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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6170, 184 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Bergmann Zacher & Knoll

Die Zwei von der Parkbank
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-406-66789-3
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Zwei von der Parkbank

E-Book, Deutsch, Band 6170, 184 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-66789-3
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Herr Zacher hatte ein neues Handy. Damit rief er dreimal täglich seine Mailbox an. Er mochte seine Stimme auf der Ansage.
'Hören Sie mal', sagte er stolz und drückte Herrn Knoll das Gerät ans Ohr, 'das bin ich.'
'Kriegen Sie denn auch Anrufe?', fragte Herr Knoll.
'Doch', sagte Herr Zacher. 'Schon.'
'Von wem?', bohrte Herr Knoll.
'Na von so Anrufern', sagte Herr Zacher mürrisch.
Zacher und Knoll. Der eine wohnt im nahen Altersheim. Der andere lebt allein und glaubt, er sei selbständig. Sie treffen sich täglich. Auf einer Bank im Park. Sie reden miteinander, gegeneinander und aneinander vorbei. Mit Witz und schrägem Humor. Zugespitzt, lakonisch. Zwischen Hellsicht und Wahn. Voller Trauer und voller Verrücktheit. Alltagsgespräche, die sachte aus dem Ruder laufen. Traum und Wirklichkeit vermischen sich, das Normale rutscht ins Groteske, der Mund ist ein Loch im Kopf. Sie lassen nichts anbrennen.

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    BOMBER
IM ANFLUG
  1
«Ich stand heute Nacht im Traum auf einer Rolltreppe», sagte Herr Zacher, «die fuhr mit mir in den Himmel.» «Nicht sehr originell», sagte Herr Knoll. «Außerdem, das braucht ja ewig.» «Ja», sagte Herr Zacher, «aber auf halber Strecke hat sie angehalten und ist wieder zurückgefahren. Und unten stand da so eine blonde Zwille und sagte: das macht dreifünfzig.» «Haben Sie ihr Trinkgeld geben?» «Für Trinkgeld geb ich kein Geld aus. Das war ja ’ne unvollständige Beförderung.» «Waren Sie da allein auf der Treppe?» «Allein?», sagte Herr Zacher. «Rappelvoll war die. Ein Gedränge und Geschiebe wie im Sommerschlussverkauf.» «Dann war das also ’n Schnäppchen», sagte Herr Knoll.   2
Herr Zacher kniff ein Auge zu. Dann öffnete er es und kniff das andere zu. «Haben Sie was am Auge?», sagte Herr Knoll. «Ich wechsele die Perspektive», sagte Herr Zacher, «das verbessert den Durchblick. Ist schwer modern im Moment.» «3-D schaff ich mir nicht an», sagte Herr Knoll.   3
«Ich gönn’ mir jetzt ’ne Schiffsreise», sagte Herr Knoll. «Da wär ich jetzt nicht drauf gekommen», sagte Herr Zacher. «Nächstes Frühjahr. Mit der ‹Eurostar›. All inclusive.» «Da wär ich jetzt nicht drauf gekommen», sagte Herr Zacher. «Können Sie essen, was Sie wollen. Die haben ein irres Buffet da. Kriegen Sie schon morgens Schnitzel.» «Schnitzel», wiederholte Herr Knoll mit Andacht. «Toll», sagte Herr Zacher. «Ich ess immer Schnitzel», sagte Herr Knoll. «Darauf wär ich jetzt nicht gekommen», Herr Zacher gähnte. «Hab mir das im Internet angekuckt. Die haben da alles.» Herr Zacher schwieg. «Alles», sagte Herr Knoll. Herr Zacher sagte: «Toll.» «Können Sie joggen und walken, bis Sie umfallen. Immer im Kreis.» «Walken?» «Sea-Walken», sagte Herr Knoll. «Und eine irre Einkaufsstraße haben die da. Euro-Mall 24, Verkauf rund um die Uhr. Da kriegen Sie alles. Socken, T-Shirts, Badelatschen, was Sie wollen. Wenn Sie da langgehen, glauben Sie gar nicht, dass Sie auf ’nem Schiff sind.» «Toll», sagte Herr Zacher. «Und eine Kletterwand wie in den Alpen. Zehn Stockwerk hoch. Für Wall-Climbing. Und zehn Restaurants, fünf Wäschereien, zwei Kinos, eine Musical-Hall, sieben Discos und sieben Kindergärten. Und sieben Friseur-Salons. Da kann man sich aufpeppen lassen fürs Captains-Dinner. Wie finden Sie das?» «Toll», sagte Herr Zacher. «Da wär ich jetzt gar nicht …» Er verstummte. «Ich hab das mal durchgerechnet», sagte Herr Knoll. ­«Außen ist mir zu teuer. Nehm ich eben die Innenkabine. Sieht man zwar nichts, wegen der Fenster, also Fenster gibt es da keine, aber sehen kann ich ja zu Hause.» «Genau», sagte Herr Zacher. Er tastete mit der Zunge seine Vorderzähne ab. Sein Gebiss quietschte leicht. «Ich will noch mal raus», sagte Herr Knoll. «Die Welt sehen. Alles angucken. Und was gibt es Schöneres als eine Seereise. Das ganze …» Er zögerte. «Das ganze?», sagte Herr Zacher. «Das ganze Wasser», sagte Herr Knoll. «Ich bin früher auch zur See gefahren», sagte Herr Zacher und vergaß sein Gebiss, «auf der Weser. Mit dem großen Klepper-Zweier.» «Toll», sagte Herr Knoll, «also da wär ich jetzt gar nicht drauf …» Er stutzte: «Wissen Sie, was ich glaube? Die Schnitzel sind alle eingeschweißt. Oder meinen Sie, die haben da ’n Stall auf dem Schiff.»   4
«Meine Schwägerin hat sich den Arsch absaugen lassen. Für ein Schweinegeld.» «Heißt das», fragte Herr Knoll interessiert, «Ihre Schwägerin hat jetzt keinen Hintern mehr?» «Doch, schon», sagte Herr Zacher, «jetzt fehlt aber was. Ein paar Stücke. Ist alles in den Gully gegangen, sagt mein Bruder. Ich hab mal gelesen, aus den Resten kann man noch Nasen machen oder Ohren, aber das lag wohl nicht an, in dem Fall.» «Warum trennen sich Frauen von ihrem Hintern? Das ist doch die Frage.» «Weil sie ihn satt haben», sagte Herr Zacher. «Sie haben ihn dicke.» Herr Knoll dachte darüber nach. Aber er kam nicht weit. Sein Hirn dachte ohne ihn. Brühwürfel, dachte es. Kabelsalat. Heißes Wasser. Und aus Herrn Knoll erscholl eine Stimme, die sagte: «Ich für mein Teil würde mir gern eine kleine kompakte Heimzapfanlage anschaffen.» Stimmt haargenau, dachte Herr Knoll. Woher weiß es das? Dieses Ding in seinem Kopf.   5
«Der Peters ist heute morgen vom Stuhl gekippt», sagte Herr Knoll. «Tot?», sagte Herr Zacher. «Nein nein. Der ist ja quietschfidel, für seine 90. Kamen gleich die Pfleger angerannt, haben ihn aufgehoben und wieder auf den Stuhl gesetzt.» «Das kenn ich», sagte Herr Zacher. «Bei mir dreht sich auch schon alles» «Kaum sind sie weg, da fällt er vom Stuhl.» «Noch mal?», sagte Herr Zacher. «Kann er nicht sitzen?» «Kommen wieder die Pfleger, wieder aufgesetzt, wieder weggegangen. Und rums, fällt der Peters wieder vom Stuhl. Und lacht wie ’ne Ziege.» «Das hab ich noch nie gehört», sagte Herr Zacher, «Ziegen, die lachen.» «Das wiederholt sich so zehnmal, wie ’n Film, der ’n Sprung hat. Aufgesetzt, runtergeplumpst. Aufgesetzt, runtergeplumpst. Und lacht sich scheckig dabei.» «Haben sie den mal gefragt, den Peters? Warum er das macht? So direkt normal ist das nicht.» «Reden tut der seit Jahren nicht mehr», sagte Herr Knoll. «Das Reden hat er eingestellt. Ich glaube, er hat seine Freude daran. Hat mir immer zugezwinkert, bevor er weggekippt ist.» «Aus Jux? Der fällt vom Stuhl aus Spaß?» «Nicht Spaß. Aus Freude. Aus reiner Freude.» «Was er sich wohl dabei gedacht hat», grübelte Herr Zacher. «Viel», sagte Herr Knoll, «bin ich sicher.» «Und jetzt?» «Haben sie ihn festgebunden. Mit ’m Strick. Jetzt hockt er da verschnürt wie ’n Päckchen. Aber der Peters gibt nicht auf. Fing gleich an zu kippeln und zu ruckeln mit dem Stuhl. So richtig hingehauen hat es noch nicht. Aber das wird schon. Der trainiert. Der Peters», sagte Herr Knoll, «ist ’n echtes Stehaufmännchen. In der Form wird er 100. Locker.» «Ich möchte nicht die nächsten zehn Jahre vom Stuhl fallen», sagte Herr Zacher. «Nicht?» Herr Knoll wirkte überrascht. «Sagen Sie bloß, Sie haben was Besseres vor.»   6
«Ich finde es manchmal schwierig», sagte Herr Zacher, «im Kopf umzudenken. Im Supermarkt, wenn im Süßwarenregal zum Beispiel die Schokoriegel aus sind, bin ich zuweilen völlig ratlos. Ich stehe dann vor diesem Regal und kann und kann mich nicht von ihm trennen. Und kaum reiße ich mich los, werde ich wie von Geisterhand wieder an dieses Regal zurückgezogen. Ich starre auf die Lücke, wo meine Schokoriegel sein sollten, aber jetzt sind sie nicht da, als hätte es sie nie gegeben. Und mir wird ganz schwer im Kopf. Verstehen Sie eigentlich, wovon ich rede?» «Ohne weiteres», sagte Herr Knoll.   7
«Achtung», sagte Herr Zacher, «Bomber im Anflug.» Eine dicke Frau auf einem Elektrorollstuhl kam den Kiesweg entlang, stoppte direkt vor der Bank und sagte: «Tachchen die Herren, eine Frage nur: Ist hier gerade was vorbeigelaufen, so vor fünf Minuten?» «Vorbeigelaufen?», sagte Herr Knoll. «Ja», sagte die Dame, «so ’n Kerl, Mitte achtzig, gut erhalten, in ’nem beigen Anzug mit Slippern, hinkt ’n bisschen.» «In Slippern?», sagte Herr Zacher. «Herbie», erklärte die Dame, «mein Herbie. Der Gatte meiner Wahl. Haut immer ab. Hat die Unruhe. Ab durch die ­Büsche.» «Ihr Mann hat Reißaus genommen?», sagte Herr Knoll, «alle Achtung.» «Und ich kann ihn dann wieder einfangen, ja?» empörte sich die Dame, «Gottverdammich Herbie, was tust du mir an.» «Ein Herbie ist mir nicht bekannt, diesbezüglich», sagte Herr Zacher. «Letzte Woche ist er bis zum Nordfriedhof gekommen», sagte die Dame, «kennen Sie den Nordfriedhof?» «Noch nicht», sagte Herr Knoll, «die Sache ist in Planung.» «Sollten Sie mal hin», empfahl die Dame, «ein herrliches...


Thomas Bergmann ist Filmemacher und Autor. Er hat für seine Arbeiten zahlreiche Preise erhalten, darunter den Hessischen Kulturpreis, mehrfach den Hessischen Filmpreis und den Grimme Preis, die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt, den Deutschen Sozialpreis und den 1. Preis Jewish Film Festival Berlin. Er ist Autor von Giftzwerge. Wenn der Nachbar zum Feind wird (C.H.Beck, 1992) und (zusammen mit Mischka Popp) Herzfeuer. Berichte von Sex und Liebe (Eichborn 1993, Heyne 1995).



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