E-Book, Deutsch, Band 3, 307 Seiten
Reihe: Das Bündnis der Sieben
Berndt Fallende Engel
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7487-1387-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das Bündnis der Sieben 3
E-Book, Deutsch, Band 3, 307 Seiten
Reihe: Das Bündnis der Sieben
ISBN: 978-3-7487-1387-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Heiliger, der nie betet. Anne Perrin kennt den Mann, der Nacht für Nacht ihre Träume heimsucht, um ihr ein silbernes Amulett zu überreichen. Doch wenn sie erwacht, kann sie sich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Nur eines weiß sie genau: Sie hat ihn getötet. Eines Tages sitzt ein Fremder auf den Stufen ihres Büros. Seine hageren Gesichtszüge und der tiefe Ernst in seinem Blick kommen ihr seltsam vertraut vor. Anne nimmt sich des scheuen Mannes an, der selbst flüchtige Berührungen kaum zu ertragen scheint. Als er ihr ein silbernes Amulett zeigt, drängen ihre Träume unaufhaltsam in die Realität. Band 1: Der Tod und die Diebin Band 2: Aus Feuer und Licht Band 3: Fallende Engel
Autoren/Hrsg.
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1. Prolog
»Thérèse?« Der Mann kam näher. »Erinnerst du dich?« Er hielt ein Amulett hoch. Es baumelte wie ein Pendel. »Du gehörst zu uns. Du schadest dir nur selbst, wenn du dich weigerst.« Wieso nannte er sie Thérèse? Sie hieß Anne. Anne Perrin. Dennoch war ihr der fremde Name vertraut. Er ging noch einen Schritt auf sie zu. So zögernd, als wäre sie ein Raubtier. »Niemand will dir etwas tun. Ich möchte dich nach Hause bringen.« Eine sanfte Stimme. Trotz der Anspannung. Die blauen Augen fixierten sie. Langsam strich er sich eine Strähne zurück, die ihm in die Stirn gefallen war. Der Rest seiner Haare war am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen. »Du kennst mich.« Ein Lächeln erhellte die ernste Miene. »Auch wenn ich damals anders aussah.« Die Hagerkeit des Gesichtes, die Schwermut des Blicks, die strenge Frisur. Ein Heiliger, der nie betete. Woher wusste sie das? »Bitte, leg diese Kette um und du wirst dich erinnern.« Er kam näher, noch näher. Ein Duft von Orangen streifte sie. Der Anhänger funkelte in der Sonne. Keltische Zeichen. Ineinander verschlungen wie Schlangen. Ein Auftrag, ein Mord. Präzise ausgeführt, ohne Skrupel oder Reue. Das war ihr Job. Bis sie der Heilige an den gesichtslosen Mann verraten hatte. Dafür hatte sie ihm den Tod geschenkt. Kälte floss in ihr Herz. Nein. Sie hatte nie getötet. Nicht einmal, als sie vor zwei Wintern fast verhungert wäre. Jahr um Jahr kein Sommer. Bloß Nässe und Schnee schon im Juli. Eine Frau hatte ihr letztes Brot gestohlen. Thérèse war ihr nachgerannt, hätte sie beinahe ... Thérèse? Sie hieß Anne! Und sie hatte nie Hunger gelitten. Sie verdiente mehr als genug mit der Agentur und an jeder Ecke gab es Supermärkte und Imbissbuden. Nur hier nicht. Krämerstände, ein Marktplatz, Frauen, die aus Fässern eingelegtes Gemüse verkauften. »Thérèse«, sagte der Fremde eindringlich. »Du musst mir vertrauen. Ich kann dir helfen, wenn die Erinnerungen ...« Geschrei. Direkt hinter ihr. Ein Bettler lag auf der Straße. Er war vor die Räder eines Fuhrwerks gestürzt. Der Kutscher fluchte, riss an den Zügeln. Der Mann kroch aus der Gefahr, drohte mit seiner Krücke. Er verschwand. Auch die Gasse, auch die schwerfälligen Pferde. Prunkvolle Verzierungen in Gold. Sie überschwemmten die Wände des Zimmers. Der Duft zahlloser Blumen überdeckte nur mühsam den penetranten Geruch einer Frau. Ein Samtvorhang streifte Jeannes Wange. Er verbarg sie. Ihr Ziel sähe lediglich die Klinge. Doch dann wäre es zu spät. Das überhebliche Lächeln der grell geschminkten Lippen gefror, in dem Moment, als das Messer ins Herz drang. Der dottergelbe Stoff des Kleides färbte sich rot. Aufgerissene Puppenaugen, ein verzerrtes Gesicht. Es brach Krater in dicke Puderschichten. Die Mätresse des Königs sank zusammen. Eine Giftmischerin. Jeanne verbot sich jegliches Mitgefühl. Es machte keinen Sinn, ihre Aufträge zu hinterfragen. Anne keuchte. Wie konnte sie sich an einen Mord erinnern? An einen falschen Namen? »Sorry, Anne. Aber das war’s für dich.« Ein Mann mit breiten Koteletten. Er stand vor ihr wie aus dem Boden gewachsen. Wo war der Heilige mit dem Dutt? »Deine letzte Joggingrunde.« Seine Finger schlossen sich um den Schaft eines zierlichen Schwertes. »Hoffentlich hast du sie genossen.« Eine wundervolle Waffe. Sie schien federleicht zu sein. Ihr Glanz huschte wie ein scheues Tier den Stahl entlang. Anne ging auf den Mann zu. Ihre Fingerkuppen kribbelten vor Erwartung, über die makellose Klinge zu streichen. »Das würde ich lassen.« Er richtete die Spitze der Waffe auf sie. »Zwar sagen die anderen, du wärst gefährlich, aber hey!« Ein schäbiges Grinsen verzerrte das Gesicht. »Letztendlich bist du bloß eine Frau.« Was wollte er von ihr? Plötzlich war er aufgetaucht, hatte sie in die Einfahrt gedrängt. Müllcontainer, ein Lada mit fehlendem Nummernschild, zwei leere Bierflaschen auf einem Mauervorsprung, dunkle Fenster. Kein Mensch außer ihr und ihm weit und breit. »Dich quälen Flashbacks, nicht wahr?« Er trat einen Schritt auf sie zu. Zu zögernd für echten Mut. »Ist nervig. Kennen wir alle. Das weißt du.« Sein Lächeln wirkte gehetzt. »Baraq’el sagte, ich soll es schnell hinter mich bringen. Aber ...« Seine Zunge glitt über die Unterlippe. »Du bist verdammt schön, Zigeunerin. Und mir ist gleichgültig, dass du knapp am Wahnsinn vorbeischrammst.« Wo waren der Bettler und die Frau im gelben Kleid? Weg. »Mahawaj Baraq’el empfindet dich als Ärgernis.« Unprofessionell. Wäre er geschickt worden, um sie zu töten, hätte er es längst erledigen müssen. Nun war es zu spät. Für ihn. Gott, ein Mann bedrohte sie mit einer Waffe und sie? Blieb stehen, schrie nicht, rannte nicht. Was war in sie gefahren? Anne brach der Schweiß aus. Sie stolperte zurück. »Ah, so gefällst du mir besser.« Er folgte ihr, die Klinge auf ihre Brust gerichtet. Er würde sie töten. Dazu hatte er ihr aufgelauert. Wegen eines Kerls mit kompliziertem Namen, für den sie, wusste der Teufel warum, ein Ärgernis darstellte. Wo steckte die Angst? Eben war sie noch da gewesen. »Weshalb bist du nicht hässlich?« Die Spitze senkte sich minimal. »Dann wäre es leichter für mich.« »So wie du?« Auch wenn er ein alabasterhäutiger Prinz wäre, erledigte sie ihn mit links. Der Bastard wollte sie beseitigen. Dabei hielt er das fragile Schwert wie seinen Schwanz in der Faust. Gingen Baraq’el die Meister aus, dass er Schrott schickte? Anne keuchte. In ihrem Kopf summte es wie in einem Wespenschwarm. Wer, zur Hölle, war Baraq’el? »Du siehst nicht gefährlich aus.« Ein fremdes Lachen. Nie zuvor gehört. »Ich glaube, die Gerüchte über dich sind maßlos übertrieben.« Wer immer der Mann war, er war neu im Geschäft. Zuerst er, dann der Gesichtslose. Es machte nichts ungeschehen. Ein Kind im Schnee. Steif wie eine Puppe. Liebe versickerte rot in gestampftem Lehmboden. Linas Herz zerriss und scherte sich einen Dreck um den falschen Namen. Oh Gott! Was geschah mit ihr? Anne blinzelte Tränen aus den Augen. »Tut mir leid, Süße. Aber vielleicht bist du mir dankbar. Manchmal geht es schief und statt sich zu erinnern, bleibt nur Matsch aus zig Jahrhunderten im Hirn übrig.« Er holte aus. Zu weit, zu langsam. Ein Stümper mit dem Schwert. Seine Arroganz drang ihm wie Schweißgestank aus den Poren. Wie viele hatte er getötet? Zwei? Drei? Auf Linas Gewissen lasteten Hunderte. Hatte er jemals seine Aufträge hinterfragt? Sich jemals verweigert? Jemals sein Herz verschenkt und dafür bezahlt? Sie hatte es getan. Die Bierflasche auf der Mauer. Ein Griff, und sie lag beruhigend schwer in ihrer Hand. Alles, was zählte, war Entschlossenheit. Zu töten, zu sterben. Lina war bereit. Ihr Angreifer nicht. Sie schlug den Flaschenboden ab. Eine improvisierte, funktionierende Waffe. Sie hatte sie schon einmal benutzt. Lange her. Bei einem verräterischen Heiligen. Dabei hatte sie ihn gemocht. Nie geglaubt, dass er sie hintergehen könnte. Der Kerl vor ihr riss die Augen auf. Sein Mund versuchte zu grinsen, blieb jedoch in der Bewegung hängen. Sein Blick flackerte zwischen den Scherben am Boden und dem Rest in ihrer Hand hin und her. Er verlor den Fokus. Der erste Schritt zum Tod. »Verschwinde oder bleib und stirb.« Es war fair, ihn zu warnen. »Ich werde nicht zulassen, dass du mich an deinen Boss verrätst.« Ihr Leben gehörte ihr. Sie würde es kein zweites Mal in stickiger Dunkelheit verlieren. »Du bist wirklich verrückt.« Seine Finger schlossen sich viel zu verkrampft um das Heft. Er sprang auf sie zu. Unbeholfen, steif. Die Entscheidung zu töten, durchsetzt mit Zweifel und Angst. Lina schleuderte zerbrochenes Glas. Das Klirren der Klinge auf dem Boden. Ein Gurgeln, das aus seiner Kehle drang. Seine Augen weiteten sich, erfassten seine ganz persönliche Wahrheit. Ein schneller Tod. Manche würden ihn darum beneiden. Er ging in die Knie, fiel nach hinten. Eine rote Lache wuchs unter ihm. Zu oft gesehen. Sie kniete sich zu ihm, schloss ihm die Lider. »Nur ein Job.« Ihre Stimme klang fremd. Wilde Szenen stürmten auf sie ein. Degenkämpfe, schmutzige Laken benetzt mit Sperma, Schweiß, Blut. Küsse, Hass auf einen unsichtbaren Mann, der ihr das Herz herausriss. Ein Tod unter Wagenrädern, einer an einem eisigen Abend. Wie einschlafen. Ein Strick um ihren Hals, ein Stein an ihren Füßen, ein Sprung in dunkle Tiefe. Freiwillig. Für einen Moment griffen Angst und Erleichterung gleichzeitig nach ihrem Herz. Und immer wieder der Mann mit dem Haarknoten. Er übergab ihr das Amulett oder starb dabei. Annes Mund wurde trocken, ihre Hände eiskalt. Was war das für ein nervtötendes Geräusch? Sirenen. Hinter ihr. Sie wurden lauter, vertrieben Gesichter aus ihrem Kopf. Anne blinzelte. Wo war sie? Helsinki. Nacht. Irgendwo in der Meritullinkatu. Vor ihr lag ein Mann. Der Rest einer Bierflasche steckte ihm in der Kehle. Sein Blut schlug Blasen in den Ritzen der Pflastersteine. Anne würgte, kam taumelnd auf die Beine. »Ganz ruhig.« Ein metallisches Klacken begleitete die Männerstimme. »Nehmen Sie die Hände über den Kopf und treten Sie von der Waffe zurück.« Welche Waffe? Das Schwert. Es lag vor ihr. Sie musste sich nur bücken. Zwei Polizisten. Sie versperrten die Einfahrt. Ein...




