Bergstermann / Hofer | »Bei meinem Kind mache ich das anders« | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 285 Seiten

Bergstermann / Hofer »Bei meinem Kind mache ich das anders«

Mit den (Schwieger-)Eltern über Erziehung sprechen und den eigenen Weg gehen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-407-86678-3
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Mit den (Schwieger-)Eltern über Erziehung sprechen und den eigenen Weg gehen

E-Book, Deutsch, 285 Seiten

ISBN: 978-3-407-86678-3
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Viele junge Eltern erziehen heute bewusst anders, als sie selbst erzogen wurden. Mit Themen wie Bedürfnisorientierung, Familienbett, Langzeitstillen oder Verzicht auf Strafen stoßen sie auf Unverständnis bei ihren eigenen Eltern - das belastet und führt zu Konflikten zwischen den Generationen. Mit diesem Buch schaffen Karin Bergstermann und Anna Hofer Abhilfe: Sie unterstützen junge Eltern dabei, die Kommunikation mit den (Schwieger-)Eltern zu verbessern, Ängste und Erwartungen auf beiden Seiten abzubauen und das gegenseitige Verständnis zu stärken. Anhand von Fallgeschichten und fundiertem Praxiswissen helfen sie Eltern auch dabei, ihre eigene Erziehung aufzuarbeiten und ihr inneres Kind besser zu verstehen. Ihr Ziel ist es, Eltern zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden und gelassen zu erziehen.

Karin Bergstermann ist Historikerin sowie Bloggerin und Referentin zu den Themen Generationenkonflikte und Geschichte der Säuglingspflege. Sie ist Mitgründerin des DAIS (Deutsches Ausbildungsinstitut für Stillbegleitung) und war zwei Jahre lang 1. Vorsitzende der AFS (Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen e.V.). Sie lebt mit ihrer Familie in England. www.familie-historisch.de
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Nicht geschadet?


Was bei all den Sprüchen und Ratschlägen der Großeltern und unseren Reaktionen darauf mitschwingt, ist die Frage danach, was Erziehung eigentlich bewirken soll.

Die meisten Eltern wollen, dass ihre Kinder es einmal besser oder leichter haben als sie selbst.

Wie ein leichteres Leben aussehen könnte, ist aber eine sehr persönliche Vorstellung. Eine große Rolle spielt dabei, in was für einer Welt wir selbst groß geworden sind. Kinder, die in einer repressiven Gesellschaft aufwachsen, tendieren dazu, ihren eigenen Kindern beibringen zu wollen, sich gut einfügen zu können, nicht anzuecken, sich im System zu bewegen.

Denn natürlich ist das Leben einfacher, wenn ich nicht ständig kämpfen muss. Natürlich habe ich es leichter, wenn ich nicht negativ auffalle. Natürlich ist es besser, wenn ich meine Energie in mein Vorankommen stecken kann, anstatt mich von Angst und Sorge auffressen zu lassen.

Diese Vorgehensweise funktioniert aber nur so lange, bis eine gewisse Schwelle überschritten wird. Diese Schwelle wird gebildet durch die eigene Persönlichkeit. Je mehr ich von meinem Wesen und meiner Person her in die gesellschaftlichen Normen passe, desto leichter fällt es mir, mich anzupassen. Und je leichter es einem Menschen fällt, sich anzupassen, desto weniger Verständnis wird er dafür aufbringen, wenn andere das nicht wollen. Für ihn stimmt ja alles und die Gesellschaft bestätigt ihn in seiner Auffassung. Hier beißt sich die Schlange in den Schwanz.

Das geht so lange gut, bis die Repression so groß wird, dass sie einen Umsturz geradezu forciert. So wie es bei den 68ern der Fall war. Die Laisser-faire-Erziehung dieser Zeit war das genaue Gegenteil der zuvor selbst erfahrenen autoritären Erziehung ihrer Protagonisten. Der Mensch fällt gern von einem Extrem ins andere.

Beim Laisser-faire bekommen die Kinder weder Führung noch Grenzen aufgezeigt. Es ist geradezu gelebte Vernachlässigung. Das Schreckbild des Laisser-faire hat sich trotz der geringen Anzahl von Eltern, die es tatsächlich praktiziert haben, fest in den Köpfen verankert, sodass andere Erziehungsansätze wie die antiautoritäre Erziehung, das Attachment-Parenting oder auch die bindungsorientierte Erziehung (Begriffe s. Glossar) häufig mit Laisser-faire verwechselt werden. Oder zumindest lassen sie die Sorge wach werden, sie würden ähnliche Konsequenzen für die Kinder haben wie Laisser-faire.

Um zu verstehen, warum unser Weg unsere Eltern verunsichert, befremdet und Konfrontationen auslösen kann, hilft ein Blick auf die unterschiedlichen Erziehungsstile, die die vergangenen Generationen und auch uns als Kinder geprägt haben. Als Erziehungsstil wird ein ausgeprägtes und immer wiederkehrendes Verhaltensmuster von Erziehenden gegenüber Kindern definiert, dem eine bestimmte Haltung und ein bestimmtes Menschenbild vom Kind zugrunde liegt. Als Vorreiter in der Erforschung der Erziehungsstile gilt der österreichische Psychologe Kurt Lewin. Er unterschied Ende der 1930er-Jahre drei verschiedene Erziehungsstile:

  1. Die autoritäre Erziehung

  2. Die demokratische Erziehung

  3. Die Laisser-faire-Erziehung

Der Erziehungsstilforscher Elder erweiterte diese Klassifikation 1962 auf sieben Erziehungsstile:

  1. Autokratischer Erziehungsstil

Kinder werden als Befehlsempfänger gesehen, deren Meinung nicht zählt. Hier besteht die Annahme, dass Autorität gegenüber den Kindern notwendig sei.

2.

Autoritärer Erziehungsstil

Hier wird (ähnlich wie beim autokratischen Erziehungsstil) starke Kontrolle über das Kind ausgeübt. Die Meinung der Kinder wird bei diesem Stil zwar wahrgenommen, letztendlich bestimmen aber doch die Eltern.

3.

Demokratischer Erziehungsstil

Die Kinder werden als Partner ernst genommen. Mit zunehmendem Alter sollen die Kinder selbstständiger und eigenverantwortlicher handeln. Den Kindern wird ein Gefühl der Sicherheit und Erwünschtheit vermittelt.

4.

Egalitärer Erziehungsstil

In diesem Fall stehen Kinder und Eltern auf einer Ebene und haben die gleichen Rechte und Pflichten. Bei Entscheidungen zählen die Meinungen der Kinder wie die der Eltern gleichermaßen.

5.

Permissiver Erziehungsstil

Die Eltern halten sich zurück, sind nachgiebig und lassen den Kindern viel Freiraum, ohne erzieherisch aktiv zu werden. Das bedeutet, dass die Kinder oft die Initiative ergreifen müssen, wenn Entscheidungen zu treffen sind.

6.

Laisser-faire-Erziehungsstil

Dieser Erziehungsstil zeichnet sich durch das völlige Fehlen von Regeln aus. Die Kinder sind sich selbst überlassen und sind aktiver als die Eltern, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen.

7.

Negierender Erziehungsstil

Die Kinder bleiben sich selbst überlassen und müssen alle Entscheidungen allein treffen. Die Eltern stehen in keiner Weise anleitend oder beratend zur Seite. Seitens der Eltern werden keine Regeln festgelegt oder Interesse an den Sorgen oder Wünschen der Kinder gezeigt. Es fehlen der Eltern-Kind-Beziehung Zuneigung und Emotion.

»Du machst dir das Leben doch selber schwer!«


Wäre das Leben einfacher, wenn die Kinder sich nur in festen Abständen meldeten und die Eltern nachts schlafen ließen? Wenn sie so »pflegeleicht« wären, dass die Eltern locker den Haushalt nebenher erledigen könnten? Natürlich! So ganz ist der Vorwurf in der Kapitelüberschrift nicht von der Hand zu weisen. Aber was wäre die Alternative? Die Äußerungen der Kinder zu ignorieren, sie links liegen zu lassen? – Der Haushalt kann warten, die Kindheit lässt sich nicht aufschieben!

Es ist anstrengender, mit den Kindern in Beziehung zu treten, als auf Gehorsam zu pochen. Es zeigt sich hier ein grundlegend anderes Verständnis davon, was Erziehung eigentlich bewirken soll. Und es zeigt sich, dass wir im Vergleich zu den Großeltern unsere Ziele sprachlich zwar ähnlich ausdrücken mögen, doch ganz unterschiedliche Dinge damit meinen.

Will ich, dass mein Kind selbstständig wird? Natürlich, wer will das nicht? Aber was verstehe ich unter Selbstständigkeit? Soll das Kind so früh wie möglich lernen, sich die Schuhe selbst zuzubinden, damit ich weniger Arbeit habe oder damit es unabhängiger von mir wird? Erziehung soll dafür sorgen, dass das Kind sich in der Gesellschaft, so wie sie ist, zurechtfindet – sagen die einen, meist die Älteren, die als Kriegskinder bzw. -enkel gelernt haben, sich einzufügen. Erziehung soll dafür sorgen, dass das Kind die nötigen Werkzeuge bekommt, um seinen eigenen Weg zu gestalten – sagen die anderen, meist die Jüngeren.

Die Frage, die damit verbunden ist, lautet: Was ist besser für das Kind? Dass es lernt, sich mit den gegebenen Umständen zu arrangieren oder dass es sich selbst verwirklichen kann? Letzteres ist allerdings grundlegend von den Umständen abhängig. Seinen eigenen Weg frei gestalten zu können ist ein Privileg.

Privilegiert zu sein bedeutet aber nicht etwa, dass uns alles auf einem goldenen Teller gereicht wird, sondern dass uns keine Steine in den Weg gelegt werden, die weniger oder nicht privilegierte Menschen aufgrund ihrer Position, ihrer Person oder ihrer Eigenschaften zusätzlich wegräumen müssen, um erst mal unsere Ausgangsituation zu erreichen.

Insofern haben wir unseren Eltern und Großeltern viel zu verdanken. Nur durch ihre Vorarbeit ist es uns möglich, unsere Kinder heute individuell und bindungsorientiert zu erziehen. Unsere Eltern haben viele Steine für uns aus dem Weg geräumt, und so können wir einen anderen Fokus bei der Erziehung haben als sie.

Da keiner von uns in einem Vakuum lebt und wir alle mehr oder weniger miteinander zurechtkommen müssen, ist das Sich-einfügen-Können durchaus eine wichtige Fähigkeit. Denn auf der...



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