Ebenso erklären wir den Angeklagten schuldig des Mordes im ersten Grad an Nancy Astor Haysom laut Anklage und setzen als Strafe lebenslange Haft fest.« Zweimal schuldig. Zweimal lebenslänglich. Im Saal ist es für mehrere Sekunden gespenstisch still. Selbst die Fliegen, die in der Hoffnung, aus dem stickigen Raum in die Freiheit entkommen zu können, zuvor permanent an den Fensterscheiben gescheitert waren, scheinen sich für einen Moment in ihr Schicksal zu fügen. »Geben Sie mir bitte das Urteilsformular«, sagt Richter William Sweeney zu dem Gerichtssekretär. Dann wendet er sich den Geschworenen zu: »Mitglieder der Jury, in beiden Fällen lautet das Urteil auf Mord im ersten Grad, lebenslange Haft. Ist es das Urteil von jedem und allen Mitgliedern der Jury?« Die Geschworenen antworten zusammen, beinahe wie im Chor: »Ja, Sir.« Danach bekräftigt einer nach dem anderen sein »Ja« auch noch einmal einzeln. Richter Sweeney richtet danach den Blick zur Anklagebank, zu dem Studenten, und fordert ihn auf, sich zu erheben. Anschließend fragt er: »Können Sie mir noch einen Grund nennen, warum dieses Gericht in beiden Fällen jetzt nicht das Urteil verkünden sollte?« Die Antwort kommt prompt: »Ich bin unschuldig!« Einer der wenigen, aber am Ende für die Jury wichtigsten Beweise für die Annahme der Täterschaft des Studenten war ein am Tatort auf dem Holzfußboden hinterlassener blutiger Abdruck einer Socke. Das Beweismittel »LR3«. Das Beweismittel »LR3« (Foto: Bedford County Circuit Court) Der Abdruck eines Fußes in einer Socke ist als Beweis in etwa vergleichbar mit einem Fingerabdruck einer Person, die einen Handschuh getragen hat. Typische Hautrillen, die sogenannten Papillarleisten, die Finger- oder Fußsohlenabdrücke üblicherweise zu absolut einzigartigen Identifizierungsparametern machen (es wurden noch nie zwei Menschen mit dem gleichen Fingerabdruck entdeckt), waren jedoch nicht gefunden worden. Trotzdem hatte die Staatsanwaltschaft sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, um genau diesen Sockenabdruck als schlagkräftiges Beweismittel zur Überführung des Tatverdächtigen heranzuziehen. Ein Forensiker der Staatsanwaltschaft hatte ein durchscheinendes Foto eines Tintenfußabdrucks des Studenten schablonenhaft über den blutigen Sockenabdruck »LR3« vom Tatort gelegt. Tatsächlich wiesen die beiden Fußumrisse eine verblüffende Ähnlichkeit auf. Bis auf einen Unterschied: Die Größe passte nicht. Dass der Tintenfußabdruck des Studenten de facto einen Zentimeter länger war als der Sockenabdruck »LR3«, stützte der Forensiker auf die Vermutung, dass die Ferse des Angeklagten in der Situation offensichtlich zweimal aufschlug. Die Schlüsselrolle von »LR3« für die Schuld des Studenten machte der Geschworene Jake Bibb nur einen Tag nach der Urteilsverkündung öffentlich. Er verriet in einem Interview, dass die Jury am Anfang der Doppelmord-Verhandlung noch gespalten gewesen sei: Sechs Mitglieder hätten für »schuldig« plädiert, sechs für »unschuldig«. »Gamechanger« sei am Ende einzig und allein die Socken-Spur gewesen. Das forensische Beweismittel inklusive der nachvollziehbaren Erklärung, dass die Sockenspur mit dem Vergleichs-Fußabdruck des Angeklagten eine gute Übereinstimmung ergeben hätte, führte am Ende dazu, dass sich nach und nach alle Bedenken auflösten und die Karten innerhalb der Jury neu gemischt wurden. So hätten auch die sechs zunächst zögerlichen Geschworenen sich zuletzt von der einen auf die andere Seite ziehen lassen und seien von der Schuld des Studenten überzeugt gewesen. Alle anderen Indizien seien für ihn, so der Geschworene, ohnehin nahezu bedeutungslos geworden. »Was er schrieb (es gab verdächtige Liebesbriefe), hat nicht zu seiner Verurteilung geführt, auch nicht, was andere über ihn sagten (insbesondere eine Kronzeugin)«, enthüllte Jack Bibb. »Es war, was er am Tatort hinterließ. Ohne den Sockenabdruck hätte ich ihn für unschuldig gehalten.« Dazu muss man wissen: In den USA reicht ein einziger Geschworener, der auf »nicht schuldig« plädiert, um einen Freispruch zu erreichen. Der verurteilte Doppelmörder war wenige Wochen nach der Juryentscheidung aus der U-Haft entlassen und in ein anderes Gefängnis in Bedford verlegt worden. Kurz danach erhielt er Besuch von seinem Verteidiger, der ihn mit den Worten begrüßte: »Entweder hast du das größte Glück der Welt oder das größte Pech.« Strahlend präsentierte der Jurist im kleinen Besucherraum seinem Mandanten einen Umschlag und zog daraus ein Foto. Es zeigte einen Tintenfußabdruck, jedoch einen, den bisher kaum jemand zu Gesicht bekommen hatte. »Das ist ein Abdruck von Elizabeth Haysom«, sagte der Verteidiger. »Und er passt von der Form her genauso gut zum blutigen Sockenabdruck ›LR3‹ wie deiner. Nur stimmt es bei dem von Elizabeth Haysom auch von der Länge her. Da muss man gar nicht über einen doppelten Aufschlag der Ferse spekulieren.« Mit Elizabeth war die Tochter des getöteten Ehepaars Haysom und einstige Freundin des Studenten gemeint. Sie selbst war bereits 1987 wegen Anstiftung zum Mord an ihren Eltern zu neunzig Jahren Haft verurteilt worden und hatte im Prozess gegen den Diplomatensohn als Kronzeugin ausgesagt. Doch woher kam das Beweisstück auf einmal? Nachdem das Interview mit dem Geschworenen Jake Bibb veröffentlicht worden war, hatte der Anwalt des Studenten in der Asservatenkammer des Gerichts noch einmal die Akte des Forensikers zu dem entscheidenden »Socken-Beweis« studiert. Und war dort mit Elizabeths Fußabdruck auf etwas mit gewaltiger Sprengkraft gestoßen. Hier war ein Beweismittel, das im Prozess voraussichtlich alles verändert hätte. Denn damit war klar: Der Forensiker wusste zwar, dass es einen Vergleichs-Fußabdruck der Kronzeugin gab, der es mindestens genauso möglich erscheinen ließ, dass sie ihre Eltern ermordet hatte. Der Jury wurde aber nur der Fußabdruck des Studenten präsentiert, wodurch der Forensiker einseitig Stimmung gegen den Angeklagten gemacht hatte. War der viel wahrscheinlichere Abdruck von dem Sachverständigen der Staatsanwaltschaft etwa bewusst unter Verschluss gehalten worden? Der wahre Skandal im Zusammenhang mit der Existenz des praktisch geheim gehaltenen Beweismittels war allerdings hausgemacht: Denn statt Hoffnung zu verbreiten, musste der Anwalt des Verurteilten im weiteren Verlauf kleinlaut einräumen, dass der Tintenfußabdruck von Elizabeth Haysom keineswegs bewusst zurückgehalten worden war, denn für ihn als Verteidiger sei die forensische Akte jederzeit zugänglich gewesen. Offensichtlich hatte der Anwalt diese vor dem Prozess nur oberflächlich studiert. Von einer böswilligen...


Burkhard Benecken, 1975 geboren, hat das Who’s who der deutschen Clan-Szene vertreten sowie etliche Prominente wie Leon Goretzka oder Nastassja Kinski. Zusammen mit Hans Reinhardt betreibt er den True-Crime-Podcast »Advokaten des Bösen«, in dem sie von wahren Fällen erzählen und einen Blick hinter die Kulissen des Verbrechens werfen. Zudem haben sie bei Hit Radio FFH die Sendung »FFH Crime Time« und treten regelmäßig als TV-Experten auf.Hans Reinhardt, Dozent und dreifacher Fachanwalt, ist seit 33 Jahren Strafverteidiger und hat eine Vielzahl von Aufsehen erregenden Fällen bearbeitet, darunter den Satanistenmord von Witten oder die Panama Papers.


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