E-Book, Deutsch, Band 3, 596 Seiten
Reihe: Die Herren des Schakals
Bicker Usir
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96741-135-5
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Herren des Schakals
E-Book, Deutsch, Band 3, 596 Seiten
Reihe: Die Herren des Schakals
ISBN: 978-3-96741-135-5
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
München, 1891. Seit seinem Versuch, Anubis zu beschwören, liegt Bernhard Junker in katatonischer Starre. Jetzt, zwei Jahre später, erwacht er und verübt grausige Bluttaten. Rosa und ihr Mann Paul versammeln in München die Gemeinschaft, die schon Junkers Beschwörung verhindert hat: Daisy und Maresh reisen aus London an, Carl Wilhelmi von seinen Ausgrabungen in Ägypten, Franz Gattenbrink aus seiner Praxis. Gemeinsam begeben sie sich auf Junkers blutige Spur, um ihn aufzuhalten. Ihre Suche führt sie bis nach Kampanien, zu altrömischen Dichtern und hinein in die ägyptische und griechisch-römische Mythologie.
Roxane Bicker wurde 1976 in Kassel geboren. Nach dem Studium der Ägyptologie, Koptologie und Ur- und Frühgeschichte arbeitet sie seit 2005 als Museumspädagogin im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst und lebt mit Mann, Sohn und Katze in München. Neben der Geschichte hegt sie auch eine Leidenschaft für die Astronomie, den Weltraum und die Sterne.
Autoren/Hrsg.
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4 Rosa Kury Sankt Bonifaz Die Basilika von Sankt Bonifaz lag auf der rückwärtigen Seite des Königsplatzes an der Karlstraße, Rücken an Rücken mit dem Kunstausstellungsgebäude. An die Kirche schloss sich ein Benediktinerkloster an. Eines der wenigen, die innerhalb der Stadtmauern angesiedelt waren. Ein gutes Dutzend Mönche lebten hier unter der Ägide des Abtes Benedikt Zenetti. So wie auch die anderen Gebäude rund um den Königsplatz gehörten Kirche und Kloster zu den Bauten Ludwigs I. Erst 1850 erhielt Sankt Bonifaz die Weihe – eine der jüngeren Kirchen Münchens. In weiser Voraussicht hatte Zacharias Bentner eine Kalesche geordert, die Rosa in kurzer Zeit hinüber bringen würde. Er selbst verabschiedete sich und schwang sich auf sein Pferd. Rosa Bescheid zu geben war nur einer seiner Aufträge gewesen. Als Rosa aus der Kalesche stieg und über die Straße eilte, sah sie eine bekannte Gestalt vor dem Tor zur Abtei stehen. Den Mantelkragen hochgeschlagen gegen den Wind, den Hut tief ins Gesicht gedrückt, wartete Doktor Franz Gattenbrink auf sie. Er nickte ihr kurz grüßend zu, behielt jedoch die Hände in den Taschen. Auch wenn der Arzt sich ihr gegenüber immer recht zurückhaltend verhielt, so war sein höfliches Verhalten stets tadellos gewesen. Warum zeigte er sich heute so verschlossen? »Franz!«, rief sie, als sie näherkam. »Paul hat auch dich herbestellt? Das verheißt nichts Gutes.« »In der Tat. Rosa, es tut mir leid. Ich befürchte Schlimmes.« »Was meinst du damit, Franz? Was tut dir leid?« Doch der Doktor antwortete nicht. Er senkte den Kopf und öffnete ein unscheinbares Tor in der Umfassungsmauer des Klosters. Rosa folgte ihm eiligen Schrittes. Innerhalb der Mauern hielt der Wind inne. Als sich das Tor hinter ihnen schloss, verstummten auch die Geräusche der Straße und eine fast heilige Stille umgab sie. »Du hast dich rar gemacht in letzter Zeit.« Franz nickte und schob die Hände wieder in die Taschen seines Mantels. »Ich weiß, und es tut mir leid. Es gab viel zu tun.« »Unsere Einladung für Weihnachten steht. Wir hoffen, dass Carl und du die Feiertage bei uns verbringt. Daisy und Maresh kommen mit dem Nachwuchs und auch Viktoria wird die Gesellschaft gut tun.« Franz warf ihr über die Schulter einen verschämten Blick zu, während sie über den Hof schritten. »Alle endlich wieder einmal versammelt. Du hast recht, wir sehen uns viel zu wenig in letzter Zeit. Über Weihnachten habe ich mit Paul bereits gesprochen und ihm zugesagt. Carl kommt in der Woche Mitte Dezember, dann stehen wir euch zur Verfügung.« »Er fehlt dir.« Der Doktor blieb stehen, zog sich den Hut vom Kopf und hielt Rosa die Tür auf, die ins Kloster selbst hineinführte. »Wie würde es dir gehen, wenn dein Mann monatelang fort wäre?« Sie schlüpfte hinein, Franz schloss leise die Tür hinter ihnen. Sie standen in einer kleinen Empfangshalle. Gegenüber führte ein weiteres Tor in den Klosterhof. Eine Kuppeldecke, die auf vier Säulen ruhte, erstreckte sich dicht über ihren Köpfen. Im Innern der Halle war es dunkel, nur wenige Lampen erhellten die schlichten Gänge. Es roch nach Ruhe, nach Zeit und etwas Weihrauch. Zielstrebig trat Franz durch eine weitere Tür zu ihrer Linken, die in ein Treppenhaus und das eigentliche Klostergebäude führte. »Du scheinst dich hier auszukennen.« Franz zuckte mit den Schultern. »Ich kam in den vergangenen zwei Jahren öfter her, als mir lieb ist.« Paul wartete am oberen Ende der Treppe auf sie. Er sah blass aus, die Lippen waren zu dünnen Strichen zusammengepresst. Seinen Helm hielt er locker in der Hand, die obersten Knöpfe des Waffenrocks hatte er geöffnet. Er warf Rosa nur einen kurzen Blick zu, ein kaum erkennbares Lächeln huschte ihm über die Lippen. Dann wandten sich seine blauen Augen Franz zu. »Du hättest es mir sagen müssen. Ich hätte auf ihn Acht geben können.« »Es tut mir leid. Mir erschien es so das beste Arrangement. Und es ist zweieinhalb Jahre gut gegangen. Ich habe nicht mehr damit gerechnet ….« »Von wem sprecht ihr?«, unterbrach Rosa die beiden. »Paul, worum geht es und warum wolltest du mich hier haben?« Ihr Mann legte den Helm auf den Boden, schob ihn mit dem Fuß ein Stück beiseite und fuhr sich dann seufzend durch die blonden Haare, so dass sie in alle Richtungen abstanden. Er streckte die Hand aus und zog Rosa an sich. Sein Waffenrock roch nach Schweiß und Rauch, nach Dreck und Straße. Erschöpft sank sein Kopf auf ihre Schulter. Kurz nur, kurz schlossen sich seine Arme um sie, dann ließ er sie wieder los und trat einen Schritt zurück. Rosa verstand, wie Franz sich fühlen musste. Wie würde es ihr fehlen, jede Nacht neben Paul einzuschlafen, jeden Morgen sein Gesicht neben sich zu sehen. Seine Umarmungen, sein Geruch, einfach, dass er da war und ihr den Halt und die Beständigkeit im Leben gab, die sie so dringend brauchte. Sie mochte sich nicht vorstellen, was es hieß, wenn er über Monate hinweg nicht greifbar wäre. »Ich habe dich hierher gebeten, weil dieser Fall uns alle betrifft. Franz, vielleicht solltest du es ihr mitteilen.« Ein harscher Unterton hatte sich in seine Stimme gemischt. Franz senkte den Kopf und drehte den Hut in den Händen. Er sah nicht auf, als er zu sprechen begann. »Als uns die Suche nach der Anubismaske vor zweieinhalb Jahren in die Lenbachvilla führte und wir dort das Ritual störten, nun, ihr wisst, was geschah. Ihr wart dabei, ihr habt es gesehen. Daisy, Anubis, was auch immer geschehen ist, es hat Bernhard Junker in einem katatonischen Zustand zurückgelassen.« Er strich sich die dunklen Haare zurück und begann, auf dem kleinen Treppenabsatz hin und her zu wandern. »Er reagierte auf keine Reize. War nicht ansprechbar, nichts, aber er lebte. Was auch immer er getan hat, ich sah es als meine ärztliche Verpflichtung, ihn nicht sich selbst und damit dem sicheren Tod zu überlassen. Jemand musste sich um ihn kümmern, ihn versorgen und ihn gleichzeitig beaufsichtigen und mich verständigen, sobald es …«, er blieb kurz stehen und seine Augen huschten zu der geschlossenen Tür hinter Paul, » … sobald es irgendwelche Veränderungen in seinem Zustand geben würde. Ich habe euch damals gesagt, ich hätte ihn an einem sicheren Ort untergebracht. Nun, dieser Ort war hier. Ich habe Bernhard Junker in die Obhut der Mönche gegeben, die sich in den letzten zwei Jahren um ihn gekümmert haben. Ich selbst kam regelmäßig her und habe ihn untersucht. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass so etwas geschehen könnte. Keine.« Rosa hatte schweigend zugehört. »Bernhard Junker«, sagte sie nun. »Hier. Du hast ihn hier direkt vor unseren Nasen untergebracht?« »Was hätte ich denn tun sollen, Rosa? Es musste in jener Nacht schnell gehen. Ich wollte ihn in keine öffentliche Einrichtung stecken. Hier bekam ich jederzeit Zugang zu ihm und konnte auf die Verschwiegenheit der Brüder setzen.« »Und was ist jetzt passiert?« Rosa sah Paul an, der den Kopf senkte. »Er ist aufgewacht«, sagte Franz. »Wenn es nur das wäre«, ergänzte Paul. Paul hob den Helm vom Boden auf und befestigte ihn an seinem Koppelgürtel. Dann öffnete er die Tür, die auf einen weiteren, im Gegensatz zum unteren Stockwerk deutlich heller erleuchteten Gang führte. Einer von Pauls Gendarmen stand neben der Tür Wache, einen zweiten konnte Rosa ein Stück den Gang entlang ausmachen. Als sie durch die Tür traten, straffte sich der Gendarm und ein alter Mann erhob sich von einem Stuhl. Er trug die traditionelle schwarze Kutte der Benediktinermönche. Ein schweres Goldkreuz hing um seinen Hals. Trotz der fortgeschrittenen Jahre war sein Haar noch dunkel. »Doktor Gattenbrink«, sprach er Franz an, als er auf sie zutrat und seine Hand ausstreckte. »Vater Abt.« Der Doktor ergriff die dargebotene Hand und senkte den Kopf. »Es tut mir leid, dass meine Taten solches Unglück über Ihr Haus brachten.« »Gottes Wege sind unergründlich. Ich weiß, dass Sie nur in bester Absicht gehandelt haben.« Er drückte nochmals Franz’ Hand und wandte sich dann Rosa zu. »Frau Kury. Ihr Mann hat Sie bereits angekündigt. Ich freue mich, dass Sie kommen konnten, auch wenn ich mir ein Kennenlernen unter erfreulicheren Umständen gewünscht hätte. Mein Name ist Benedikt Zenetti, ich bin der Abt dieses Klosters, wie Sie sicher schon erkannt haben.« Rosa ergriff die Hand des alten Mannes, der die ihre mit festem Druck schüttelte. »Vater Abt. Die Umstände scheinen in der Tat unerfreulich zu sein, auch wenn ich immer noch nicht genau darüber im Bilde bin, was passiert ist. Sie haben Bernhard Junker Unterkunft und Pflege angedeihen lassen. Nun ist er unerwarteterweise erwacht, und ...?« Sie sah vom Abt zu Paul und hob die Augenbrauen in die Höhe. Paul zog sie an sich und murmelte ihr leise ins Ohr. »Ich muss dich vorwarnen. Es ist kein schöner Anblick. Ich weiß, dass du es ertragen kannst. Du bist im Laufe der Jahre oft genug dem Tod begegnet. Trotzdem, bitte wappne dich.« Und nun wurde Rosa der Geruch bewusst, der ihr schon die ganze Zeit in die Nase gestiegen war. Die Ausdünstung eines Schlachtfeldes. Paul führte sie zu der Tür, wo der zweite Gendarm stand. Der Abt ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder, faltete die Hände und wartete geduldig. Der Geruch wurde stärker, je näher sie der Tür kamen. Sie unterschied sich in nichts von den...