Berg | Ist Nachhaltigkeit utopisch? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 205 mm

Berg Ist Nachhaltigkeit utopisch?

Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96238-677-1
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln

E-Book, Deutsch, 464 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 205 mm

ISBN: 978-3-96238-677-1
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



»Ein wichtiger Beitrag zur rechten Zeit!« Prof. Uwe Schneidewind, Wuppertal Institut Energiewende, Elektroautos, CO2-Steuer - seit Jahren erdenken Wissenschaft und Politik immer neue Maßnahmen, um die sozial-ökologischen Krisen einzudämmen. Und doch ist keine Besserung in Sicht, im Gegenteil: In vielen Bereichen verschlimmert sich die Lage sogar noch. Warum bekommen wir die Wende nicht hin? Weil wir nur einzelne Symptome bekämpfen, statt die zugrunde liegenden Probleme und ihre Zusammenhänge anzugehen, sagt Christian Berg. In einer differenzierten Analyse identifiziert er die Barrieren, die uns rechtlich, wirtschaftlich, politisch, aber auch technologisch und kognitiv im Weg stehen. Aus ihrer Erkenntnis entwickelt er konkrete Handlungsprinzipien, die helfen, diese Hindernisse zu überwinden und eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen.

Christian Berg beschäftigt sich seit fast 20 Jahren in verschiedenen Rollen mit dem Thema Nachhaltigkeit - in Wirtschaft und Wissenschaft, Politikberatung und Zivilgesellschaft, etwa als Mitglied des deutschen Präsidiums des Club of Rome oder als Professor für Nachhaltigkeit an der TU Clausthal. Immer wieder hat er erlebt, wie großartige Ideen nicht umgesetzt wurden. Das hat ihn nicht losgelassen. Er wollte wissen, warum das so ist - und was wir tun können, um dies zu ändern.
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1 Einleitung: Nachhaltigkeit – ein utopisches Ideal?

1.1 Ist Nachhaltigkeit ein »erschöpftes Konzept«?


Das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung hat eine bemerkenswerte Karriere erlebt.
1987 stellte die UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED) ihren Abschlussbericht vor. Das darin beschriebene Konzept, die »Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation zu befriedigen, ohne die der künftigen Generationen zu gefährden« ist als »Brundtland-Definition« seither einschlägig geworden (WCED 1987, Abschnitt 27). Nur fünf Jahre später, 1992, einigte sich die Weltgemeinschaft in Rio de Janeiro darauf, Nachhaltigkeit als gemeinsames Ziel der Menschheit zu verfolgen. 2015 schließlich konnten sich die Staaten der Welt auf die Agenda 2030 mit ihren Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) einigen, die 17 sehr konkrete Ziele für eine nachhaltige Entwicklung benennt, denen 169 Unterziele mit entsprechenden Indikatoren zugeordnet sind.
Im selben Jahr wurde mit dem Pariser Klimaabkommen ein weiterer wichtiger Meilenstein für nachhaltige Entwicklung erreicht. Es gibt unzählige weitere Programme, Initiativen, Maßnahmen und Organisationen, die sich der Herausforderung einer zukünftigen, einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben haben – aber was hat das alles gebracht?
Wir Menschen prägen das Gesicht der Erde in einer nie dagewesenen Weise, was der Begriff »Anthropozän« zum Ausdruck bringt – der Mensch ist mittlerweile zur dominierenden Einflussgröße auf unserem Planeten geworden (Crutzen 2002).
Gibt es Fortschritte beim Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen? Gelingt es uns, Ressourcen gerechter zu verteilen? Haben sich die Bemühungen um den Klimaschutz ausgezahlt?
Gewiss, es hat einige Fortschritte in Sachen Entwicklung gegeben: So haben die UN-Millennium-Entwicklungsziele, die Millennium Development Goals, zum Beispiel geholfen, die Kindersterblichkeit zu senken und die Armut zu bekämpfen.
In vielen ökologischen Fragen ist die Bilanz aber sehr ernüchternd. Besonders dramatisch sieht man dies an der Entwicklung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
Abbildung 1: Keeling-Kurve: Kohlendioxidkonzentration auf dem Mauna Loa. (Quelle: Scripps Institution of Oceanography (2019), https://scripps.ucsd.edu/)
Abbildung 1 zeigt die sogenannte Keeling-Kurve, die seit 1958 die CO2-Konzentration in der Atmosphäre misst. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen um Klimaschutz nimmt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiter zu. Nirgendwo ist der Effekt der Rio-Konferenz (1992), des Kyoto-Protokolls (1997) oder des Pariser Klimaabkommens (2015) erkennbar! Von den jahreszeitlich bedingten Schwankungen abgesehen, nehmen die Werte seit sechs Jahrzehnten kontinuierlich zu. Es gibt lediglich zwei kurze Phasen, in denen die Zunahme etwas geringer ausfällt: nach der Ölkrise Anfang der 70er- Jahre und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 90er-Jahre.
Zeigt diese Kurve nicht das dramatische Versagen unserer Nachhaltigkeitspolitik? Oder stellt es vielleicht sogar das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung generell in Frage? Was sind all die politischen Vereinbarungen und gutgemeinten Aktionen wert, wenn sie keine Ergebnisse zeigen? Machen wir uns nicht selbst etwas vor?
Dabei ist die Klimakrise natürlich bei weitem nicht das einzige ökologische Problem, möglicherweise noch nicht einmal das gravierendste. Der Artenschwund, der vielleicht noch bedrohlicher als der Klimawandel ist, wie verschiedene Studien nahelegen (Rockström et al. 2009; Steffen et al. 2015b), hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Der vom WWF veröffentlichte Living Planet Index dokumentiert einen Rückgang von 60 Prozent in den letzten 40 Jahren (WWF 2018).
Abbildung 2: Planetare Grenzen. (Quelle: Steffen et al. 2015b)
Wir »plündern den Planeten« und beuten seine Rohstoffe aus (Bardi 2013), wir zerstören die tropischen Regenwälder und gefährden ihre indigenen Völker (Martin 2015) und unsere Ozeane werden wärmer, saurer und vermüllen (World Ocean Review 2017).
Zwar gibt es global gesehen Fortschritte bei der gesellschaftlichen Entwicklung – der Human Development Index (HDI)1 hat sich zwischen 1990 und 2017 verbessert –, doch gibt es bei genauerem Hinsehen noch immer große Probleme: Während die menschliche Entwicklung im globalen Mittel bei einem HDI von 72,8 Prozent liegt, ist dieser Wert für das Afrika südlich der Sahara mit 34,9 Prozent erheblich niedriger. Auch gibt es noch ein signifikantes »gender-gap«: Der HDI für Frauen liegt im globalen Mittel mehr als sechs Prozent unter dem der Männer. Und nicht zuletzt werden auch Fortschritte beim HDI durch ökonomische Disparitäten zunichte gemacht: Berücksichtigt man soziale Ungleichheiten, liegt der weltweite HDI nur noch bei 58,2 Prozent (UNDP 2018). Mehr als 60 Prozent der Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, 30 Prozent keinen Zugang zu sauberer Trinkwasserversorgung (UNESCO 2019).
Das ernüchternde Resümee des Sustainable Development Report von 2019 lautet, dass vier Jahre nach der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens kein einziges Land auf dem richtigen Weg ist, alle Ziele zu erreichen. In vielen Bereichen verschlechtert sich die Situation sogar (Sachs et al. 2019, viii).
Und während die wissenschaftlichen Analysen von Klimakrise, klimabedingter Migration, Artenschwund, Entwaldung und Plastikmüll entschlossenes Handeln immer dringlicher machen (vgl. Steffen et al. 2018), wird die Diskussion um Nachhaltigkeit von einer völlig unerwarteten Seite torpediert: Populismus. Populistische Agitation zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich, führt zu Rückschlägen bei internationalen Verhandlungen, zieht solide wissenschaftliche Kenntnisse in Zweifel, verunglimpft die Medien und heizt die gesellschaftliche Polarisierung weiter an.
Während die Fachwelt noch darauf hingewiesen hat, dass die im Pariser Klimaziel vereinbarten nationalen Selbstverpflichtungen (Nationally Determined Contributions, NDCs) nicht ausreichen, um das 2-Grad-Ziel auch wirklich zu erreichen (»Ambitionslücke«) und selbst diese unambitionierten Ziele nicht eingehalten werden (vgl. das Verfehlen der deutschen Klimaziele für 2020), muss konstatiert werden, dass die größte Gefahr für das Klima möglicherweise gar nicht aus unambitionierten NDCs resultiert, sondern aus der Tatsache, dass wir vorher den gesellschaftlichen Zusammenhalt verlieren oder geopolitische Konflikte erleben.
Dabei hat der Aufstieg des Rechtspopulismus in vielen Regionen der Welt möglicherweise sogar dieselben Ursachen wie unsere Nicht-Nachhaltigkeit. Denn ein Gefühl von Verunsicherung, das viele Menschen für populistische Vereinfachung empfänglich macht, ist mitverursacht durch die raschen Veränderungen heutiger Lebenswelten, zunehmende Ungleichheiten, hohe Problemkomplexität und das Gefühl, dass eine als elitär empfundene politische Klasse unfähig ist, die »wirklichen Probleme« zu adressieren (vgl. z. B. J.-W. Müller 2016; Dibley 2018; Lockwood 2018). Dies wird in Abschnitt 4.3 thematisiert werden.
Wie ist es zu beurteilen, dass das Konzept Nachhaltigkeit allgemein anerkannt und politisch de jure gewollt ist, es aber faktisch zu wenig Wirkmacht entfaltet? Dreierlei mögliche Reaktionen darauf seien nachfolgend kurz skizziert.
Das Konzept Nachhaltigkeit aufgeben?
Dennis Meadows, einer der Ko-Autoren des ersten Berichts an den Club of Rome, The Limits to Growth (Meadows et al. 1972), bemerkte schon im Jahr 2000, dass es für eine nachhaltige Entwicklung zu spät sei, wir sollten uns stattdessen lieber darum bemühen, unser Überleben zu sichern (survival development anstelle von sustainable development) (Meadows 2000, 147 f.).
Die US-amerikanischen Wissenschaftlerinnen Melinda Benson (Umweltgeographie) und Robin Craig (Umweltrecht) proklamieren das Ende des Konzepts der Nachhaltigkeit. »Es ist Zeit, das Konzept Nachhaltigkeit hinter sich zu lassen. Die Realitäten des Anthropozäns (Crutzen 2002), die ein nie dagewesenes und irreversibles Maß an anthropogenem Artenschwund, exponentiellem Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen und globalem Klimawandel mit sich bringen, führen zu dieser Schlussfolgerung. Denn diese Entwicklungen zusammen machen rasche, nichtlineare Veränderungen unserer sozialen und ökologischen Systeme wahrscheinlicher. … In einer Welt, die durch solch extreme Komplexität, grundlegende Unsicherheit und einen Mangel an Beständigkeit gekennzeichnet ist, müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass es nicht möglich ist, das Ziel von ›Nachhaltigkeit‹ zu bestimmen, geschweige denn, es zu verfolgen« (Benson & Craig 2014, 777). Die Autoren schlagen stattdessen »Resilienz-Denken« als Orientierung gebende Alternative vor.
Dem Umweltsoziologen Ingolfur Blühdorn zufolge ist Nachhaltigkeit als Wegweiser für eine strukturelle Transformation der sozial wie ökologisch selbstzerstörerischen Konsumgesellschaften ein »erschöpftes Konzept«, wir würden stattdessen eine Politik der Nichtnachhaltigkeit auf dem Vormarsch sehen (Blühdorn 2017), eine »nachhaltige Nichtnachhaltigkeit« (Blühdorn & Deflorian 2019).
Die genannten Autoren haben selbstverständlich gute Gründe für ihre Argumente – gemessen sowohl an dem, was nötig wäre, als auch an dem, was bereits möglich ist, gibt es bisher bei weitem zu wenig Fortschritt. Sollten wir...


Berg, Christian
Christian Berg beschäftigt sich seit fast 20 Jahren in verschiedenen Rollen mit dem Thema Nachhaltigkeit – in Wirtschaft und Wissenschaft, Politikberatung und Zivilgesellschaft, etwa als Mitglied des deutschen Präsidiums des Club of Rome oder als Professor für Nachhaltigkeit an der TU Clausthal. Immer wieder hat er erlebt, wie großartige Ideen nicht umgesetzt wurden. Das hat ihn nicht losgelassen. Er wollte wissen, warum das so ist – und was wir tun können, um dies zu ändern.



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