Bergmann | Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht lügen | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten

Reihe: Die Rabbi-und-Kommissar-Reihe

Bergmann Der Rabbi und der Kommissar: Du sollst nicht lügen

Kriminalroman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-31944-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten

Reihe: Die Rabbi-und-Kommissar-Reihe

ISBN: 978-3-641-31944-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es gab einen Brandanschlag auf das israelische Restaurant "Shuk", bei dem ein Küchenhelfer aus Burkina Faso, ums Leben kam. Was Hauptkommissar Berking vorschnell als einen Angriff von Neonazis deklariert, stellt sich allerdings als komplexer dar, als es die zu offensichtlichen Beweise nahelegen. Sein Freund, Rabbi Silberbaum, ist davon überzeugt, dass finanzielle Interessen dahinterstehen und somit eine völlig andere Tätergruppe. Darin wird er bestärkt durch das Erscheinen einer gewieften Polizistin aus Ouagadougou, der Schwester des Toten. Sie will dabei helfen, den Mord an ihrem Bruder aufzuklären, denn dass er ein bezahlter Brandstifter sein soll, kann sie nicht glauben.

Michel Bergmann, geboren 1945 in Basel, Kinderjahre in Paris, Jugendjahre in Frankfurt am Main. Nach Studium und Job bei der »Frankfurter Rundschau« landete er beim Film: zuerst als Producer, dann als Regisseur, zuletzt als Drehbuchautor u. a. für »Otto – Der Katastrofenfilm«, »Es war einmal in Deutschland«. Ab 2010 schrieb er vor allem Romane: u. a. »Die Teilacher«, »Herr Klee und Herr Feld«, »Weinhebers Koffer«, »Mameleben: oder das gestohlene Glück«. Mit der Reihe um den ermittelnden Rabbi Henry Silberbaum trat er auch als Krimiautor in Erscheinung. 2025 ist Michel Bergmann verstorben.
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1


Zoe ist ungehalten.

»Wie stellst du dir das vor, hm? Du hast mir versprochen, dich nicht einzumischen.«

Sie schaut zu Henry, der auf seinem Brötchen kaut und seine Kaffeetasse hochnimmt. Er ist nicht überrascht. Diesen Vorwurf kennt er schon lange. Er weiß sogar, was als Nächstes kommt: Dafür bin ich aus New York hergekommen? Dass du keine Zeit für mich hast?

»Henry! Ich rede mit dir.«

»Darling.« Der Rabbi setzt seine Tasse ab und spricht ruhig, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. »Ich hatte Berking lediglich gebeten, mich auf dem Laufenden zu halten. Schließlich ist heute Nacht ein Lokal abgefackelt worden. Und zwar ein jüdisches. Das hat eine andere Dimension, wenn du weißt, was ich meine. Ich fühle mich allein schon den Eigentümern gegenüber verpflichtet, mich zu kümmern.«

»Du bist der Rabbiner, verdammt, und kein , wie sagt man?«

»Privatdetektiv. Ja, du hast recht, aber es beschäftigt mich eben.«

»Ach, es beschäftigt dich! Und was ist mit mir? Ich komme extra aus New York, um bei dir zu sein und du hast wieder mal einen Fall!«

Er lächelt. »Nein, diesmal ganz bestimmt nicht. Ich treffe mich nur kurz mit Berking und bin in einer Stunde wieder hier, versprochen.«

»So ist es, mein Schatz. Und deshalb machen wir später was ganz Tolles. Was du willst.«

»Ich wollte ins Museum.«

»Genau. Da gehen wir hin.«

Sie schaut ihn skeptisch an, dann muss sie lächeln.

Er erhebt sich, gibt ihr ein Küsschen auf die Stirn

und geht los.

»Love you«, ruft er im Gehen.

»«, ruft sie ihm hinterher.

Rabbiner Henry Silberbaum ist ein leidenschaftlicher Rennradfahrer. Mit seinem alten Lederhelm auf dem Kopf und seiner eng anliegenden Brille, rast er durch die sonntäglich ruhigen Straßen des Frankfurter Westends. Er kommt an der Synagoge vorbei, grüßt einen der Polizisten. Eine Minute später ist er auf der Bockenheimer Landstraße und braust in hohem Tempo, den Kopf über dem Lenker, in Richtung Opernplatz.

Hauptkommissar Robert Berking, Lederjacke, Dreitagebart und übernächtigt, sitzt bei einem frühen Bier in der Sonne und hat sein Eintracht-Basecap ins Gesicht gezogen, als der Rabbi auf das Straßencafé an der Alten Oper zurast und dann jäh bremst.

Er steigt ab, lehnt sein Rad an einen Stuhl, nimmt Helm und Brille ab. Seine Kippa kommt zum Vorschein. Er lässt sich in den Stuhl neben Berking fallen.

»Grüß dich, Robert«, sagt er außer Atem.

»Tag, Henry«, hört man den Kommissar.

»Ein Wasser mit Strohhalm?«, fragt er dann.

»Aber immer«, meint der Rabbi, und Berking winkt dem Kellner.

»Max! Ein Herrengedeck für den Herrn Rabbiner!«

Der Kellner geht grinsend nach hinten ins Lokal.

»Bist du sicher, dass es kein Unfall war?«, fragt Henry.

»Ja, ziemlich. Und wie du mitbekommen hast, haben wir bereits einen Verdächtigen.«

»Und«, fragt der Rabbi leicht amüsiert, »hat dieser ›Verdächtige‹, dieser …«

»Wernicke. Finn Wernicke.«

»… hat er gestanden?«

»Nein«, knurrt Berking zerknirscht.

»Kann er auch nicht«, sagt Henry. »Weil er’s nicht war.«

»Das sagtest du bereits letzte Nacht. Mann, er wurde eine Stunde vorher in der Nähe des Shuk gesehen.«

»So what? Es waren sicher viele Leute in der Nähe um die Zeit.«

Der Kellner kommt mit dem Wasser und stellt es vor Henry ab.

»Herr Rabbiner«, sagt er ironisch, »zum Wohl.«

»Danke, Herr Max.«

Der Kellner geht, Henry nimmt sein Wasserglas hoch, und Berking fährt fort: »Wieso bist du dir so sicher?«

»Dieser Wernicke ist kein angenehmer Zeitgenosse, okay. Im Gegenteil. Er ist ein tätowierter, adipöser Freak.

Ein Pöbler, ja, ein Antisemit, der die Dorans in der Vergangenheit immer wieder bedroht hat. Aber er zündet kein Restaurant an und riskiert dabei Menschenleben. Dazu ist er zu feige. Ein Maulheld.«

»Und wenn er nicht allein war? Hältst du das für unmöglich?«

»Unmöglich ist nichts«, meint der Rabbi und trinkt einen Schluck Wasser, um dann fortzufahren: »Aber der Brandanschlag, wenn es denn einer war, erscheint mir zu professionell, zumal man offensichtlich ein Menschenleben in Kauf genommen hat. Weiß man inzwischen, wer der Tote ist?«

Der Kommissar zückt seinen Notizblock.

»Sein Name ist Patrice Sankara. Er ist achtundzwanzig Jahre alt und kommt aus Burkina Faso. Ein anerkannter politischer Flüchtling. Es liegt nichts gegen ihn vor. Laut Aussage der Dorans begann er vor zwei Jahren als Küchenhilfe und ist inzwischen so was wie ein Hilfskoch. Sie haben nur positiv von ihm gesprochen. Er sei sehr zuverlässig und vertrauenswürdig. Er hat den Schlüssel zum Hinterausgang des Lokals und bleibt stets länger, um die Küche in Ordnung zu bringen. So auch vergangene Nacht.«

»Was sagt die Spurensicherung?«

»Die Kollegen sind noch dabei. Ein Brand ist immer eine komplizierte Sache«, erklärt Berking. Nach einer Pause fügt er hinzu: »Ich wollte dich bitten, dich um die Dorans zu kümmern. Noch heute. Die sind total fertig. Unsere Psychologen sind meiner Meinung nach in diesem Fall nicht so geeignet. Du bist ihr Rabbiner …«

»Robert! Hallo? Ich habe Zoe zu Besuch. Sie grummelt jetzt schon. Wir wollen heute ins Jüdische Museum. Was meinst du, was die mir erzählt, wenn ich ihr sage: Darling, nicht böse sein, aber ich muss zu den Dorans, Händchen halten.«

»Okay, dann ruf sie wenigstens an.«

»Mach ich.«

Ein Besuch im Jüdischen Museum ist für den Rabbi jedes Mal mit großer Freude verbunden. Erstens beeindruckt ihn die gelungene Architektur immer wieder aufs Neue, und zweitens gibt es stets interessante Ausstellungen oder Veranstaltungen – egal, wann man kommt.

Heute ist eine Ausstellung zu sehen, die sich mit dem Thema Rache im jüdischen Kontext befasst. Sie präsentiert verschiedene Formen der Selbstermächtigung von Jüdinnen und Juden in Reaktion auf die Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt. Sie beginnt mit einem Requisit aus Quentin Tarantinos Film , dem Baseball-Schläger, und endet mit einer Videoinstallation zu Rachedarstellungen in der Popkultur. Neben biblischen Figuren geht der Rundgang sowohl auf rabbinische Schriften als auch auf judenfeindliche Verschwörungsmythen ein.

Zoe trägt ein auffälliges Kleid, das perfekt zu ihren roten Haaren passt. Sie und Henry schlendern Hand in Hand durch einen Raum, an dem an einer Wand der Schriftzug AUGE UM AUGEZAHN UM ZAHN zu lesen ist.

»Dieser Satz war für die Juden, wie sagt man, «, sagt Zoe.

»Verhängnisvoll. Allerdings«, gibt ihr Henry recht, »im Mittelalter diente dieser Satz der Kirche als Beweis für die angebliche Rachsucht der Juden. Dabei verweist er auf Gerechtigkeit, auf Verhältnismäßigkeit. Der Täter muss verstehen, bereuen. Das Opfer muss die Machtlosigkeit überwinden«.

Sie lächelt.

In der Museumsbuchhandlung wird der Rabbi herzlich von der freundlichen Verkäuferin begrüßt, während Zoe bereits zu stöbern beginnt. Es ist schwer, sie von Büchern loszueisen.

»Ist das Ihre Braut?«, flüstert die Frau dem Rabbi zu.

»Möglicherweise«, meint er dann sybillinisch.

»Das ist gut«, sagt die Frau. »Ein Rabbiner sollte verheiratet sein.«

Der Rabbi lächelt, geht zu Zoe und legt ihr die Hand um die Taille.

»Hast du gehört? Ein Rabbiner sollte verheiratet sein.«

»Sag ihr, du bist schon mit Kommissar Berking verheiratet!«

».«

Sein Telefon klingelt. Er schaut auf die Nummer, nimmt das Gespräch an.

»Ja?«

»Hier ist Nissim Doran. Herr Rabbiner?«

»Ja.«

Der Rabbi flüstert Zoe zu: »Der Restaurantbesitzer.«

Dann spricht er wieder ins Telefon.

»Nissim, wie kann ich helfen?«

»Sie müssen heute noch vorbeikommen. Ich kann meine Frau nicht mehr beruhigen.«

»Unmöglich. Ich komme morgen gegen Abend.«

»Das ist zu spät. Bitte. Kommen Sie jetzt.«

Der Rabbi schaut zu Zoe, dann zuckt er mit den Schultern.

»Okay. Aber nur kurz. Geben Sie mir die Adresse.«

Das Haus der Dorans liegt in einer ruhigen Wohngegend in Eschersheim, im Norden der Stadt. Es ist ein schmuckes Reihenhaus mit einem kleinen Vorgarten. Nissim Doran hat dem Rabbi die Tür geöffnet und führt ihn ins Wohnzimmer.

Chava Doran sitzt auf dem Sofa. Sie ist in Tränen aufgelöst. Hilflos nimmt Nissim neben ihr Platz. Der Rabbi setzt sich ihnen gegenüber und versucht die Frau zu beruhigen.

»Chava, Sie haben recht, ja, es ist schrecklich und wenn es ein Anschlag war, ist es noch schrecklicher, aber …«

»Ich wollte hier nicht herkommen, in dieses Scheißland!«, ruft sie verzweifelt.

»In Israel war es besser?«, fragt ihr Mann.

Sie hört ihm gar nicht zu.

»Rabbi! Er hat mir versprochen, dass wir uns hier eine Existenz aufbauen. Wir haben unser ganzes Geld investiert in das Haus und ins Shuk. Und einen hohen Kredit aufgenommen noch dazu. Und jetzt …?«

»Sie sind doch versichert, oder?«, fragt Henry.

»Ja natürlich«, meint Nissim, »aber die Versicherung...


Bergmann, Michel
Michel Bergmann, geboren 1945 in Basel, Kinderjahre in Paris, Jugendjahre in Frankfurt am Main. Nach Studium und Job bei der »Frankfurter Rundschau« landete er beim Film: zuerst als Producer, dann als Regisseur, zuletzt als Drehbuchautor u. a. für »Otto – Der Katastrofenfilm«, »Es war einmal in Deutschland«. Ab 2010 schrieb er vor allem Romane: u. a. »Die Teilacher«, »Herr Klee und Herr Feld«, »Weinhebers Koffer«, »Mameleben: oder das gestohlene Glück«. Mit der Reihe um den ermittelnden Rabbi Henry Silberbaum trat er auch als Krimiautor in Erscheinung. 2025 ist Michel Bergmann verstorben.



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