Berndorf | Der letzte Agent | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 15, 281 Seiten

Reihe: Eifel-Krimi

Berndorf Der letzte Agent

Ein Siggi-Baumeister-Krimi
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95441-001-9
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Siggi-Baumeister-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 15, 281 Seiten

Reihe: Eifel-Krimi

ISBN: 978-3-95441-001-9
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Journalist Siggi Baumeister hat alle Hände voll zu tun. Nicht nur mit der gräßlich zugerichteten Leiche, die er im Eifelwald findet, gewissermaßen fast vor seiner Haustür. Auch eine resolute alte Dame aus Berlin tritt plötzlich auf den Plan und stellt sich als seine Tante Anni vor. Baumeister hat noch nie von ihr gehört. Und schließlich entpuppt sie sich als eine mit allen Wassern gewaschene Frau vom Fach, eine pensionierte Kripo-Kommissarin. Baumeister kann jede Hilfe gebrauchen, denn die Fährte, die er verfolgt, führt ihn direkt zu einem alten Stasi-Komplott, das man erschreckend wendig der neuen politischen Situation angepasst hat. Nur eines hat man beim alten belassen: die Entschlossenheit, lästige Störenfriede gnadenlos zu liquidieren...

Berndorf Der letzte Agent jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Kapitel
Meine Katze Krümel sprang auf den Küchenschrank und zog mit einer ganz spitzen Tatze die Glastür im Oberteil auf. Dann stellte sie sich mit beiden Pfoten hoch, um die Lage zu inspizieren, und verteilte sich schließlich malerisch über einen Stapel Untertassen und Kuchenteller, wobei sie ihren Schwanz um eine ziemlich kostbare alte Milchkanne drapierte, die ich gerade auf einem Krammarkt erstanden hatte. Mir war nicht klar, wie ich reagieren sollte. Ich konnte sie auf Kosten meines gesamten Porzellans verprügeln, ich konnte sie aber auch wegen der ausgesprochen artistischen Leistung loben. Ich entschied mich, ich sagte bewundernd: »Du bist ein ganz phantastisches Weib!« Da schloss sie die Augen, blinzelte arrogant und rülpste dann leise. Im Radio spielte Chet Baker ›Misty‹, der Milchwagen hielt gegenüber, pumpte eine große Kanne leer und röhrte dann weiter. Irgendjemand wünschte irgendwem lautstark einen schönen guten Tag. Das Wetter war sehr warm, irgendein Politiker, der sich der Stimme nach zu urteilen für wichtig hielt, bemerkte im Radio, der Krieg am Golf sei nun längst vorbei, obwohl Tausende von Kurden in den Bergen krepierten und mindestens sechs große Clans darauf warteten, den Diktator Saddam Hussein abschlachten zu dürfen. Politiker sind gelegentlich unpassend. Erwin hatte mir zwei Eisenkeile und einen Aluminiumkeil vor die Haustür gelegt, auf dass ich einigen Buchen zu Leibe rücken konnte. Erwin konnte nicht wissen, dass er mich damit festnagelte. Bis jetzt hatte ich der Arbeit an den Buchenstämmen aus dem Weg gehen können, schließlich war das ohne Keile nicht zu machen. Jetzt musste ich mich auf die Seite der arbeitenden Bevölkerung schlagen, war aber eigentlich viel zu faul. Ich konnte mich nur noch retten, indem ich schleunigst eine Grippe kriegte, oder irgendetwas in der Art. Aber leider war ich ziemlich gesund. Meine Katze Krümel starrte mich aus dem Küchenschrank an, und ich schloss die Glastür vor ihrer Nase und erklärte: »Jetzt bist du mein Schneewittchen.« Es machte keinen Eindruck auf sie, wahrscheinlich kennt sie sich mit deutschen Märchen nicht aus. Außerdem verspürte ich keine große Neigung, sie zu küssen. Also machte ich die Schranktür wieder auf, und ich wette, ihre grünen Augen waren voller Spott. Da mir mein Gesicht beim Rasieren ungefähr so altbacken vorgekommen war wie ein Sechskornbrötchen nach vierzehn Tagen Liegezeit, beschloss ich, mich zu verwöhnen. Ich entschied mich für Spiegeleier nach Elvis-Presley-Art. Ich weiß, ich muss das erklären: Ich erhitze eine kleine Eisenpfanne, gebe dann etwa drei Eßlöffel Distelöl hinein und lege drei Scheiben rohen Eifelschinken in das heiße Öl. Dann schreite ich zum Plattenspieler und lege Elvis Presleys ›Good Rockin’ Tonight‹ auf. Beim ersten Ton stehe ich bereits wieder an der Pfanne und schlage drei Eier auf den Schinken. Während nun Elvis abrockt, stehe ich da und schnuppere. Nach genau zwei Minuten und dreizehn Sekunden sind beide fertig: Presley und meine Eier. Während Elvis dann zu ›Heartbreak Hotel‹ und anderen Köstlichkeiten überging, mümmelte ich vor mich hin und war ungefähr in der Gegend von ›King Creole‹ fertig. Mutig ging ich dann vor das Haus und betrachtete die Buchenstämme. Sie stammten aus dem Gebiet, das ich immer den Märchenwald nenne, weil dort nie ein Tourist zu finden ist und deshalb alles wächst, was in der Eifel wachsen kann. Der Sturm namens Wiebke hatte den Märchenwald vollkommen zertrümmert, hatte Dreißig-Meter-Stämme wie Papier umhergewirbelt. Der dickste Stamm hatte einen unteren Durchmesser von gut achtzig Zentimetern und war von einer Windbö abgedreht und vollkommen zerspleißt worden. Mitten in diesen wohl halbmeterlangen Holzzungen, die vom Wind und Regen gebleicht waren, hing ein öliger Leinenlumpen, mit dem ein Waldarbeiter seine Motorsäge geputzt hatte. Meine Katze Krümel schnürte heran, und ich erklärte ihr: »Wir gehen die Sturmschäden inspizieren.« Sie sah so arrogant aus, dass sie glatt gesagt haben könnte: »Mal wieder vor der Arbeit drücken, wie?« Aber sie hatte zumindest verstanden, dass es um eine Fahrt mit dem Auto gehen sollte. Autos sind ihre Leidenschaft. Sie hüpfte also auf den Beifahrersitz, und ich wollte gerade starten, als das Telefon schrillte. Ich rannte hinein und sagte außer Atem: »Ja, bitte? Baumeister hier.« »Ich bin’s. Deine Tante Anni.« Ich sagte: »Aha«, dann nichts mehr. Es ist immerhin erstaunlich, im reifen Alter von rund dreiundvierzig Jahren zu erfahren, dass man eine Tante namens Anni hat. »Da biste platt, was?« krähte die Frauenstimme fröhlich. »Platt würde ich mich nicht nennen, eher uninformiert.« »Du kannst es glauben«, krakeelte sie triumphierend, »ich bin wirklich deine Tante Anni. Hat dein Vater nie von mir gesprochen?« »Nie, soweit ich mich erinnere. Bist du eine Schwester von ihm oder eine Schwester meiner Mutter?« Die ganze Sache roch sehr verdächtig, denn niemand von meiner außerordentlich liebenswerten Verwandtschaft hatte jemals von einer Tante Anni berichtet. »Ich bin weder noch«, erklärte sie hoheitsvoll. »Also, es ist so, dass ich aus der Verwandtschaft von deiner Mutter Seite eine Cousine zweiten Grades, also von der Cousine deiner Mutter, die wiederum einen Onkel deiner Mutter ... ach, das ist alles fürchterlich kompliziert. Jedenfalls bin ich Tante Anni, und du bist der Siggi Baumeister. Und wir beide zusammen erben einen Bauernhof. Ziemlich groß, eigentlich so was wie ein Rittergut, gut siebenhundert Morgen, würde ich mal sagen ...« »Moment mal, ich bin völlig verwirrt, ich bin total ...« »Das weiß ich doch, mein Junge«, röhrte sie befriedigt, »das muss ja jeden verwirren. Also, wir erben einen Hof. In der ehemaligen DDR. In der Mark Brandenburg. Das war mal eine LPG, also eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Nun ist es eben alle mit dem Kommunismus, oder mit dem, was sie drüben hatten. Und ich habe einen Erbschein ...« »Ich habe keinen Erbschein ...«, rief ich. »Ich habe so ein verdammtes Ding nicht. Und ich weiß nix von einer Tante Anni. Und wer bist du überhaupt?« »Na, deine Tante Anni«, sagte sie vorwurfsvoll. »Weißt du, der Rest ist tot oder verschollen, oder was weiß ich. Und nun erben wir.« »Von wo rufst du an?« »Aus meiner Wohnung in Berlin. Weißt du was, mein Junge? Ich glaube, es ist das Beste, ich komme dich schnell mal besuchen. Dann können wir über alles reden. Sag mal, stimmt das, dass man in der Eifel noch richtige Schafherden sehen kann? Ich habe Schafe so gern.« »Ja«, sagte ich, nun deutlich leiser. »Wir haben hier ein paar Schafe. Zwanzig- oder dreißigtausend, ich habe sie lange nicht gezählt. Aber, wer bist du eigentlich, ich meine, wie ...« »Nun beruhige dich mal, min Jung. Tante Anni regelt das alles.« Damit legte die Frau mit der erstaunlichen Stimme auf. Meine Katze Krümel war auf den Schreibtisch gesprungen, aalte sich auf einem Manuskript und sah mich an, als wollte sie sagen: Reg dich nicht auf, es klärt sich alles! »Ich spalte heute kein Holz«, sagte ich. »Ich habe ein Problem namens Anni. Und deshalb fahren wir jetzt in den Windbruch.« Wir zockelten mit dem Wagen los, fuhren auf den Golfplatz, überquerten die Schnellstraße und rollten dann nach links in den Wald. Krümel sprang durch das offene Fenster und entschwand irgendwohin, ich parkte den Wagen neben einem großen Stapel Tannenstämme. Es roch nach Frühsommer, das Grün des Waldes war fast grell. Ich hockte mich auf einen Tannenstamm und stopfte mir eine Pfeife. Krümel schärfte sich neben mir ihre Krallen. »Also, wir erben irgendein Rittergut«, meinte ich murrend. »Irgendwann kommt diese Tante Anni. Vermutlich hat sie Gicht und böse Absichten. Das Leben ist auch ohne Rittergut schon schwer genug.« Da Krümel relativ wenig Ahnung von Grund und Boden hat, antwortete sie nicht, sondern schnüffelte aufgeregt an irgendeinem Loch im Boden herum, in dessen Tiefe vermutlich eine Spitzmausfamilie hockte. Dann fing sie an, wie verrückt die Erde aufzureißen. »Lass das sein«, sagte ich, »Spitzmäuse sind klug, Spitzmäuse haben immer einen zweiten und dritten und vierten Ausgang.« Hundert Meter querab nach Norden stand Andrés Kreuz an der Schnellstraße. Achtzehn Jahre war er alt, als er starb. Sie kamen zu dritt von irgendeiner Disco, es war frühmorgens. Irgend etwas geschah, irgendetwas ließ ihren Wagen von der Straße rasen. André starb im Chaos des vom Sturm entwurzelten Waldes. Das Dorf trug ihn zu Grabe, und alle seine...


Jacques Berndorf ist das Pseudonym des 1936 in Duisburg geborenen Journalisten, Sachbuch- und Romanautors Michael Preute.

Sein erster Eifel-Krimi, "Eifel-Blues", erschien 1989. In den Folgejahren entwickelte sich daraus eine deutschlandweit überaus populäre Romanserie mit Berndorfs Hauptfigur, dem Journalisten Siggi Baumeister.

Berndorf setzte mit seinen Romanen nicht nur die Eifel auf die bundesweite Krimi-Landkarte, er avancierte auch zum erfolgreichsten deutschen Kriminalschriftsteller mit mehrfacher Millionen-Auflage. Sein Roman "Eifel-Schnee" wurde im Jahr 2000 für das ZDF verfilmt. Drei Jahre später erhielt er vom "Syndikat", der Vereinigung deutschsprachiger Krimi-Autoren, den "Ehren-Glauser" für sein Lebenswerk. Dazu zählt mittlerweile auch der erfolgreiche Agenten-Thriller "Ein guter Mann" (2005), dessen Verfilmungsrechte von Regisseur Detlev Buck erworben wurden.

Von Jacques Berndorf sind bei KBV die Siggi-Baumeister-Krimis "Der letzte Agent", "Requiem für einen Henker", "Der Bär" und "Mond über der Eifel" erschienen sowie "Der Monat vor dem Mord" ein Manuskript aus dem Jahr 1972, geschrieben für den "stern", der damals noch Woche für Woche einen Kriminalroman veröffentlichte.

Außerdem ist er Herausgeber der KBV-Kurzkrimisammlung "Mords-Eifel", "Tatort-Eifel" und "Tatort Eifel 2".



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.