Berg / Lavant / Scheicher | Über fallenden Sternen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 1088 Seiten

Berg / Lavant / Scheicher Über fallenden Sternen

Der Briefwechsel
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8353-8643-3
Verlag: Wallstein Erfolgstitel - Belletristik und Sachbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Briefwechsel

E-Book, Deutsch, 1088 Seiten

ISBN: 978-3-8353-8643-3
Verlag: Wallstein Erfolgstitel - Belletristik und Sachbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In ihren Briefen stehen die Liebenden sofort in Flammen - die Dichterin Christine Lavant und der Maler Werner Berg Die schicksalhafte Liebesbeziehung zwischen Christine Lavant und Werner Berg in den Jahren 1950 bis 1955 fand in Hunderten von Briefen ihren Niederschlag. Die Briefe dokumentieren eine existenzielle künstlerische Verbindung jenseits aller Konventionen, die beide Künstler wiederholt bis an den Rand des tödlichen Zusammenbrechens forderte. Nach der Trennung verstummte Christine Lavant als Dichterin. Die vollständige Edition der jahrzehntelang gesperrten Briefe lässt Höhen glücklichen Gefühlsüberschwangs und Abgründe der Verzweiflung nachfühlen und stellt allein aufgrund des enormen Umfangs und der kein Tabu scheuenden Offenheit fraglos eine Sensation dar. Die Briefe geben Einblick in Träume und Hoffnungen, Aufschwünge und Abstürze, Glück und Verzweiflung zweier besonderer Menschen.

Werner Berg (1904-1981) war ein deutsch-österreichischer Maler. Auf seinem Rutarhof in Kärnten im Grenzgebiet zu Slowenien dokumentierte er die Alltagswirklichkeit seiner Umgebung und der dort lebenden Menschen.
Berg / Lavant / Scheicher Über fallenden Sternen jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1951


Rutarhof, den 1. Jänner 51

Christl!

Nur ich habe, hätte Dich um Verzeihung zu bitten, aber ich tue es nicht, weil ich vor der Größe des uns Aufgegebenen nicht klein zurückschrecke. Mit schmerzlichster Eindringlichkeit nur wünschte ich, Du hättest jetzt nicht meinetwegen soviel Leid und Erbärmlichkeit auszukosten, es brennt mich in der Seele, daß ich nicht alles, was Dir, Liebste, jetzt an Schimpf und Erbärmlichkeit zugefügt wird, auf mich nehmen kann. Was mich trifft, ist völlig gleichgültig, wenn nur Du mir bleibst.

So lächerlich und fatal es klingen mag: auch ich habe in diesen Tagen das Meine durchgemacht. Und so unwahrscheinlich es ist, daß ich noch bin, so wahr ist es nun, daß ich neu bin, daß ein rätselhafter neuer Mut mir Kraft und Glanz zuwachsen läßt, für Dich und vor Dir zu bestehn und mit Dir durchzustehn.

Christl, geliebte Christine: Achte die Kraft und Innigkeit meiner Liebe nicht gering und nimm sie in Dich hinein! Unterm klaren Nachtgestirn, beim Glockenklang, der nie noch so voll heraufgetönt, beim Licht des neuen Tages habe ich jeglichen Eid getan, der mich an Dich bindet, und ich habe Dich, o Seligkeit!, mir nah gewußt und gespürt. Deine unfaßbare Schönheit, ja, Schönheit, Deine unahnbare Zärtlichkeit haben mich verzaubert, Dein ungeheurer Künstlergeist hat mich überwältigt. Und dies noch muß sein: daß Du meinem arg geschundenen Künstlersein (ich möchte gar kein großes Wort gebrauchen, es diene nur zur Verständigung) ein wenig noch, aber aus dem Grunde vertrauen könntest. Anders ginge es nicht. Christine, Geliebte, Erhabene, lächle darüber hinweg oder tu’s nicht, – aber da das furchtbarste Dunkel jeder Deiner Zeilen in mir widerbebt, weiß ich, daß keine Süßigkeit je war wie die unsere. Und ich armes Mandl, der ich den bösen Witz vom »starken Geschlecht« zwiefach zu bezahlen habe, ich, ja ich reiße ihn heraus, Deinen Stern, aus dem Schlunde der Schlange und halte ihn hoch und sicher empor, Christine, glaubst Du? Christine!

Mauki läßt Dich innigst grüßen. Sie erkennt das Schicksal und fürchtet sich nicht. Sie bittet Dich, zu uns zu kommen, wann es nur sein kann und Du magst. H. Habernig: ich hatte wohl sehr falsche Vorstellungen von seiner Gesinnung und Eurem Nebeneinander, ich kenn mich nicht aus zwischen Mitleid und Verachtung. Wohl, die Ordnung ist notwendig mit Deichen, Kanälen und Grenzen,– aber da ist Urgebirg und Meer und Gestirn. Da sind wir – oder sind wir nicht?!

Nein, ich bin nicht geschwätzig. Deine Briefe herzeigen, – diese Briefe! – o Du Schöpferl! Gern ließe ich mich in Stücke zerreißen für Dich, aber ich will als ein Ganzer dasein für Dich. Ausschließlich zwei Namen nur laß hierzulande gelten: den der Kleinmayrin und den Newoles. Zu ihm muß ich in den nächsten Tagen, bevor er zu Dir kommt.

Dich wiederzusehn, sinne ich, sinnen wir auf vielerlei Weise nach. Fürchte Dich nicht! Die Liebe fragt nicht nur nicht danach, sie überwindet auch alles. Es wird alles gut werden, so sagt es auch Mauki, die Starke, die in diesem Augenblick heraufkommt. Es wäre ja Unnatur, wäre es nicht – besiegelt – Natur und Übernatur.

Am Abend erst bekomme ich Deinen zweiten Brief. Mir tut so leid, daß Du zulange keine Post von mir hast. Kannst, willst Du das Wörtchen »vorläufig« streichen? Ich kann es nicht, ich habe nichts zu bereun, nur ewig Dir zu danken.

Schreiben darf ich Dir nun nur, wenn Du es gestattest. Sonst aber kennt meine Liebe zu Dir kein »Gestatten«. Sie reißt alles nieder, was zwischen uns ist, was uns trennt.

Christine! Aug in Auge (oh Dein Auge, in das ich versinke – oh Dein Auge, das sich starr von mir abwendet!), Stirn an Stirn und – – innigst nah all das Unsere und eines Atems: Ja oder nein?

Ja!

Ich bleibe, ich bin immer

Dein Werner

[1. 1. 51.]

Wernerle!

Wie geht es Dir denn? Mir? – Ja denk, – sonderbar und unbegreiflich! – ich bin liebevoll beim Auto erwartet worden, darf nun jederzeit nach Klagenfurt … Es ist mir vor diesem Umschwung etwas bange, verstehst Du das? Auch Dir wird es jetzt vermutlich etwas bange werden doch ganz ohne Grund.!!! Hörst Du!! Lausbub!

Ich werde voraussichtlich am Freitag den 9. 1. zwischen halb zehn und zehn Uhr vormittag ankommen bei der Liegl-Garage aussteigen vielleicht kannst Du dort sein ich werde jedenfalls ins Cafe »Adler« hinschauen. Für Freitag abend bin ich von Hofrat Heinzl ins Theater eingeladen zu »Pygmalion« (oder wie das griechische Weibsbild heißt?) bleiben werde ich sicher bis Montag.

Wernerle, – Du! – zusammenhalten geltja? Vielleicht wird sich auch das mit dem Malen noch auf gute Art und Weise ergeben.

Wernerle, vergiß nichts von dem Guten und Lieben aber alles, was durch die erbärmlichen Umstände getrübt wird, alles das tu weg aus Deinem lieben Bubenschädel.

Was sagt Mauki? Ich wage vorläufig gar nicht ihr zu schreiben.

Du, ich hab Dir so viel zu sagen. Wernerle bleib mir gesund. Bitte! Vielleicht können wir Samstag nachmittag oder abend wegfahren. Das mit Klagenfurt ist scheußlich.

Bei dem »Toleranzpatent« bist Du natürlich in keiner Weise mit inbegriffen. Macht nichts. – Das Unsere ist unser.

Aber es kann sein das Du Ruhe brauchst? Oder daß Mauki nun doch allzuarg betrübt ist? Dann Du Meiner, tu halt so wie Du kannst und mußt. Ich werde Dir nie etwas auf- oder ab-drängen. Bloß unentwegt zu Dir halten. Auch das ist schön gelt mein Lieber?

Und dann: Es war doch alles gut.

+.

Meine Zähne tun alle sehr weh und es wäre arg unsicher gewesen wie meine Nerven einen neuen Sturm überstanden hätten.

+

Vielleicht kann späterhin einmal (ich würde dann bittend darum schreiben) Mauki doch zu uns kommen und mit H. Hab. reden. Oder es läßt sich das machen – so wie Du meintest doch durch die »Landesregierung« einfädeln? Möglich, möglich …..? –.

Wernerle es war und ist alles lieb was aus Liebe geschah. Geltja? – Du!!? –

Vögelein.

[Christine Lavant an Mauki Berg]
am 3. 1. 51

Liebe Frau Mauki!

Da ich Euch mit meinen ersten Nachrichten so rücksichtslos erschreckt habe, ist es not daß ich weiterhin Nachricht gebe. Also: Der Sturm hat sich gelegt, es ist in keiner Weise eine Angst zu haben! Sollte er wieder aufstehen so werde ich eben wieder mich dagegenhalten, jedesmal. Seit gestern beginne ich kleinweis zu essen. (Ich weiß nicht ob Dir Dein Mann von meiner Fastenmethode (siehe Gandhi) – etwas sagte.)

Da von Euch noch keine Nachricht hier ist weiß ich nicht wie Ihr über mich denkt. Jedenfalls möchte ich innig bitten das Paket (mit Annettes Pulloverl) das in einiger Zeit kommen wird doch auf alle Fälle anzunehmen.

Herr Habernig hat mir erlaubt mit Dir im Briefwechsel zu bleiben. Falls also Du mir schreiben wolltest (?) – bitte an meine richtige Adresse; womöglich kein Wort über die Affäre, denn ich bin nicht völlig sicher ob ich nicht doch Deinen Brief lesen lassen muß. Aber ich glaube kaum.

Über alles hin, auch über die Ungewißheit Deines Urteiles über mich – möchte ich Dir dieses eine Mal noch sagen, daß ich Dich liebhabe wie vielleicht niemanden mehr. Laß dies aber in Deinem Gedächtnis ausgelöscht sein wenn es Dir unangenehm ist.

Ich wollte Euch helfen und habe Euch nur noch mehr Verstörung gebracht. Diese Schuld abzudienen wird mir mein Leben reichlich Gelegenheit geben. So ist es gerecht.

Von Herrn Habernig sind für Euch weder Briefe noch sonstige Belästigungen zu erwarten.

Um Verzeihung habe ich Dich schon gebeten und tue es mit jedem Atemzug, Dich, Deinen Mann. Eigentlich sind uns alle heiligen Worte öde geworden (sie nehmen sich auch aus wie Hohn in einem Mund wie dem meinen) aber dennoch

Gott behüte Euch!

Christine Lavant.

[Christine Lavant an Mauki Berg]
am 4. 1. 51.

Liebe gütige Mauki.

Ich hab mich mit dem Pulloverl beeilt weil man nie weiß was noch alles kommt. Das Stofferl bekam ich zu Neujahr von Paula Grogger aber für mich ist es zu grell. Vielleicht kann Annette ein Schoßerl[1] davon bekommen. Für wen die Essig-Grüße sind das weißt Du ja gelt? Das Paket schicke ich mit »Erlaubnis« –. Bitte schreibe mir ab und zu aber Dein Mann darf ja nie etwas beitragen weil ich meine Post nicht mehr selber holen darf.

Bitte auch Du Deinen Mann daß er weder schreibt noch darauf sinne mich zu treffen. Es kann und darf nicht sein. Ich eigne mich so schlecht für Lüge und Betrug es drückt mir das Herz fast ab besonders da...


Strasser, Brigitte
Brigitte Strasser, Studium der Germanistik und Pädagogik an der Universität Klagenfurt, Hochschullehrgang Kulturmanagement an der Johannes Kepler Universität Linz. 2006-2018 Mitarbeit an der Werkausgabe Christine Lavant, Mitherausgeberin der Bände 2 und 4 (Erzählungen).

Scheicher, Harald
Harald Scheicher, Enkel Werner Bergs, ist Maler und Arzt. Seit dessen Tod verwaltet er den künstlerischen Nachlass seines Großvaters und ist Kurator des Werner Berg Museums in Bleiburg / Pliberk. Er ist Herausgeber zahlreicher Kataloge und Bücher zu Werner Berg.

Scheicher, Harald
Harald Scheicher, Enkel Werner Bergs, ist Maler und Arzt. Seit dessen Tod verwaltet er den künstlerischen Nachlass seines Großvaters und ist Kurator des Werner Berg Museums in Bleiburg / Pliberk. Er ist Herausgeber zahlreicher Kataloge und Bücher zu Werner Berg.

Berg, Werner
Werner Berg (1904-1981) war ein deutsch-österreichischer Maler. Auf seinem Rutarhof in Kärnten im Grenzgebiet zu Slowenien dokumentierte er die Alltagswirklichkeit seiner Umgebung und der dort lebenden Menschen.

Lavant, Christine
Christine Lavant (1915-1973), geb. als Christine Thonhauser in St. Stefan im Lavanttal (Kärnten) als neuntes Kind eines Bergmanns, war Lyrikerin und Erzählerin. Ihre Schulbildung musste sie aus gesundheitlichen Gründen früh abbrechen. Jahrzehntelang bestritt sie den Familienunterhalt als Strickerin. Sie erhielt u. a. den Georg-Trakl-Preis (1954 und 1964) und den Großen Österreichischen Staatspreis (1970). Seit 2014 erscheint eine Werkausgabe von Christine Lavant im Wallstein Verlag.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.