E-Book, Deutsch, Band 3, 472 Seiten
Reihe: Inferno
Berthold Inferno. Finale - Tatsachenroman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-87-26-44467-4
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 472 Seiten
Reihe: Inferno
ISBN: 978-87-26-44467-4
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im letzten Band der 'Inferno'-Trilogie beschäftigt sich Will Berthold eingehend und ebenso anschaulich wie in den beiden ersten Teilen mit den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs: Die Geschehnisse zwischen 1942 und 1945 stehen hier im Mittelpunkt, genauer gesagt der Kampf um Stalingrad bis zur bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945. Auf Grundlage von Fakten sind es neben den gut dokumentierten Stationen auch die Einzelschicksale, die den Schrecken des Krieges verdeutlichen.In seiner aus drei Bänden bestehenden 'Inferno'-Serie beschreibt Will Berthold sehr eindringlich aus eigener Erfahrung als ehemaliger Soldat die Gräuel des Zweiten Weltkriegs. Er hatte sich bei Kriegsende geschworen, einen Beitrag zu leisten, dass solch ein Krieg nie wieder geschehen würde und entschied sich dabei für die Schriftstellerei, mit der er viele Menschen erreichte.
Der gebürtige Bamberger Will Berthold (1924-2000) wurde mit 18 Jahren als Soldat eingezogen. Nach seiner Kriegsgefangenschaft war er Volontär und Redakteur bei der 'Süddeutschen Zeitung' und schrieb u.a. über die Nürnberger Prozesse. Seine über 50 Romane und Sachbücher, in denen er sich hauptsächlich mit dem Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg sowie Kriminalität und Spionage beschäftigte, machten ihn zu einem der kommerziell erfolgreichsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit.
Autoren/Hrsg.
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Krisenzeichen
Die Zivilbevölkerung war vorsichtig auf den Ausgang des »Heldenkampfes in Stalingrad« eingestimmt worden. Ohnedies wußte man an der Heimatfront aus Erfahrung längst, daß es draußen schlecht stand, wenn im deutschen Reichsrundfunk vorwiegend Richard Wagner und Richard Strauß, »Götterdämmerung« oder »Tod und Verklärung«, zu hören waren. Der Untergang einer ganzen Armee ließ sich nicht – wie bisherige Niederlagen – verheimlichen und auch nicht in den frisierten Wehrmachtsberichten als Frontbegradigung verharmlosen. Sämtliche deutschen Zeitungen erschienen nach der Katastrophe mit schwarzem Rand. Eine viertägige Staatstrauer wurde angeordnet. Theater und Vergnügungsstätten blieben geschlossen. Leichte Musik war verpönt. Ohnedies zeigten die Passanten in der Öffentlichkeit bestürzte, ja verstörte Gesichter. Der Reichspressechef Otto Dietrich erlitt einen Nervenzusammenbruch. Der Rundfunkkommentator Hans Fritsche wurde beauftragt, die Stimmung der Bevölkerung wieder aufzurichten. Der Mann, dessen ölige Stimme aus jedem deutschen Lautsprecher dröhnte, wandte sich mit der Bitte um brauchbare Informationen an einige Generäle als Sachverständige. Die Analyse der Militärexperten war vernichtend: Im Osten wankte die gesamte Front. Zwar war Generalfeldmarschall von Manstein dabei, den Südflügel zu stabilisieren, aber es war ein Rückzug über Hunderte von Kilometern. Schon am 1. Januar hatte die Panzerarmee Hoth die Stadt Elista in der Kalmückensteppe aufgeben müssen. Jetzt war die Rote Armee dabei, Kursk, Belgorod, Rostow und Woroschilowgrad zurückzuerobern. Die Aufgabe Charkows – entgegen einem ausdrücklichen Hitler-Befehl – durch ein SS-Panzerkorps stand bevor. Im Norden hatten die Sowjets nach 17 Monaten den Belagerungsring um Leningrad aufgebrochen. Nördlich Witebsk war der »feste Platz« Welikije-Luki von der deutschen Besatzung aufgegeben worden, wobei sich von 7000 Verteidigern nur 102 zu den deutschen Linien durchschlagen konnten. Die Front in Nordafrika stand vor dem Einsturz. Generalfeldmarschall Rommel war abberufen worden. Die Niederlage – vor der er gewarnt hatte – sollte ihm erspart werden. Der U-Boot-Krieg war dank neuartiger Abwehrwaffen der Alliierten praktisch zusammengebrochen. Die Wellenringe der Katastrophe von Stalingrad erreichten die Hauptstädte der Bundesgenossen: Rom, Budapest, Bukarest und Helsinki. Das kriegsmüde Italien stand vor dem Abfall; heimlich bereitete General Pietro Badoglio seinen Putsch vor. Der rumänische Staatsschef Marschall Antonescu zeigte sich verbittert, zumal sein Vertrauen durch die Flucht seines Widersachers Horia Sima aus einem NS-Arbeitslager nach Italien gestört war; er verdächtigte seine Waffenbrüder, dem Verbannten absichtlich zur Freiheit verholfen zu haben. Die Ungarn erhoben schwere Vorwürfe gegen ihre Behandlung durch deutsche Offiziere. Selbst die Finnen, die tapfersten der Bundesgenossen, überlegten nunmehr, wie sie aus dem Krieg ausscheren könnten; sie strebten einen Sonderfrieden mit ihren russischen Todfeinden an. Auch an der deutschen Heimatfront zeigten die Nachtangriffe der Engländer auf die deutschen Städte immer deutlichere Wirkung. In den letzten drei Januarwochen hatten 666 britische Bomber 1958 Tonnen Bomben auf Essen, Berlin und Hamburg abgeworfen. Nunmehr verfügten die Engländer über ein neues Radarbordgerät, das die Navigation auf Fernstrecken erheblich verbesserte. In einem Geheimbericht des Sicherheitsdienstes der SS wurde festgestellt: »Im Westen des Reiches wirken sich die nunmehr wieder regelmäßig erfolgenden Terrorangriffe der feindlichen Luftstreitkräfte Stimmungsbelastend aus. Die Luftangriffe, die besonders in den letzten Tagen auf verschiedene Städte erfolgten, lösten besonders in den davon betroffenen Stadtteilen erhebliche Bedrückung aus. Namentlich sind es die Frauen, bei denen sich wiederholt fast verzweifelte Stimmen über das Ausmaß der Luftangriffe und der dadurch bedingten Zukunftsaussichten bemerkbar machten. Allgemein wird im Westen darüber geklagt, daß der Fliegeralarm zu spät gegeben werde und daß sofort nach dem ersten Sirenensignal der Flakbeschuß einsetze und gleichzeitig die ersten Bomben fielen. Im Ruhrgebiet wird daher vielfach der Wunsch geäußert, daß die Alarmierung frühzeitiger erfolge, selbst auf die Gefahr hin, daß einmal blinder Alarm gegeben werde . . . Die Auswirkungen der Fliegerangriffe zeigten sich auch darin, daß in den frühen Abendstunden die Gaststätten stark geleert sind und ein starker Zustrom zu den Luftschutzbunkern einsetzt. Schon um 18 Uhr oder 19 Uhr sind die großen Bunker in beträchtlichem Maße von Frauen und Kindern gefüllt, die dort einen etwaigen Fliegeralarm abwarten und erst gegen 21 Uhr oder 22 Uhr die Luftschutzräume wieder verlassen.« Die Krisenzeichen waren nicht zu übersehen. Auch die Justiz mußte regelmäßig Berichte über die Stimmung der Zivilbevölkerung abliefern, wiewohl Hitler sie gründlich verachtete. Dr. Hans Schütz, nach dem Krieg Oberlandesgerichtspräsident in Bamberg, hat in seiner Dokumentation »Bamberger Berichte« diese internen Stellungnahmen gesammelt, kommentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. »Die allgemeine Stimmung ist seit den alarmierenden Ereignissen um Stalingrad, im Kaukasus und in Afrika sehr ernst und gedrückt«, schrieb sein Amtsvorgänger im Dritten Reich mit beachtlichem Mut. »Die offenbar unrichtige Einschätzung der russischen Kampfkraft durch unsere militärische Führung und der Umstand, daß Amerika mit seinen Hilfsmitteln augenscheinlich noch nicht voll in den Krieg eingetreten ist, verstärkt die Mutlosigkeit weiter Kreise. In meinem Bezirk ist die Niedergeschlagenheit um so größer, als, wie man hört, gerade aus den fränkischen Landen viele Wehrmachtsangehörige an den Kämpfen in und um Stalingrad beteiligt waren und ihr Schicksal bisher ungeklärt blieb . . . Es ist deshalb auch allenthalben eine starke Zunahme und Verschärfung der Kritik an der politischen und militärischen Führung zu beobachten; diese Kritik richtet sich, was früher nie der Fall war, in steigendem Maße gegen die Person des Führers, der besonders für die Ereignisse in Stalingrad und im Kaukasus verantwortlich gemacht wird. Man erzählt sich von erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Führer und seinen militärischen Ratgebern, deren Warnungen der Führer in den Wind geschlagen habe. Das Volk vergleicht ferner frühere zuversichtliche und hochgemute Äußerungen, die von maßgebenden Männern gemacht wurden, mit den jetzigen, die gefährliche Lage des Reiches betonenden Alarmrufen.« Der Rundfunkkommentator Fritsche wandte sich nach dem Erhalt dieser Hiobsnachrichten an seinen Chef Dr. Goebbels. »Das kann man dem deutschen Volk nicht antun«, wies ihn der Reichspropagandaminister an. »Werfen Sie den Dreck in den Papierkorb.« Dr. Goebbels stand selbst im Kreuzfeuer der Kritik. Da die Berichte des Sicherheitsdienstes – der die Zivilbevölkerung systematisch aushorchte – nicht nur im Westen ergaben, daß die Kriegsmoral in der Heimat angeschlagen war, hielt man ihn für den Schuldigen und stellte in der Reichsführung-SS bereits Überlegungen an, ob die Himmler-Garde künftig anstelle der Promigewaltigen die »Volksaufklärung« übernehmen könne. In dieser Situation trat der kleine humpelnde Hexenmeister des Massenwahns am 18. Februar 1943 in seiner berüchtigten Rede im Berliner Sportpalast die Flucht nach vorne an. »Ich weiß nicht, wie viele Millionen Menschen, über die Ätherwellen mit uns verbunden, heute abend an der Front und in der Heimat an dieser Kundgebung teilnehmen und meine Zuhörer sind«, begann Dr. Goebbels. »Ich möchte zu Ihnen allen aus tiefstem Herzen zum tiefsten Herzen sprechen. Ich glaube, das gesamte deutsche Volk ist mit heißer Leidenschaft bei der Sache, die ich Ihnen heute abend vorzutragen habe. Ich will deshalb meine Ausführungen auch mit dem ganzen heiligen Ernst und dem offenen Freimut, den die Stunde von uns erfordert, ausstatten. Das im Nationalsozialismus erzogene, geschulte und disziplinierte deutsche Volk kann die volle Wahrheit ertragen (Bravo-Rufe, Beifall.) Es weiß, wie schwierig es um die Lage des Reiches bestellt ist . . .« Der ehemalige Jesuitenzögling – fraglos der intelligenteste Trabant Hitlers – wußte, daß er nach Stalingrad mit Täuschungen und Beschwichtigungen nichts mehr ausrichten konnte, und war deshalb entschlossen, entgegen seiner sonstigen Praktik die Lage ziemlich ungeschminkt darzustellen und dadurch die Wirkung zu erzielen, auf die es ihm ankam: ». . . Wir durchleben im Osten augenblicklich eine schwere militärische Belastung. Und diese Belastung hat zeitweilig größere Ausmaße angenommen und gleicht, wenn nicht in der Art der Anlage, so doch in ihrem Umfang der des vergangenen Winters . . . Der Ansturm der Steppe gegen unseren ehrwürdigen Kontinent ist in diesem Winter mit einer Wucht losgebrochen, die alle menschlichen und geschichtlichen Vorstellungen in den Schatten stellt. Die deutsche Wehrmacht bildet dagegen mit ihren Verbündeten den einzigen überhaupt in Frage kommenden Schutzwall . . . Es ist verständlich, daß wir bei den großangelegten Tarnungs- und Bluffmanövern des bolschewistischen Regimes das Kriegspotential der Sowjetunion nicht richtig eingeschätzt haben. Erst jetzt offenbart es sich uns in seiner ganzen wilden Größe. Dementsprechend ist auch der Kampf, den unsere Soldaten im Osten zu bestehen haben, über alle menschlichen Vorstellungen hinaus hart, schwer und gefährlich . ....