Bentele | Albspargel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Bentele Albspargel

Kriminalroman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8425-1514-7
Verlag: Silberburg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-8425-1514-7
Verlag: Silberburg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Günther Bentele konstruiert einen Krimi um die Verstrickungen in einem schwäbischen Dorf und zeichnet dabei ein feines Porträt seiner Hauptfigur Felix Fideler.

Die Bevölkerung von Tigerfeld auf der Schwäbischen Alb ist gespalten: Die Positionen der Befürworter und der Gegner der geplanten Windkraftanlagen scheinen unvereinbar zu sein. Es geht um Umwelt- und Naturschutz, um die "Verspargelung" der Landschaft, um die Energiewende und natürlich um viel Geld. Felix Fideler, der Windfachmann aus Stuttgart mit Wurzeln auf der Reutlinger Alb, soll mit seinem Gutachten eigentlich für klare Verhältnisse sorgen.

Doch als plötzlich der Hauptinvestor ermordet wird, steht Fideler plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er findet sich in einem Netz von Gerüchten und Verdächtigungen wieder, deren Ursprung in der Vergangenheit liegen. Vor zwanzig Jahren wurde Tigerfeld schon einmal von einem Mörder heimgesucht. Damals war das Opfer die wesentlich jüngere Amelie, mit der Fideler ein Verhältnis hatte ...

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Nein, ich bin kein Tigerfelder. Wer kennt schon Tigerfeld? Dennoch, es ist wichtig für diesen Bericht: ein winziges Nest auf der Schwäbischen Alb, ein unbedeutendes katholisches Pfarrdorf auf der Hochfläche an der B 312, in der Mitte gelegen zwischen Reutlingen und Riedlingen, vom Unterland her gesehen acht Kilometer vor dem Kloster Zwiefalten. Zwanzig Jahre lang wollte ich nicht mehr hierher! Seltsam stark empfand ich nun das letzte Wegstück als Heimkehr – alles in mir schien sich dagegen zu sträuben – darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Ich beschloss, die kleine Wanderung zu genießen, dehnte sie sogar aus und nahm um die Mittagszeit den kleinen Umweg von Pfronstetten aus über Aichstetten. Den Wagen hatte ich vor der Rose in Pfronstetten stehen lassen, meinem Standquartier für die nächste Zeit. Ich wollte zu Fuß im Zauberort meiner Kindheit eintreffen. September, Rückseitenwetter, für einen Meteorologen gerade hier oben besonders eindrucksvoll: Bewölkung Cumulus congestus, böiger Nordwestwind hinter der Kaltfront, hoher Luftdruck, keine Schauer. Wechsel von Sonne und Wolken. Auf der Albhochfläche wirken die Quellwolken gewaltiger – die Wolkenunterseiten abgeschnitten wie vom Messer eines Riesen. Sie ziehen auf dem Taupunkt wie auf einem See kristallklaren Wassers – eine ausgedehnte dunkle Fläche unter den blendend weiß hoch aufquellenden Wolkengebirgen. Auf den Feldern die wandelnden Schatten. Die Sonne, wenn sie eine Lücke fand, im Gesicht glühend wie im Sommer, dann wieder die kalten Windstöße. Die Hochfläche der Alb, Felder und Wiesen, eingerahmt von Hügeln und Wäldern. Hinter mir der Kirchturm von Pfronstetten, zwischen Wäldern und Äckern im Westen Wilsingen; vor mir, eingebettet in Obstwiesen und Krautgärten, das Betonkirchlein von Aichstetten mit seinem modernistisch schrägen Turm; nach Norden die Wälder um das Tiefental und die Aichelauer Steige. Ehrlich, das Herz schlug. Es hört sich so billig an: »Back to the roots« und so weiter, auf Papier und im Fernsehen zigtausendemal zu Tode geritten. Und doch war es so. Jeder Schritt war vertraut, scheinbar immer noch dieselben Obst- und Vogelbeerbäume links und rechts der Straße, mit ihren Flechten an Stämmen und Ästen, wie vor über zwanzig Jahren. Und daneben pochte das Schreckliche. Ich stieg hinauf auf den Hochwasserbehälter zwischen Aichstetten und Tigerfeld, einen heute von dichtem Gebüsch umwachsenen kleinen, steilen, früher kahlen Höcker. Da waren nach Westen die Wälder um den Alten Hau, das düstere Hart, davor das schwarze Auchtweidle und jenseits der flachen Senke des Hasentals der Winkel, eingerahmt von Wald; da waren im Süden, halb verdeckt durch das Dorf Tigerfeld, das steinige Annaleu, die Altspreite und die Schalkshüle. Dann auf der anderen Seite der Bundesstraße 312 östlich vom »Schloss« das Fetzenried, ein heller Buchenwald, von dem aus sich der dunklere Laiherwald nach Südosten Richtung Huldstetten dehnte, davor am Hang der Schneidergarten und das Pfarrwiesle, dahinter der Ganswinkel, und wie die Fluren in Tigerfeld sonst noch heißen. Ich hätte sie im Schlaf hersagen können. Da war im Osten der Weg mit den vielen Vogelbeerbäumen, der sich an einem Flurkreuz gabelt und hinüberführt zum St. Georgenhof und als Wanderweg vorbei am Lämmerstein über das Digelfeld nach Hayingen oder hinunter in das Glastal zur Wimsener Höhle und von dort der Aach entlang zum Kloster Zwiefalten. Vom Wasserbehälter aus hatte man mir als Kind zum ersten Mal die Alpenkette gezeigt: Schneeberge im August! Die Feldwege hier oben hatte ich noch als »Albautobahnen« in Erinnerung – Fahrstreifen in Reifenbreite aus gelbweißem Albkies, dazwischen, von den Rädern der Fuhrwerke nicht erreicht, der Grünstreifen aus Breitwegerich, Vogelknöterich und dem Einjährigen Rispengras – jetzt alles längst asphaltiert. Ein paar kalte Windböen zerrten an mir. Der Aichstetter Weg, den ich genommen hatte, war jetzt eine moderne Fahrbahn, abgesenkt und beim Wasserbehälter eingeschnitten in eine Wölbung des Bodens, kaum Verkehr. Daneben lief das geteerte Sträßlein für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge. Da stand wie eh und je das Aichstetter Käppele, jetzt aber durch die in den Hang darunter eingeschnittene Straße seltsam erhöht; rührend der Blumenstrauß, den jemand aufgestellt hatte. Drüben, ein paar hundert Meter weiter nach Westen, parallel zu meinem Weg von Aichstetten, sah ich die Autos auf der B 312. Und vor mir, jetzt dunkel gegen die Sonne, lag das Dorf Tigerfeld, breit ausgestreckt. Der vertraute Umriss, samt der barocken Haube der Dorfkirche. Ganz nah am Ort kam ich vorbei am altersgrau verbretterten Futterhaus meines Onkels, der hier im Flecken Bauer und Seiler gewesen war. Dahinter der Beerengarten, jetzt eine gestaltlose Wildnis mit eingesunkenen Steinpfosten und verfaulten Zaunlatten. Vom Immenhaus, dem Bienenhaus im hinteren Garten, war nichts mehr zu sehen. Als Kinder hatten wir dort Honigwaben auslutschen dürfen – herrlich süß bei aller Angst gestochen zu werden. Einige neue Häuser am Ortsrand, daneben Riesensilos, die nach Industrialisierung aussahen. Einige Scheunen und Ställe bei der Kirche im Ort waren abgerissen – sie hatten Parkplätzen weichen müssen. Auch die Scheune meines Onkels war verschwunden. Hier waren wir von der Obet ins Stroh gesprungen, hatten Raubtiere im Zirkus gespielt und Salto vorwärts probiert. Einmal hatte mein Onkel hinterher eine im Stroh verschüttete Sense herausgezogen. Die Straßen waren leer zur Mittagessenszeit. Nur ein uraltes Weiblein an einem Holzstoß hatte sich umgedreht und mir lange nachgeschaut. Ich kannte sie noch: die alte Mechthild, eine Bauernmagd, sie musste jetzt weit über neunzig sein. Aber auf sie würde niemand achthaben, wie man hier zu völliger Bedeutungslosigkeit sagt. Ich durchquerte den Ort Richtung Huldstetten und Zwiefalten. Draußen am Weg beim »Schloss« war eine Baustelle: die Erde aufgerissen wie eine gelbe Wunde und abgeschrankt – ein Rohrgraben; dazwischen die ausgeworfenen gelbbraunen Steine wie Knochen eines Fossils. Die braune Farbe kommt vom Eisengehalt: Man findet auf den Äckern hier oben immer wieder schwarzbraune Kügelchen – Bohneisenerz. Das »Schloss« war ursprünglich Armenhaus und Spital des Klosters Zwiefalten mit verwittertem Wappen über dem Eingangsportal, schlichter Barock mit steilem Mansardendach, ein lieblicher Bau in einer lieblichen Gegend, in dem im Zweiten Weltkrieg jüdische alte Menschen nach der Zwangsenteignung und vor der Ermordung in einem »Judenaltenheim« gesammelt wurden, um einige Monate mitten im Dorffrieden auf den Weitertransport zu warten, voll Ungewissheit und Todesahnung. Ein paar Steinwürfe weiter in Richtung Fetzenried konnte man noch lange nach dem Krieg einen ehemaligen Schießplatz sehen; mit Wällen und zerschossenen und abgefaulten Holzpfählen – als hätte man daran Deserteure erschossen. Lange vorher hatte man hier oben Flachs gebrochen. Heute sind hier nur noch Steine, Wind, gelbes Gras, Disteln und wilde Stachelbeersträucher. Ein schöner Blick auf Huldstetten, dahinter blau und grau eine heute wahrscheinlich nur eingebildete Ahnung der Alpenkette, dazu der Blick auf das Huldstetter Hart, ein paar Dächer von Geisingen. Rückwärts, im Sonnenschein und Wolkenschatten Tigerfeld. Früher mein Lieblingsblick. Ein Idyll, das für mich freilich trügerisch geworden war. In der Gestalt immer noch der alte Ort. Aber jetzt von Süden her sah ich zum ersten Mal die vielen Dächer, die mit Photovoltaik gedeckt waren – stahlblau, quadratisch, in der Wirkung irgendwie japanisch oder jedenfalls asiatisch. Abgesehen vom Rauschen der wenigen Autos auf der B 312 heute am Sonntagmittag immer noch wie früher die große Stille, nur der Wind bildete ein Hintergrundgeräusch; hie und da das Krähen eines Hahnes oder, trotz Sonntag, das Tuckern eines fernen Traktors, das Schlagen eines Hammers, das Krächzen einer Krähe. Hinter dem »Schloss« Richtung Huldstetten zieht sich der Laiherwald bis zum Ganswinkel und erreicht hier die höchste Stelle des Tigerfelder Eschs, wie die Bauern auf der Alb ihre Ackerflur nennen. Am Ganswinkel stehe ich auf einer Höhe von 763 Metern, fast 30 Meter höher als die Kirche von Tigerfeld. Diese ausgesetzte Stelle kann von den kräftigen Westwinden frei erreicht werden; vor allem kaum gebremst durch die Rauigkeit der Landschaftsoberfläche, Wälder und Erhebungen. Ich spürte hier oben die kalten Windstöße viel heftiger als auf dem Weg von Aichstetten und sah die Wolkenschatten, wie jedes Mal bei dieser Wetterlage, in überraschend schneller Folge über die Flur ziehen. Auf diesem exponierten Punkt nun sollte nach dem Willen einer Gruppe von Investoren – Bauern und anderen...


Günther Bentele, 1941 in Bietigheim geboren, war Lehrer am Gymnasium. In seiner Heimatstadt Bietigheim-Bissingen leistete er Wesentliches für die Erhaltung der historischen Altstadt; daraus entstand eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten in der Orts- und Landesgeschichte. Daneben veröffentlichte er im Bereich der Jugendliteratur 13 Romane und erzählende historische Sachbücher, für die er mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis und dem Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- oder Jugend-Kriminalroman ausgezeichnet wurde. "Albspargel" ist sein erster Krimi für Erwachsene.



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