Beutler | Der Lucens-GAU | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Beutler Der Lucens-GAU

Kriminalroman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-401-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-96041-401-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine Nuklearkatastrophe, die kaum einer bemerkte.

Ende Februar 2011 wird auf einem Grundstück in Murten, am unteren Ende des Broyetals, bei Gartenarbeiten eine Leiche ausgegraben. Staatsanwalt Stulz findet heraus, dass es sich bei dem Toten um einen ehemaligen Kernphysiker der Elitehochschule ETH handelt. Er verschwand 1969 spurlos – an exakt dem Tag, an dem der Atomreaktor von Lucens tief in einer Felsenkaverne explodierte. Stulz, der im
Zeitfenster zwischen 1940 und 1975 recherchiert, deckt schier Unfassbares auf und ruft einen mächtigen Gegner auf den Plan, dem alle Mittel recht sind.

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1 Ende Februar bis Anfang März 2011 Die Nebeldecke hing an diesem Mittwoch, den 23. Februar, tief über Murten. Es war kalt und feucht; seit dem Morgen erreichte kein einziger Sonnenstrahl das Städtchen. Um sechzehn Uhr genehmigten sich die fünf Leute der Polizeistation am runden Tisch die Nachmittagsverpflegung. Der Kommandant, Pius Schwaller, zog mit seinem Militärmesser einem Cervelat die Haut ab, schnitt ihn in kleine Rädchen und legte diese behutsam auf ein grosses Stück Ruchbrot, das er mit einer tüchtigen Portion Senf bestrichen hatte. Er schlurfte zur Kaffeemaschine, füllte braunschwarzes Gebräu in einen grossen Pappbecher, goss drei Portionen Crème dazu, leckte die Kaffeerahmdeckeli ab, zog aus seiner grossen Tasche am rechten Hosenbein einen Plastikbeutel heraus und schob sie dort hinein. Die anderen vier sahen ihm dabei gelangweilt zu. Ein Ritual, das die Untergebenen aus Respekt ihrem Vorgesetzten gegenüber in Kauf nahmen. Erst als Schwaller in seine Wurstschnitte biss, begannen sie mit dem Verzehr ihrer Sandwiches und liessen einer nach dem anderen einen Kaffee aus dem Automaten. Ordnung musste sein, das galt auch für die einfachsten Verrichtungen, ganz besonders bei der Stadtpolizei Murten. Schwaller sah auf die Wanduhr, dann auf sein Handy. «Du, Benjamin», sie nannten ihn so, weil er der Jüngste war, obwohl er Pirmin hiess, «du, Benjamin, die Uhr da oben geht zwei Minuten vor, stell sie gleich zurück.» Pirmin Dahinden, ein baumlanger Kerl, schoss auf und eilte zur Fensterfront, darunter stand ein Schemel, nahm diesen, stellte ihn an der gegenüberliegenden Raumseite unter die Uhr. Dann schrillte es. Er stürzte zum Wandtelefon, das neben der Fensterfront montiert war, hob ab. «Stadtpolizei Murten, Polizeimann Dahinden. Wo brennt’s denn … Einen Moment, ich rufe gleich den Chef.» Schwaller erhob sich ächzend, fluchte und schlurfte zum Apparat. «Kommando Stadtpolizei Murten, Schwaller. Eilt es? Wenn nicht, rufen Sie bitte in einer halben Stunde wieder an. Wir machen gerade unsere wohlverdiente Nachmittagspause.» Schwaller hörte schnaufend zu, machte plötzlich grosse Augen. «Einen Toten bei der Villa Meichtry? Wir kommen gleich, in einer Viertelstunde sind wir bei Ihnen. – Benjamin, hol den Streifenwagen. Mach schon, es eilt.» Einige Minuten später raste das Polizeiauto mit Blaulicht und Martinshorn durch die engen Gassen Murtens Richtung See. Fenster öffneten sich, Anwohner sahen diesem Spektakel neugierig zu, denn um diese Jahreszeit war wenig los im Städtchen. Jean-Luc Meichtry besass ein grosses Grundstück am See, auf dem gerade ein Graben ausgehoben wurde. Neben dem Bagger, dessen Schaufel etwa einen Meter über Grund hing, standen zwei Männer, die sich erregt unterhielten. Der eine elegant gekleidet, der andere in Klamotten mit Leuchtstreifen, das war wohl der Bauarbeiter. Als sie den Streifenwagen durch die Zufahrt preschen sahen, winkten sie ihn zu ihrem Standort. Die beiden Polizisten stürmten aus dem Fahrzeug, Dahinden grüsste militärisch zackig, Schwaller streckte einem der beiden die Hand entgegen. Es war der Besitzer der Liegenschaft. «Guten Abend, Herr Doktor, wo liegt die Leiche?» Meichtry zeigte auf die Baggerschaufel. «Dort! Ich glaube, es war ein Mann.» «Ein Mann?», wiederholte Schwaller. «Was führt Sie zu dieser Annahme?» «Sein Gesicht kann man zwar nicht erkennen, aber er hat dort Haare, wo bei lebenden Menschen der Bart wächst.» Schwaller ging nun zur Baggerschaufel. «Richtig, das ist zweifellos ein Mann.» Dort lag der Tote, mit abgetrennten Beinen. «Das gibt es ja nicht. Der Mann ist noch nicht völlig verwest. Es erweckt den Eindruck, dass er hier nicht lange gelegen hat.» «Das habe ich mir auch gedacht. Jedoch lag er im Moorboden. Und Moorleichen halten sich über längere Zeit, sodass sie noch nach Jahren Fleisch am Knochen haben.» Schwaller beauftragte Dahinden, der während der ganzen Zeit vermieden hatte, ein Auge auf die Baggerschaufel zu werfen, den Fotoapparat aus dem Polizeifahrzeug zu holen, um die Leiche abzulichten. Dahinden, der mit dem Fotoapparat in der rechten Hand auf die Leiche sah, wurde blitzartig schneeweiss. Er legte den Apparat unter die Schaufel und rannte wie der Blitz zur benachbarten Hecke, wo er sich übergab. Schwaller schrie ihm zornig nach: «Wie steht es mit deiner Belastbarkeit, Benjamin? Das darf doch nicht wahr sein. Bist du ein Polizist oder ein Waschlappen? Ich werde veranlassen, dass man dich einen ganzen Tag lang in die Leichenhalle des Kantonsspitals Freiburg einsperrt.» «Wie geht es weiter?», fragte er dann und gab gleich selbst die Antwort darauf. «Wir werden die Leiche in das Gerichtsmedizinische Institut der Universität Bern einliefern. Dort wird sie untersucht. Auch ihr Alter kann auf einige Jahre genau ermittelt werden. Sollte es zutreffen, dass sie bereits», Schwaller rechnete kurz nach, «dass sie bereits vor 1981 hier gelegen hat, wäre der Fall für uns sowieso erledigt. Dreissig Jahre nach der Tat ist in der Schweiz auch ein Kapitalverbrechen verjährt.» Schwaller kniff die Augen zusammen. «Das wäre dann ein Glück für Sie. Sie hätten nichts mit dem Mord zu tun. Wie lange wohnen Sie eigentlich schon in diesem Haus?» Meichtry blinzelte Schwaller zunächst fragend zu. «Warum wollen Sie denn das wissen?» Schwaller, etwa einen Kopf kleiner als Meichtry, musterte diesen von unten herauf mit bösem Blick. «So kommen wir nicht weiter. Ich werde Sie auf den Posten mitnehmen, dort werden Sie vernommen, und wir protokollieren das.» Jean-Luc Meichtry war ziemlich irritiert und fühlte sich erniedrigt, als er am langen Holztisch im Vernehmungsraum der Polizeistation Platz nahm. Ihm gegenüber sassen Schwaller und Dahinden. «Bin ich jetzt verhaftet?» «Noch nicht», bemerkte Schwaller brummend. «Wir sind nur eine Stadtpolizei. Verhaftungen dürften wir gar nicht vornehmen – allenfalls nur in Notfällen. Verbrechen wären Sache der Kantonspolizei. Aber leider ist der kantonale Posten in Murten nur zeitweise besetzt. Und da haben sich die Leute im Städtchen angewöhnt, zuerst an uns zu gelangen.» «Was meinen Sie mit ‹noch nicht›?» «Es kommt ganz darauf an, was am Ende des Verhörs herauskommt. Könnte sein, dass ich Sie danach festnehme und Sie die Nacht in unserer Arrestzelle verbringen müssen. Morgen Vormittag wird der Staatsanwalt entscheiden, ob Sie wieder nach Hause dürfen oder ins Untersuchungsgefängnis überstellt werden.» Bevor Schwaller mit dem Verhör begann, hielt er ein graues Kästchen in die Höhe. «Damit wird diese Vernehmung aufgenommen. Dahinden schreibt das Protokoll, am Schluss werden Sie gebeten, es zu unterzeichnen. Sollten Sie sich weigern, werden wir Ihnen das Gespräch abspielen. Dann ist Ihre Unterschrift nicht mehr nötig.» Schwaller fragte Jean-Luc Meichtry nochmals, wann er in die Villa eingezogen sei. Meichtry musste überlegen. «Das erste Mal im Juni 1973, als meine Mutter das Haus von Alfons Vonlanthen kaufte – vier Jahre nach dem Verschwinden meines Vaters. Drei Jahre später zog ich aus. Ich war damals zwanzig und begann an der ETH Zürich mit meinem Chemiestudium.» «Seit wann wohnen Sie wieder in der Villa?» «Seit 1992, nach dem Tod meiner Mutter.» «Im Städtchen munkelt man, Ihre sexuelle Ausrichtung –» Meichtry unterbrach Schwaller dezidiert. «Kommandant, das geht zu weit. Die sexuelle Ausrichtung eines jeden Menschen ist dessen Privatsache.» Schwaller wies Dahinden an, das mit der «sexuellen Ausrichtung» nicht ins Protokoll zu schreiben. «Es gibt da eben ein Problem, Herr Doktor.» Schwaller zog ein Papier aus seiner schwarzen Ledermappe und schob es Meichtry zu. «Das ist eine Vermisstenanzeige, die Sie 1997 hier aufgegeben haben. Ich persönlich nahm sie entgegen. Was sagen Sie dazu?» Meichtry warf einen flüchtigen Blick auf das Blatt, zuckte mit den Schultern. «Das war Alexej, ein Junge von neunzehn Jahren. Er lebte in meinem Haus.» «Wie lange?» Meichtry überlegte. «Genau kann ich das nicht sagen. Drei Monate, vielleicht etwas länger. Dann war er von einem Tag auf den anderen weg, seither ist er verschollen.» «Hatte er Verwandte?» «Wahrscheinlich schon. Aber er verlor nie ein Wort über seine Herkunft. Auch nicht über das persönliche Umfeld, in dem er vorher gelebt hatte.» «War er ein Russe?» «Seine Muttersprache war Russisch, aber er ist in Kiew, in der Ukraine, aufgewachsen, hat er mir jedenfalls gesagt.» «Wie stand es um seine Deutschkenntnisse?» «Hervorragend.» «Der ortsübliche Dialekt?» Meichtry lachte. «Was ist daran so Besonderes, dass man den erlernen müsste?» Schwaller schleuderte Meichtry einen zurechtweisenden Blick entgegen. «Die Fragen stelle ich, Herr Doktor.» Schwaller sah sich seine Notizen an und fragte nach einer Weile: «Was war eigentlich mit Ihrem Vater los?» «Gute Frage. Wenn ich das so genau wüsste. Zum letzten Mal habe ich ihn beim Frühstück am 21. Januar 1969 gesehen. Ich war damals dreizehn. Mein Vater arbeitete an diesem Tag als Physiker im Versuchsatomkraftwerk Lucens. Einige Stunden später geriet es ausser Kontrolle.» «Die Vernehmung ist beendet», sagte Schwaller kurz angebunden. «Und? Darf ich wieder nach Hause gehen?» «Ja.» Am kommenden Morgen wurde Jean-Luc Meichtry von zu Hause abgeholt und in den Verhörraum geführt, wo bereits Staatsanwalt Stulz und...


Peter Beutler, geboren 1942, ist in Zwieselberg, einem kleinen Dorf am Fuße der Berner Alpen, aufgewachsen. Als promovierter Chemiker war er Lehrer an einem Gymnasium in Luzern. Heute lebt er mit seiner Frau auf dem Beatenberg, hoch über dem Thunersee.



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