Bicker / Malhus | Kürbisgemetzel | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 236 Seiten

Bicker / Malhus Kürbisgemetzel


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-5240-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

ISBN: 978-3-7526-5240-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Halloween, Samhain, Allerheiligen. In der Zeit zwischen Ende Oktober, Anfang November wird der Schleier zwischen den Welten dünn. Menschen geraten unversehens in die Anderswelt, Geister und Gespenster spuken durch unsere Städte und selbst die Kürbisse fangen an zu sprechen. Was wir in dieser Zeit erleben ist furchteinflößend und fantastisch zugleich. 15 Autorinnen und Autoren schaffen Gänsehautmomente und geben Einblick in unheimliche Geschehnisse, bei denen nicht nur Kürbisse gemetzelt werden ...

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Dani Aquitaine
Nach Hause
»Raus aus den Federn, Zoe!« Ophelias dröhnende Stimme riss mich aus dem Schlaf. Ihre Schritte stampften durch den Raum, ließen den Putz rhythmisch auf mein Kopfkissen rieseln. Schnell verkroch ich mich unter der Decke. Nicht aus Furcht vor meiner stattlichen Mitbewohnerin, sondern weil ich mich zurücksehnte. Nach Hause. Zu Arvid. In meinen Traum, in dem er mich in seinen Armen hielt. Sehnsucht und Heimweh zerrten an meinem Herzen, machten meine Glieder grabsteinschwer. »Auf! Auf!« Ich stellte mich tot. Haha. Ophelia ließ nicht locker: »Heute ist ein besonderer Tag!« Aus Neugierde kämpfte ich mich schließlich unter der Decke hervor. »Warum?« Zwischen den brüchigen Fensterläden drang noch kein Lichtschein herein, als Ophelia sie munter aufstieß. Die Golem-Dame drehte sich schwungvoll zu mir um und zeigte ihr strahlendstes Lehmgesicht-Lächeln: »Es ist Allerheiligen!« Schon auf der Treppe ins Erdgeschoss schallte mir Lachen aus dem Gemeinschaftsraum entgegen. Ungewöhnlich für diese Uhrzeit. Ich zog die Schultern hoch und trat ein. Meine Mitbewohner machten mir inzwischen meist keine Angst mehr, aber ich konnte nie absehen, was mich erwarten würde. Ich wusste, ich war eine von ihnen, aber ich wusste genauso: Ich gehörte nicht hierher. Und das erkannte man spätestens an meiner vorsichtigen Frage: »Was ist denn eigentlich los?« Man hätte ein Leichentuch zu Boden fallen hören, so still wurde es mit einem Mal. Alle starrten mich fassungslos an: Sven, der Schrat, die Weiße Frau, Karel, der Nachtkrapp, die beiden Feuerputze, deren Namen ich nicht mal aussprechen konnte, und all die anderen. »Es ist Allerheiligen!«, schmetterten sie voller Freude. »Ihr scheint euch darüber ja noch mehr zu freuen als ein Kind auf Weihnachten«, wunderte ich mich. »Das ist schließlich ein Gedenktag für die Toten, Blondie«, ächzte Zeno. Der hagere Typ hing kopfüber an der im Türrahmen zum Wintergarten montierten Turnstange und trainierte energisch seine Bauchmuskeln. Ausnahmsweise ignorierte ich den saudummen Spitznamen. »Weiß ich doch, aber was haben wir davon, wenn die Lebenden ein paar Kerzen für uns anzünden?« Adele, die den Raum mit Girlanden und Zierkürbissen dekorierte, drehte sich zu mir. »Das kannst du natürlich nicht wissen, es ist ja dein erstes Allerheiligen bei uns.« Die junge Frau mit den kinnlangen dunklen Locken setzte sich neben mich. »Heute heben sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang die Schleier zwischen den Welten und wir dürfen passieren.« Aufregung flatterte in meinem Bauch. »Wohin passieren?« »Zu den Lebenden.« Mein Herz trommelte los. Hinüber! Arvid! Die Erinnerung an seine leuchtend blauen Augen ließ auch mich innerlich leuchten. Okay, ich wusste, was ich drüben wollte, aber … »Was habt ihr in der Welt der Lebenden vor?« Adele drehte einen Kürbis in der Hand hin und her. »Im Krieg tauschte ich meine Seele bei einem magischen Pfandleiher gegen einen Schutzzauber für meinen Verlobten Oswald, doch ich starb, ohne sie auslösen zu können.« »Und heute suchst du Oswald?« »Ich suche meine Seele«, versetzte sie, »Jahr für Jahr. Oswald lebt glücklich und dement im Pflegeheim am Westpark.« Tränen schwammen in ihren dunklen Augen. »Ich kann nicht glauben, dass du keine Seele hast«, rutschte mir heraus. »Ich bin seelenlos, nicht emotionslos. Verwechsle das nicht.« Sie zog die Nase hoch und erhob sich entschlossen. »Die Seele ist nur der Passierschein. Aber den brauche ich nun mal.« »Ich brauche keinen Passierschein«, behauptete Zeno. Mit einem gewagten Salto sprang er auf den Boden, fischte aus dem Arzneimittelschränkchen eine Tube Sunblocker und begann sich überaus sorgfältig einzureiben. »Ich möchte mich heute einfach nur betrinken.« »Mit Blut?« »Mit nichts anderem.« Hier im Jenseits aßen und tranken wir nicht; Zeno bildete da keine Ausnahme. »Allein die Vorfreude lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Das perfekte Rot! Die zarte Eisennote! Der herbe Abgang!« Zeno verdrehte schwärmerisch die Augen und setzte sich einen schwarzen Fedora auf seine Glatze. Eine verspiegelte Sonnenbrille und ein Trenchcoat komplettierten das Outfit. »Vielleicht möchtest du herausfinden, was dich hier hält«, schlug Adele behutsam vor. »Wenn ich es herausfinde, darf ich in den Himmel weiterziehen?«, hakte ich nach. Als ob ich nicht wüsste, warum ich noch hier war. »Korrekt.« »Oder in die Hölle«, warf Zeno ein. »Kommt darauf an, wie du dein Leben geführt hast.« Also, wenn es danach ging, würde ich sicher in den Himmel kommen. Alle Pflegeeltern hatten mich geliebt, das höfliche, ordentliche Mädchen mit dem weißblonden Pferdeschwanz. Im Gegensatz zu einigen anderen Kindern aus dem Waisenhaus war ich nicht wieder »retourniert« worden, sondern aus den Familien abgehauen und freiwillig ins Heim zurückgekehrt. Zu Arvid. »Nimm es nicht zu schwer, wenn du ihn nicht findest«, raunte mir Ophelia zu. Woher wusste sie bloß, wen ich suchte? Sie lächelte nur und klopfte mir auf die Schulter. Was als freundschaftlich-sachte Berührung gedacht war, riss mich in ihrer Wucht fast von den Füßen. »Es ist gleich soweit«, bemerkte Zeno. Die Morgensonne kündigte ihren Auftritt an, das Dunkelgrau der Nachbarhäuser hob sich mehr und mehr vom verschwommenen Hellgrau der Umgebung ab. »Dann auf zum Portal«, trieb uns Ophelia an. »Habt ihr eure Anker?« Die anderen bejahten, zückten Taschenuhren, wedelten mit Sonnenbrille und Kapotthut. Ich hingegen blickte, wie so oft, verständnislos in die Runde. »Nimm einfach den hier.« Ophelia warf mir einen warzigen Zierkürbis vom Küchentisch zu. Aus Reflex fing ich das orange Gemüse auf und starrte es verdutzt an. »Mit einem Gegenstand aus dem Jenseits kannst du zurückkommen und steckst nicht drüben fest.« In der Welt der Lebenden feststecken?! Wer sollte schon sowas wollen … Ich grinste. »Das ist kein Spaß«, belehrte mich Adele. »Du bist körperlos und kannst dich nicht verständlich machen.« »Du wirst erst einsam, dann verrückt und endest als irrer, gejagter Poltergeist«, setzte Zeno hinzu. »Denk nicht mal dran, Blondie.« »Nicht im Traum«, gab ich, hoffentlich hinreichend schockiert, zurück und stopfte den Kürbis in meine Umhängetasche. Arvid würde mich nicht übersehen. Ich würde ihn finden, ihm zeigen, dass meine Liebe dem Tod mühelos standhielt und dann würde ich endlich meinen allerersten Kuss von ihm bekommen. Hoffentlich. »Das ist das Portal?«, fragte ich ungläubig. »Das ist ein Portal. Es gibt viele!«, präzisierte Zeno. »Es ist irgendwie… unspektakulär.« »Es ist unauffällig«, widersprach Adele. »Die Lebenden kommen mit Magie und Tod nicht besonders gut zurecht.« Im fahlen Licht des jenseitigen Morgengrauens waren wir, wie eine Vielzahl anderer Geister, Dämonen, Hexen und Vampire, beschwingt durch das Viertel marschiert und standen jetzt in der Warteschlange vor einem Matratzengeschäft an. »Glaub mir, Blondie, es ist die perfekte Tarnung. Hast du dich denn nie gewundert, dass es fast an jeder größeren Kreuzung der Stadt einen Matratzenladen gibt? Wer soll denn all das Zeug kaufen?« Zügig ging es voran. Nach zehn Minuten stand ich vor dem Spiegel, der die rückwärtige Wand des Verkaufsraumes einnahm. Hätte ich nicht den Übertritt der Passanten vor mir beobachtet, hätte ich gezögert. So jedoch tat ich es ihnen gleich und glitt durch die silberne Oberfläche – ein Summen, ein Vibrieren, ein Prickeln auf der Haut wie von tausend winzigen Stromschlägen … … und ich kam drüben an. Dass das Jenseits rein optisch nur eine gespiegelte Version des Diesseits darstellte, ich also in einem seitenverkehrten Matratzengeschäft ankam, hatte ich vorausgesehen. Die plötzliche Schärfe und grellen Farben jedoch ließen mich zusammenzucken. Jemand rempelte mich von hinten an. »Weitergehen, Blondie.« »Ich dachte, ich wäre unsichtbar. Unberührbar.« »Bistduauch. «Zenorückte seine Sonnenbrille zurecht. Ich konntemeine Reflexion in den Gläsernsehen.»Nurfürdichundunsnicht. Die Lebenden können dich weder anfassen noch sehen.« »Und dich?« »Ich bin kein Geist. Ich habe zwar eine ausgeprägte Sonnenallergie und kein Spiegelbild, aber ansonsten bin ich hundertprozentig aus...



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