Blazon | FAYRA - Das Herz der Phönixtochter | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Blazon FAYRA - Das Herz der Phönixtochter

Atmosphärisch dichte Fantasy
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-19700-1
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Atmosphärisch dichte Fantasy

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

ISBN: 978-3-641-19700-1
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Erbe der Phönixdrachen

Die 12-jährige Anna-Fee hat mit ihren Eltern vor Kurzem eine schicke Wohnung in einem alten Herrenhaus bezogen. Im verwunschenen Garten des Anwesens begegnet sie nach einer Sturmnacht einem rätselhaften Mädchen. Fayra wurde von einem durchtriebenen Jäger aus einer Parallelwelt hierher gelockt, denn als Tochter eines von Phönixdrachen abstammenden Königs besitzt sie begehrte magische Kräfte. In einem Wettlauf gegen die Zeit suchen die Mädchen nach einem Feuertor, das Fayra wieder nach Hause und in Sicherheit bringt …
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1

Diesmal war es nicht ihr üblicher Albtraum, nein, in dieser Nacht wurde Fee von Gespenstern heimgesucht. Sie beugten sich über ihr Bett und gaben ein lang gezogenes Klagen von sich. Etwas Kaltes strich über Fees Stirn, zauste ihr Haar und zupfte an ihrer Decke. Sie fuhr aus dem Schlaf hoch. Nach Luft schnappend saß sie im Bett und lauschte, die Finger in die Decke gekrallt. Nur ein Traum, beruhigte sie sich. Niemand ist hier! Aber komischerweise hörte sie immer noch diesen klagenden Ton. Und als sie zum Fenster spähte – ein mondwolkenfahles Rechteck in der Nacht – erahnte sie hinter Regenschlieren ein weißes Gesicht, das ins Zimmer blickte. Fee warf sich im Bett herum, schlug nach dem Lichtschalter an der Wand – und griff ins Leere. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel kopfüber aus dem Bett. Schmerzhaft hart landete sie auf dem Boden. Irgendwo in ihrem Hinterkopf nahm sie trotz ihrer Verwirrung wahr, dass sie nicht auf dem Teppich, sondern auf Holzdielen lag. Das ist nicht mein Zimmer, schoss es ihr durch den Kopf. Wo bin ich? Ein Donnerschlag ließ ihr Herz stolpern. Heulen und Fauchen fegte durch das Zimmer. Und als ein Blitz den Raum erhellte, sah Fee das Gespenst mit schrecklicher Deutlichkeit: flatternde Arme, die sich nach ihr ausstreckten. Fee schrie auf und ergriff die Flucht. Einige Augenblicke wusste sie nicht mehr, wo oben und unten war, sie spürte nur Holz an Händen und Knien. Beim nächsten Donnerschlag fand sie sich zu einer Kugel zusammengerollt in einer Art Höhle wieder. Ich liege auf dem Boden, dachte sie. Aber wo genau bin ich jetzt? Unter ihr bebten plötzlich die Dielen von Schritten. Es klapperte, dann war das Heulen und Fauchen wie abgeschnitten. Nur das Klagen der Gespenster hallte noch leise nach. Deckenlicht flutete die Dielen. Nun wäre Fee vor Scham am liebsten in den Boden versunken. Jetzt war klar, wohin sie in ihrer Panik geflüchtet war. Sie starrte direkt auf einen von vier metallenen Löwenfüßen, die das Bett trugen. Und nun entdeckte sie vor sich auch den mit Spitzen verzierten Saum eines Nachtkleides und zwei bloße Füße.

»Anna-Fee?« Fee schluckte. Wenn ihre Mutter sie mit ihrem ganzen Namen ansprach, war sie wirklich besorgt. »Wo bist du?«

»Ähm, hier unten!« Fee versuchte möglichst würdevoll unter dem Bett hervorzukriechen, schlug sich dabei aber auch noch den Kopf am Bettrahmen an. Na toll, dachte sie. Das war das Peinliche an ihrer Schreckhaftigkeit: Andere Leute machten vielleicht einen Satz zur Seite oder schrien einmal kurz auf. Und auch bei Gefahr gab es bei ihnen ziemlich viele Möglichkeiten zwischen »Kurz mal zusammenzucken« und »Kopflos hinter die nächste Hecke hechten«. Bei Fee dagegen gab es nur hundert oder null. Und hundert passierte einfach so, als würde jemand das Licht in ihrem Kopf ausknipsen, um sie dann innerhalb von Sekunden in Sicherheit zu bringen. Meistens an reichlich schräge Orte.

Ihre Mutter kniete sich hin und spähte unter das Bett. »Was machst du denn da unten, Liebes?« Fee wurde rot bis über die Ohren. Verlegen stand sie auf und suchte fieberhaft nach einer Erklärung. Aber sollte sie jetzt im Ernst behaupten, dass sie mitten in der Nacht irgendetwas unter ihrem Bett verloren hatte?

»Du hast geschrien«, fuhr ihre Mutter mit diesem viel zu sanften, besorgten Singsang fort, der Fee wieder mal vor Augen führte, was für ein Freak sie war. Beim Blick zum Fenster kam sie sich noch viel alberner vor. Natürlich war da kein Gesicht gewesen, höchstens ein Muster aus Regentropfen. Das Heulen war einfach nur der Wind. Draußen tobte nämlich ein Sommergewitter. Eine Bö hatte das Fenster aufgedrückt, das Gespenst bestand aus weißen Vorhängen, die der Sturmwind zum Flattern gebracht hatte. Und natürlich lag Fee nicht in ihrem alten Zimmer. Das hier war ihr neues Zuhause, in das sie mit ihren Eltern erst vor einer Woche eingezogen war. Ihr neues Bett, das ihre Mutter in einem Antiquitätengeschäft aufgestöbert hatte, stand hier nicht an der Wand, sondern ragte ins Zimmer. Deshalb gab es hier auch keinen Lichtschalter direkt am Bett an der Wand. Hier stand in Greifweite nur eine Nachttischlampe, die auf einer Umzugskiste thronte.

Das Einzige, was immer noch an den Albtraum erinnerte, war das verhallende Klagen. Aber auch dafür gab es eine logische Erklärung: Fees Gitarre war umgefallen. Einer der wehenden Vorhänge hatte das Instrument samt Gitarrenständer umgerissen. Die Saiten schwangen immer noch nach, als würde die Gitarre nach diesem Sturz wehleidig vor sich hinseufzen. Auf dem Holz glänzten ein paar Regentropfen. »Oh nein!« Fee hechtete zum Fenster. Wie immer, wenn sie ihr Instrument in den Händen hielt, fühlte sie sich sofort besser. Doch während sie die Tropfen abwischte, merkte sie, dass ihre Hände immer noch zitterten.

»War es wieder dieser Albtraum?« Ihre Mutter sank auf den Rand des altmodischen Betts. Und natürlich streifte ihr Blick nun über Fees vernarbte rechte Hand. Fee stellte die Gitarre hastig ab, verschränkte die Arme und verbarg die Fäuste in den Achselhöhlen.

»Nein!«, erwiderte sie mit fester Stimme. Das war ja eindeutig nicht gelogen. Schließlich war es nicht dieser Albtraum gewesen.

»Warum hast du dann geschrien?«, bohrte ihre Mutter weiter. »Du hast dich doch noch nie vor Gewitter gefürchtet.«

»Ich … ähm … bin im Schlaf aus dem Bett gefallen.«

Logisch. Dabei brüllt ja bekanntlich jeder los wie ein geschubstes Schaf. Tolle Ausrede, Fee.

Prompt runzelte ihre Mutter zweifelnd die Stirn. Mit einem Mal hatte Fee genug von diesem schrecklichen alten Haus, genug von ihrem neuen Zimmer und dreimal genug von diesen ewigen besorgten Blicken.

»Ist das hier ein Verhör?«, schnappte sie. »Mann, der Sturz aus diesem blöden Monsterbett hat richtig wehgetan!«

Sofort tat ihr der Ausdruck blödes Monsterbett leid. Denn ihre Mutter wirkte nun ehrlich bestürzt. »Ich dachte, du hast dich darüber gefreut? Die Löwenfüße und die Rosenschnitzereien fandest du doch schön?«

Fee seufzte. Ja, das Bett war schon etwas Besonderes – und außerdem war es Mamas Geschenk gewesen, das ihr den viel zu schnellen Umzug verschönern sollte. Ihre Freundin Nelly würde morgen bestimmt vor Begeisterung ausflippen. Mit den geschnitzten Rosenranken am Kopfteil war es ein perfektes Prinzessinnenbett. Nur dass Fee alles andere als eine Prinzessin war und sich auch sonst in der altertümlichen Wohnung fehl am Platz fühlte – so, als hätte sie sich auf einer unfreiwilligen Zeitreise in ein früheres Jahrhundert verirrt. Ihre Mutter aber schien genau das vorzuhaben. Ihr langes hellbraunes Haar fiel ihr offen auf das mit Spitzen besetzte Nachtkleid. Auch dieses Kleid hatte sie auf einem Antiquitätenmarkt erstanden. Vor hundert Jahren mochte es einer feinen Bürgerfrau gehört haben. Fees Mutter sah darin aus wie die Königin aus einem Märchenfilm. Oder wie ein Gespenst, dachte Fee. Die weiße Frau, die im alten Herrenhaus herumgeistert.

»Doch, klar mag ich das Bett«, murmelte Fee. »Es ist nur … alles noch so ungewohnt hier.« Das war eine sehr höfliche Umschreibung für: Wir wohnen jetzt in einem alten staubigen Spukschloss und du läufst neuerdings als Gräfin verkleidet herum. Diese »neue« Mutter, die plötzlich antike Nachthemden trug, wie wild alte Möbel kaufte und sich nur noch für dieses Haus interessierte, erschien ihr auch heute wieder fremd.

Draußen schwoll das Heulen des Windes zu einem orkanartigen Brüllen an. Die alten Fenster waren so undicht, dass ein Luftzug durch die Ritzen gepresst wurde. Ein kalter Hauch wie eine Mahnung, dass da draußen doch etwas war, was fauchen und atmen konnte. Und Fee bildete sich ein, dass die Fensterscheiben sich leicht nach innen wölbten, als wären sie nur eine seifenblasendünne Haut zwischen den Menschen im Haus und dem tobenden Himmel. Man konnte sogar durch die geschlossenen Fenster die Bäume im Park auf der Rückseite des Hauses ächzen und rauschen hören.

»Willst du heute Nacht lieber bei uns schlafen?«, fragte Fees Mutter.

Fee schoss das Blut in die Wangen. »Natürlich nicht!«, brach es heftiger als beabsichtigt aus ihr heraus. »Das ist doch nur ein Gewitter. Und außerdem: Ich bin fast dreizehn Jahre alt, nicht fünf.«

»Schon gut, schon gut!« Ihre Mutter lächelte und stand auf. »So habe ich es doch nicht gemeint, meine Große. Dann schlaf gut und lass dich nicht von den Wanzen beißen.«

Wenn es nur Wanzen wären. Fee seufzte. »Gute Nacht«, sagte sie freundlicher.

Sie wollte wieder ins Bett kriechen, aber ihre Mutter zog sie ohne Vorwarnung blitzschnell in eine Umarmung. »Erwischt!«, rief sie mit einem verschmitzten Lachen. »Mama-Attacke aus dem Hinterhalt. Dafür ist man nie zu alt!« Sie drückte Fee einen Kuss auf die Stirn. »Und dafür auch nicht!« Damit gab sie Fee auch noch einen Kuss auf die Nase.

Nun musste Fee doch lachen. Das war wieder ganz ihre Mutter, die sie kannte, nicht die verkleidete Gräfin. Und für einige Momente schmiegte sie sich fest in ihre Arme. Natürlich hätte sie es niemals zugegeben, aber insgeheim hätte sie nichts lieber getan, als in dieser Umarmung zu bleiben – am liebsten so lange, bis die Morgensonne durchs Fenster schien.

Aber sie kroch tapfer wieder in das große Bett zurück. Es knarrte unwillig, als sei es ein hölzernes Wesen, dessen Schlaf Fee störte, indem sie mitten in der...


Raidt, Gerda
Gerda Raidt, 1975 in Berlin geboren, hat an der Burg Giebichenstein Halle und der HGB Leipzig studiert. Sie arbeitet als freie Illustratorin in Leipzig und hat zahlreiche Bücher für verschiedene Verlage illustriert, darunter auch die große Neuausgabe der 22 Original-Fünf-Freunde-Bände.

Blazon, Nina
Nina Blazon, geboren in Koper bei Triest, las schon als Jugendliche mit Begeisterung Fantasy-Literatur. Selbst zu schreiben begann sie während ihres Germanistik-Studiums. Ihr erster Fantasy-Jugendroman wurde mit dem Wolfgang-Hohlbein-Preis und dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Seither haben Nina Blazons Bücher zahlreiche Preise erhalten, darunter 2016 den Seraph für »Der Winter der schwarzen Rosen«. Die erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchautorin lebt in Stuttgart.



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