E-Book, Deutsch, 290 Seiten
Berndorf Auf eigene Faust / Bis der Hass euch bindet
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95441-313-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 290 Seiten
ISBN: 978-3-95441-313-3
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf eigene Faust
Am Flughafen Düsseldorf wird der Bankkaufmann Gert Anderson Zeuge einer Schießerei. Es gelingt ihm, eine junge Frau aus der Gewalt zweier Männer zu befreien. Sie ist die Sekretärin eines Großindustriellen. Maria und ihr Retter kommen sich rasch näher, doch auch wenn er den ersten Mordversuch verhindern konnte, wird Maria am darauffolgenden Morgen tot im Treppenhaus gefunden. Die Polizei glaubt an einen Unfall, aber Anderson weiß es besser. Schon bald ist sein eigenes Leben in Gefahr.
Bis der Hass euch bindet
In Ascona hofft Dr. Andreas Krumm zu sich selbst zurückzufinden. Seine Ehe ist gescheitert, in der Klinik gibt es Schwierigkeiten. Er lernt die verzweifelte Vera Reiter kennen, die versucht, vor ihrer Schuld davonzulaufen. Als die beiden von einer Lawine in einem kleinen Dorf festgehalten werden, treffen sie auf vier junge Leute, die sich dort bislang in einem sicheren Versteck wähnten. Das Drama spitzt sich zu, als sich zwischen den Eingeschlossenen plötzlich brutale Gewalt Bahn bricht.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Teil I
Er kennt keine Schwierigkeit außer der einen, viel Geld in kürzester Zeit zu verdienen. Berufliche Hindernisse und private Probleme bewältigt er kühl: Gert Anderson, dreißig Jahre alt, Bankkaufmann. Er hat Appartements in Zürich, Berlin und Frankfurt, einige Freundinnen und ein paar Bankkonten in verschiedenen Städten. An diesem Freitag steht er in der Halle von Düsseldorf-Lohausen, um nach Zürich zu fliegen. Wie üblich für einen Freitagnachmittag war der Flughafen voller Lärm, an den Gepäckschaltern stauten sich Fluggäste, Anderson musste lange warten, ehe sein Koffer auf das Fließband gelegt wurde und irgendwohin in den undurchschaubaren Mechanismus des Flughafens hineinglitt. Er hatte jetzt noch eine Stunde Zeit. Draußen war es warm. Er zog den Trenchcoat aus und schlenderte hinüber zu den Parkplätzen. Er bemerkte die lange Schlange der Zuschauer, die auf einer Balustrade den startenden und landenden Maschinen zusahen. Er las das Schild an einem Kassenhäuschen, auf dem es hieß, dass Kinder und Erwachsene für das Zuschauen soundso viel Geld zu zahlen hätten. Wir sind unbezahlbar, dachte er, wir machen aus allem Geld. Und wir machen aus vielem einen Zirkus. Sogar aus einem ganz gewöhnlichen, durchschnittlichen Flughafen. Er hatte sich abgewöhnt, deutsch zu fühlen. Er fühlte in Geschäften, und er war überall dort zu Hause, wo er Geschäfte machen konnte. Er schlenderte die schmale Straße entlang, als er hinter sich einen Wagen herankommen hörte. Da es kein Trottoir gab, stellte er sich auf den Rasen in die Büsche, die die Straße säumten. Der Wagen fuhr an ihm vorbei. Ein weißer BMW. Hinter dem Steuer ein junges Männergesicht. Auf dem Rücksitz bewegten sich zwei Gestalten mit tierhafter Heftigkeit. Zwanzig Meter vor Anderson hielt der Wagen. Der Mann, der am Steuer gesessen hatte, stieg aus und riss den hinteren Wagenschlag auf. Er schrie etwas, was Anderson nicht verstehen konnte. Ein zweiter Mann kam mit den Füßen und dem Hinterteil zuerst aus dem Wagen herausgerutscht. Er hielt mit beiden Händen eine Frau an ihren dunklen Haaren fest. Die Frau schrie nicht, ihr Körper knickte ein, die Beine plumpsten auf den Asphalt. Der Mann, der den Wagen gefahren hatte, hielt eine Waffe in der Hand und richtete sie auf die Frau, die auf dem Rasen lag. In diesem Augenblick begann Anderson zu laufen. Er brüllte: »Nein!« Da schoss der Mann auf Anderson. Anderson ließ sich fallen, und er spürte in seinem Mund Gras und Erde. Er hob den Kopf nicht, und er blieb auch liegen, als der Wagen davonfuhr. Er hatte Angst davor, irgendwo an seinem Körper eine Wunde zu entdecken. Aber da er keinen Schmerz fühlte, nur die Halme und die feuchte Erde in seinem Mund, spuckte er ein paarmal in das Gras und stand so mühsam auf, als sei er schwer getroffen. Etwa zehn Meter von ihm entfernt stand die Frau. Sie trug einen weißen Sommermantel, der auf dem Rücken schmutzig war. Anderson setzte sich langsam in Bewegung und murmelte: »So etwas darf doch nicht sein. So etwas gibt es doch nicht.« Dann spürte er, dass sein Kinn nass war. Er zog hastig ein Taschentuch heraus und wischte sich über das Gesicht. »Gestatten, Anderson.« Ihre Augen zeigten leichte Reflexe, als wisse sie noch nicht genau, wo sie sei. Und dann begann sie zu lachen und gluckste: »Gestatten, Anderson, gestatten, Anderson, gestatten, Anderson!« Ihr Gesicht war verzerrt. Er sah, dass sie vor Angst und Entsetzen hysterisch war. Sie lachte noch immer, schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel, beugte sich vor, sodass ihr Haar wie ein Vorhang über ihr Gesicht fiel. Anderson machte zwei Schritte, bis er vor ihr stand. Er nahm sie bei den Schultern und richtete sie auf. »Entschuldigung, ich habe nicht gewusst, dass es so etwas …« Ihr Lachen war wie weggeblasen. Sie sagte heiser, als tue ihr das Sprechen weh: »Ich lebe.« »Sie leben.« Anderson war verwirrt. Er starrte die Straße entlang. »Hat man Sie getroffen?«, fragte sie. Er schüttelte den Kopf. Er dachte, dass er derartige Szenen oft im Fernsehen genossen hatte und dass er lächerlich und unglaublich wirken würde, wenn er irgendjemand erzählte: »Ich habe das in der Wirklichkeit erlebt.« »Aber an Ihrem Mund ist Blut.« Anderson nahm wieder das Taschentuch heraus und wischte sich über den Mund. »Sie müssen hier weg.« »Ja«, sagte sie. »Haben Sie eine Zigarette?« »Moment.« Er zündete ihr eine an, und sie rauchte sie hastig. Ich werde sie jetzt nicht stören, dachte Anderson, sie ist verwirrt. Das ist ein merkwürdiges Gefühl: Sie verdankt mir ihr Leben. Was wird sie sagen, wenn ihr das klar wird? Sie gingen hastig zu einem der Taxis vor der Ankunftshalle. Anderson zögerte einen Moment. Er dachte an die Maschine nach Zürich. »Ich kann allein fahren«, sagte sie kühl. Sie hatte sich erstaunlich schnell gefangen. »Ich bringe Sie selbstverständlich nach Hause.« Er ließ sie einsteigen, ging um das Heck des Wagens herum und überlegte, woher er den Mut genommen hatte, auf eine Pistole zuzurennen. War er ein Narr? Er öffnete die andere Tür. »Bitte, warten Sie einen Moment.« Er rannte in die Abflughalle und sagte am Schalter, man habe seinen Koffer bereits in die Maschine geschafft, man solle ihn hier deponieren, er werde ihn abholen. Sein Platz sei frei für einen Fluggast auf der Warteliste. Er ging geistesabwesend davon. Die Frau war jung, vielleicht achtundzwanzig. Anderson fragte sich, ob das Grund genug sei, nicht nach Zürich zu fliegen. Man hatte diese Frau töten wollen, das war ganz sicher. Er dachte, ob es nicht besser sei, sich herauszuhalten. Die Welt des Verbrechens war ihm so fremd, dass er immer noch nicht richtig begriffen hatte. Er sprang die zwei Stufen vor der Ankunftshalle hinunter und öffnete die Tür des Taxis. »Ich musste nur noch meinen Flug abbestellen.« Sie sah geradeaus. »Tatsächlich meinetwegen?« Dann gab sie dem Fahrer den Namen einer Straße an, die Anderson nicht kannte. Später fuhren sie die Königsallee entlang, in die Altstadt hinein und hinunter zum Rheinufer. Schließlich sagte der Fahrer wie alle Taxichauffeure: »So, da wären wir.« Anderson bezahlte und ließ sich eine Quittung geben. Dann folgte er der jungen Frau. deren Namen er noch nicht kannte, durch ein schmiedeeisernes Tor in einen Vorgarten zu einem altmodischen Haus. Im Vorraum an der Treppe war es kühl. Sie biss sich für einen Moment auf die Lippen. »Ich wohne im ersten Stock.« Anderson begriff. »Ich will nicht stören. Darf ich mich verabschieden?« Sie hat nicht einmal danke gesagt oder irgend so etwas, dachte er. Sie blickte die halbdunkle Treppe an und versuchte zu lächeln. »Das ist es nicht, ich wohne allein. Aber …« Er sah die Angst in ihrem Gesicht und sagte schnell: »Gehen wir hinauf.« Oben hantierte sie mit dem Schlüsselbund, brachte aber die Tür nicht auf. »Geben Sie her.« Er steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und öffnete. Er ging voran, blickte in jeden Raum der hohen Vier-Zimmer-Wohnung, sah Großmutters zierliche Peddigrohrmöbel, einen chinesischen Faltparavent, Konsoltischchen, Zeitungs- und Flaschenständer, ein bisschen englisch, auch ein bisschen düsseldörflich, aber sehr mädchenhaft und verspielt. »Besuch ist nicht da«, rief er, »oder haben Sie jemanden erwartet?« Sie ging nicht auf den Ton ein, den er als heiter empfand. »Da drüben ist etwas zum Trinken. Ich mache mich nur ein wenig frisch.« »Einen Augenblick«, sagte er, »aber darf ich wenigstens noch Ihren Namen erfahren. Es spricht sich dann besser miteinander.« »Maria Schloßheim.« Sie wandte sich ab und ging hinaus. Anderson lief in den .Flur zurück und öffnete vorsichtig die Wohnungstür. Auf dem Schild stand tatssächlich ›Schloßheim‹. Im Wohnzimmer goss er sich Wodka in ein Glas und trank es in einem Zug aus. Dann beobachtete er seine Hände. Er dachte, dass es viel weniger aufregend sei, mit Aktien Geld zu verdienen, als in einem Stück Wirklichkeit mitzuspielen, das ebenso unglaublich und pathetisch war wie ein Film mit einem der stahläugigen Muskelmänner. Er hörte eine Dusche rauschen und fragte sich, was geschehen würde, wenn...