E-Book, Deutsch, Band 3, 252 Seiten
Reihe: Eifel-Krimi
Berndorf Eifel-Filz
Überarbeitete Auflage
ISBN: 978-3-89425-824-5
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der 3. Siggi-Baumeister-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 3, 252 Seiten
Reihe: Eifel-Krimi
ISBN: 978-3-89425-824-5
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der 3. Band der Eifel-Serie
Der raffinierte Doppelmord an Bahn 16 scheint das schreckliche Ende einer leidenschaftlichen Liebestragödie in der Golfer-High-Society zu markieren. Doch Siggi Baumeister stößt bei seinen Recherchen auf Filz, in den eine ganze Region verstrickt ist.
Jacques Berndorf - Pseudonym des Journalisten Michael Preute - wurde 1936 in Duisburg geboren und lebt heute in der Eifel. Er war viele Jahre als Journalist tätig, arbeitete unter anderem für den 'stern' und den 'Spiegel', bis er sich ganz dem Krimischreiben widmete.
Seine Siggi-Baumeister-Geschichten haben Kultstatus, im Grafit Verlag sind erschienen: Eifel-Blues, Eifel-Gold, Eifel-Filz, Eifel-Schnee, Eifel-Feuer, Eifel-Rallye, Eifel-Jagd, Eifel-Sturm, Eifel-Müll, Eifel-Wasser, Eifel-Liebe, Eifel-Träume und Eifel-Kreuz.
Außerdem lieferbar: Die Raffkes und Der Kurier (beides Politthriller).
Autoren/Hrsg.
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ERSTES KAPITEL
Meine Katze Krümel ist tot. Leukose. Sieben Jahre begleitete sie mich, dann warf es sie nieder. Sie lag zwei Tage herum, fraß nicht mehr, hatte hochgelbe Ohren, der Blick war verschleiert. Sie maunzte nicht, sie hatte Fieber, 39,8 Grad, sie schleppte sich, konnte die Hinterläufe nicht mehr bewegen, fühlte wohl auch starke Schmerzen. Ich fuhr an einem Samstag mit ihr zum Berthold Mettler nach Daun. Es war nichts mehr zu machen, das Zauberwort hieß T 61, ein starkes Barbiturat, das augenblicklich zum Blackout führt. Sie hat nichts gespürt, oder wenigstens machte das so den Anschein. Wahrscheinlich hockt sie jetzt auf der Wolke sieben im Katzenhimmel und grinst über mich, weil ich trauere. Sie hatte so eine unnachahmliche Art, sich quer über das Telefon zu legen oder diagonal über die Tastatur der Schreibmaschine, sie war so unnachahmlich arrogant. Momo ist mir geblieben, der fuchsige Kater, der nach acht Monaten satte fünf Kilo wiegt und den Kopf eines kleinen Löwen hat. Zuweilen rennt er gehetzt durch das Haus auf der Suche nach Krümel, und es hat den Anschein, als trauere auch er. Wahrscheinlich ist das Theater, wahrscheinlich hat er nur ausgerechnet, um wie viel sein Anteil am Fressen steigt. Wenn ich ihm einen Napf voll erstklassiger Katzenkonserve hinstelle, frisst er den im Handumdrehen leer, wendet sich mir mit großen Bernsteinaugen zu und maunzt sich mit weit offenem Maul das Hungerelend aus der Katzenseele. Nach etwa fünf Minuten geht er dann genussvoll kacken, kehrt zurück, dreht und wendet sich, als wolle er sagen: »Guck mal, wie schlank der Hunger macht!« – und maunzt weiter. Er gehört zu den Kreaturen, die ich gelegentlich gerne strangulieren würde, aber wenn er den Hass in meinen Augen sieht, verschwindet er. Das dritte Familienmitglied ist Paul. Paul ist ein grau getigertes Wesen, das ein paar Wochen alt und vater- und mutterlos irgendwo im Dorf aufgefunden worden ist. Wahrscheinlich hat jemand gesagt: »Frag mal bei diesem Baumeister nach«, und so stand eine verlegene Zwölfjährige vor der Tür, die stockend erklärte: »Also, jemand meinte, dass Sie vielleicht die Katze nehmen …« Ich nahm sie, ich hob ihr den Schwanz, ich taufte sie Paul, und dann war Momo da, der der Konkurrenz die erste Tracht Prügel verabreichte. Nach etwa vierundzwanzig Stunden drehte sich der Spieß um, weil Paul als der wesentlich Jüngere blitzschnell herausgefunden hatte, wie er Momo um die Katzenpfote wickeln konnte. Man neigt elegant das Köpfchen bis auf den Boden und bietet den Bauch. Das wird sofort zum Ritual: Wann immer sich Momo oder Baumeister nähern, fällt Paul mit der Geschwindigkeit eines Infanteristen im Gefecht zu Boden und mimt toten Mann. Umgekehrt hat er in Zeiten jugendlichen Übermutes herausgefunden, dass Jeans an menschlichen Beinen hervorragende Kratzbäume sind. Er springt locker aus einer Entfernung von einem Meter an den Oberschenkel und nagelt sich fest. Baumeister wimmert, hat aber Disziplin genug, nicht sofort nach dem Hackebeilchen zu greifen. Also Momo und Paul. Meine Katzenwelt ist wieder in Ordnung, und wenn ich beobachte, wie Momo Paul beibringt, die Zahl der heimischen Mäuse zu dezimieren, wird mir warm ums Herz. Momo weckte mich an jenem Morgen gegen sechs Uhr, legte eine nicht ganz tote Maus neben den Wecker und knurrte dann wild, weil Paul hinter ihm auftauchte und die Maus für sich beanspruchte. Wenn Katzen sich prügeln, ist die Nacht grundsätzlich zu Ende. Momo hatte das Schwanzende der Maus im Maul und Paul den zierlichen grauen Kopf. Vor dem Frühstück ist mir so viel Natur einfach zuwider. Ich brüllte also: »Raus!«, und sprang auf. Das hatte zur Folge, dass ich mit einer geköpften Maus allein blieb, schlecht gelaunt war und überlegte, ob das Landleben wirklich so schön ist, wie ich immer zu behaupten pflege. Es war ein Montag, die Eifel explodierte in den wildesten Herbstfarben, der Indian Summer in Vermont ist dagegen ein matter Abklatsch. Über den Hügeln drückte sich behutsam der Nebel, und die Sonne lag noch im Schlaf. Die Katzen erschienen wieder und rieben sich an meinen Beinen, weil ich der Herr des Dosenöffners bin. Paul schnurrte, und Momo behauptete wieder, in den letzten Zügen zu liegen. Katzen können ekelhaft sein. Ich machte mir einen Pulverkaffee von der Sorte Zementmixer, hockte mich an den kleinen Küchentisch und starrte in den Garten. Ich sah zu, wie mein Hausmaulwurf mitten im frisch gemähten Rasen langsam und stetig einen wunderschönen Hügel hochschob und wie die Amsel die ganze Sache neugierig mit schief gehaltenem Kopf beobachtete und dabei von fetten Regenwürmern träumte. Landleben ist aufregend. Gegen sieben Uhr schellte das Telefon, und ich dachte, das sei ein Irrtum. Das Klingeln hörte auf. Dann begann es wieder. Viermal. Dann hörte es auf. Beim dritten Mal griff ich verwegen zu. »Baumeister hier.« »Ja, ja«, sagte Erwin. Dann machte er eine Pause. Seine Sprechweise besteht im Wesentlichen aus Pausen. »Also, ich muss dich mal anrufen.« Ich sah sein rotes, lebenslustiges Gesicht, seine Augen in den Unmengen streng parallel laufender Lachfalten. »Erwin, guten Morgen. Was ist denn?« »Ist ja noch sehr früh«, meinte er bedachtsam. »Es ist sehr früh«, bestätigte ich. »Es ist nämlich so«, sagte er. »Ich denke, ich muss mal anrufen, weil du ja Ahnung von diesen Dingen hast. Also, von so Sachen.« »Von welchen Sachen, Erwin?«, fragte ich. Ich bemühte mich, ebenso langsam zu sprechen. »Von solchen Kriminalitätssachen«, erklärte er. »Was für Kriminalität?«, fragte ich. Ich sah, wie er sich in den eisgrauen Haaren kraulte. »Na ja, alles, was mit Mord und Totschlag zu tun hat«, murmelte er. »Ich dachte also, ich ruf dich mal an. Habe ich dich aus dem Bett geholt?« »Nicht die Spur. Was für ein Totschlag denn, und was für ein Mord?« »Na ja, weiß ich doch nicht«, sagte er. »Ich bin auf dem Golfplatz, Loch sechzehn, du weißt schon.« »Ich weiß gar nix, Erwin«, erwiderte ich in Slow Motion. »Wieso auf dem Golfplatz um diese Zeit? Und wieso telefonierst du mit mir?« »Na ja.« Ich konnte sehen, wie er sich wiederum den Kopf kratzte, und diesmal grinste er wohl auch. »Wenn wir hier arbeiten, haben wir ein Handy, vom Verein. So ein Telefon ohne Schnur, du weißt schon. Wir müssen ja immer im Klubhaus anrufen können, wenn irgendwas ist, also, wenn irgendwo was am Platz nicht in Ordnung ist, also, wir wollen mal sagen, wenn …« Ich mag Erwin aufrichtig, aber je komplizierter der Alltag wird, umso länger braucht er, das in Worte zu fassen. Ich trällerte also: »Erwin-Schätzchen, warum rufst du an? Was ist passiert?« »Das weiß ich eben nicht«, gab er zu. »Also, ich kann mir keinen Reim drauf machen. Eigentlich müsste ich ja den Klubvorstand anrufen oder den Geschäftsführer. Aber wenn ich die jetzt anrufe, kann ich meine Papiere abholen und bin arbeitslos, und da dachte ich …« »Erwin-Schätzchen, nun mach mal langsam«, beruhigte ich ihn. »Irgendwas ist passiert, aber was? Also, ich denke mal, du sitzt auf einem kleinen Traktor oder so was. Um dich herum ist ein bisschen Nebel, der Tau glitzert im Gras, alles ist friedlich, und du bist dabei, den Rasen zu mähen…« »Nein, nein, ich kehre den Rasen, ich habe den großen Rasenkehrer unterm Arsch. Ich komme von Loch fünfzehn – du weißt schon, die lange Bahn – auf die sechzehn. Und die macht ja eine Kurve. So um die Waldnase rum, weißt du ja. Und in dem Knick … na ja, ich denke also: Ich rufe den Siggi an.« Er schnaufte. »Erwin«, flüsterte ich behutsam, »was siehst du denn?« »Es sind zwei«, sagte er. »Ein Mann, eine Frau. Also, der Mann ist so ein Junger und die Frau so eine blonde Junge. Jedenfalls, die liegen da und sind irgendwie tot.« »Was heißt irgendwie, Erwin?« »Ich fass die nicht an. Ich doch nicht! Hinterher heißt es, ich hab was falsch gemacht. Also, ich dachte, ich ruf dich an.« »Beweg dich nicht, bis ich komme. Tu keinen Schritt. Telefonier auch nicht mehr, mach gar nichts. Ich bin schon unterwegs. Loch sechzehn? Verdammt noch mal, wo ist das?« »Du fährst also die Straße durch den Golfplatz, dann kommst du auf die Bundesstraße. Einfach überqueren bis zum Zaun. Da musst du rüber, ich habe keinen Schlüssel. Dann hältst du dich rechts den Hügel rauf, gleich dahinter. Was mache ich, wenn die doch noch leben?« »O Scheiße!«, sagte ich erstickt. Ich rannte auf den Hof in die Garage und fuhr los. Normalerweise habe ich mit meiner Garage keine Schwierigkeiten, aber diesmal gab es so ein merkwürdig knirschendes Geräusch, das in ein gellendes Kreischen überging, weil die rechte Tür meines wackeren Gefährts offen stand. Ich bremste, stieg aus und trat die Tür in die richtige Position. Diesmal blieb sie geschlossen, hatte allerdings eine kräftige Falte und eine erheblich bemerkbare Schieflage. Menschenwerk ist alles Tand. Der Tag hatte noch nicht begonnen, das Dorf war still, aus den Schornsteinen kräuselte Rauch und gab den Dächern das Aussehen von Spielzeug. Als ich die Kölner Straße hochzog, querte ein Habicht schnell wie ein Geschoss meinen Weg und fegte mit einem hellen Schrei hinter die Haselbüsche. Wen auch immer es traf, requiescat in pace. Im Osten bekam der grünblaue Himmel einen rosafarbenen Schimmer, links in den beiden Pappeln rekelten sich Krähen. Dann das Golfklubhaus mit den roten Dächern, die sich in eine Senke duckten, rechts Alwins großer Teich, seine Herde Böcke und Rehe, dann der Fischweiher, die Bundesstraße. Ich schoss geradeaus über die graue Asphaltbahn in den Wald. Endlich zog ich...