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E-Book, Deutsch, 624 Seiten

Bleif Das Tier in uns

Die biologischen Wurzeln der Menschlichkeit
Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes.
ISBN: 978-3-608-11655-7
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die biologischen Wurzeln der Menschlichkeit

E-Book, Deutsch, 624 Seiten

ISBN: 978-3-608-11655-7
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das menschliche Leben jenseits von Populismus, Ideologie und Rassismus verstehen Auch Menschen sind nur Tiere. Unsere Persönlichkeiten sind daher zutiefst mit unseren Körpern verbunden. Menschen neigen aber dazu, die Biologie des Körpers mit ideologischen Vorstellungen von Rasse, Sex und Vererbung zu überfrachten. Mitreißend zählt Martin Bleif all das auf, was wir wissen sollten, um über die Biologie des Menschen sachlich und ideologiefrei mitreden zu können. Mythen von Volk und Rasse, Sex und Gender, Vererbung oder Erziehung, die Versuche im »Dritten Reich«, Menschen zu züchten, oder die Selbstoptimierungsphantasien in Leistungsgesellschaften belegen, dass wir Menschen das Verhältnis zu unserem Körper klären müssen. Martin Bleif schildert erhellend und mit ansteckender Entdeckerfreude das Wunder unserer körperlichen und neurologischen Grundausstattung. In seinem fulminanten Werk veranschaulicht er, ausgehend von der menschlichen Evolution, die Funktion und Bedeutung menschlicher Gene und Zellen bis hin zur neurologischen Architektur des Gehirns. Sachlich und ideologiefrei vermittelt er die neuesten Erkenntnisse darüber, was die Biologie über den menschlichen Körper tatsächlich weiß. Wieder geraten wir ins Staunen über unsere überwältigenden Fähigkeiten, die emotionalen wie intellektuellen, ohne den Menschen erneut eine Sonderstellung in der Ordnung der Natur - etwa als Krone der Schöpfung - anzumaßen.

Martin Bleif, geboren 1964, studierte Medizin und war Leitender Oberarzt sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor an der Klinik für Radioonkologie der Universität Tübingen. Als Facharzt für Strahlentherapie ist er seit 2012 Leitender Arzt an der Klinik für Radioonkologie in den Alb-Fils-Kliniken in Göppingen und arbeitet mit dem gesamten Spektrum der radioonkologischen Krebstherapie. Seine Frau Imogen, bei der 2008 Brustkrebs diagnostiziert wurde, starb am 15. März 2010 in Tübingen.
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Die Welt als ein mehrgeschossiges Gebäude


Black lives matter! In den USA stirbt – wieder einmal – ein Afroamerikaner durch die Hand eines Polizisten. Wenige Tage später brennt es in den Städten, als wären die Rassenunruhen der 1960er Jahre gestern gewesen. Das halbe Jahrhundert dazwischen, inklusive eines schwarzen Präsidenten Obama, scheint vergessen zu sein. Wenige Tage später werden in Hongkong Menschen verhaftet, weil sie die Formel »ein Land, zwei Systeme« ernst nehmen. Die Volksrepublik China, die größte Volkswirtschaft der Erde, lässt wenig Zweifel daran, dass sie keine Absicht hat, das gebeutelte Hongkong am Wesen von »System Zwei«, der Demokratie westlichen Zuschnitts, wieder genesen zu lassen.

Weiter westlich, in Afghanistan, greifen mittelalterlich anmutende Religionsschüler unverhohlen nach der Macht: Nationbuilding, Säkularisierung, Frauenrechte perdu! Überhaupt, die Religionen! In vielen islamischen Ländern haben Demokratien keinen guten Ruf; Autoritarismus und Theokratie dagegen stehen hoch im Kurs. Selbst in Europa spült eine (Rück-)Besinnung auf »nationale Werte« Politiker in die Parlamente, denen die Spielregeln einer »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« wenig oder gar nichts bedeuten, damit aber unsere Demokratien infrage stellen und dies auch unumwunden zugeben. Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie haben auch in Europa Konjunktur. Gleichzeitig stellen seltsam diffuse »postkapitalistische« Blütenträume die Systemfrage von der anderen Seite des politischen Spektrums.

Schnitt! Dreißig Jahre zuvor sah die Welt ganz anders aus. Damals schrieb der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama (*1952) sein Buch: Das Ende der Geschichte.[1] Das »Ende« war nicht im Mindesten apokalyptisch gemeint – im Gegenteil. Fukuyama vertrat die Ansicht, dass nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes der Streit der Ideologien ein für alle Mal beendet und Politik von nun an eine angenehm technokratische Angelegenheit sei, bei der sich Politiker vorurteilslos um die Lösung praktischer Menschheitsprobleme kümmern könnten.

Nun, die Jahre nach dem Fall der Mauer sind beinahe entgegengesetzt verlaufen. Warum nur? Wieso fällt es uns so schwer, die Kunst der vernünftigen »Regelung des Gemeinwesens« vom Mehltau der Vorurteile und der Ressentiments zu befreien? Dazu gäbe es unendlich viel zu sagen. Aber wenn wir mit besonders eklatanten Rückfällen in Egoismen oder gar in atavistische Brutalität konfrontiert sind, wird das Bild vom »Tier im Menschen« bemüht, als ob dieses »Tier« – unsere Natur – etwas ist, das uns nachhängt wie ein Schleppanker, der die Menschheit auf ewig hindern wird, wirklich human und mitmenschlich zu sein.

Hier kommt die Biologie ins Spiel, die für Natur und für Tiere zuständig ist. Für Menschen auch? »In der Politik geht es letztendlich«, schrieb vor einigen Jahren der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman, »um die Wünsche und das Wohl der Menschen. In jede politische Frage fließen bestimmte Annahmen über die menschliche Natur ein«.[2]

Um diese Frage geht es in diesem Buch: Kann die moderne Biologie etwas zum Streit über die Natur des Menschen beitragen? Die Vorstellung, wie und was der Mensch sei, ist der Humus, in dem unsere politischen Weltbilder wurzeln. Unsere Weltbilder haben entscheidenden Anteil daran, ob wir Menschen uns eher für gut oder für böse, für egozentrisch oder für mitfühlend, für erziehbar oder determiniert, für »Kultur«- oder »Natur-Wesen« halten. Politik ist geleitet von expliziten und impliziten Urteilen und Hypothesen über die Natur des Menschen. Dabei stellt sich ein Problem: Diese Form von Wissen lässt sich nicht in Expertengremien auslagern. Spekulationen über den »Naturzustand« des Menschen gibt es, seitdem Menschen über sich nachdenken. Lange Zeit existierte kein empirischer Zugang zu diesen fundamentalen Fragen. Bis tief ins 19. Jahrhundert waren sie Domäne von Philosophie, Theologie und Staatskunde. Ohne eine durch Empirie auf die Realität zurückgespiegelte Theorie standen sich die unterschiedlichen Ansichten leider oft aggressiv bedrohlich, wütend, zornig, aber auch unentscheidbar gegenüber. Bis tief ins 19. Jahrhundert trugen die Naturwissenschaften zur Stellung des Menschen in der Natur und zur Frage nach der conditio humana wenig bei. Dies hat sich in den vergangenen 150 Jahren dramatisch geändert, und darauf versuche ich aufmerksam zu machen. Vielleicht kann die Biologie heute an einigen Stellen in die Rolle eines Schiedsrichters treten.

Bereits an dieser Stelle wird etliche Leser ein Gespenst erschrecken: Kirchen, Redaktionen, Feuilletons und Fakultäten rund um den Globus fürchten sich vor dem Gespenst des Biologismus! Ein Begriff, der zum Schimpfwort geworden ist. Daher werde ich im vorderen Teil der vier Kapitel des Buches den Versuch unternehmen, dieses »Gespenst« aus der Nähe zu betrachten. Biologismus ist keine Biologie. Dennoch – es steckt ein Tier in uns, aber im rechten Licht betrachtet ist dieses ›Menschentier‹ freundlicher, als viele glauben mögen.

Eine Welt in Stockwerken


Das Geheimnis des »rechten Lichts« liegt in der Perspektive, in der Kunst, sich zu bescheiden und die richtigen Fragen zu stellen. Naturwissenschaften – Biologie ist keine Ausnahme – nehmen keine universelle Perspektive ein. Ihr Erfolg beruht auf Zerlegung, Begrenzung, Reduktion. Die Wissenschaften blicken auf die Welt wie auf ein mehrgeschossiges Gebäude und betreiben Arbeitsteilung. Für jedes Stockwerk fühlt sich eine Disziplin zuständig. Trotz dieses »begrenzten Blickes« sollten Theorien über den Menschen nicht in Widerspruch zu dem geraten, was wir über seine Physik, Chemie oder Biologie wissen. Diese These belege ich im vorderen Teil der vier Kapitel des Buches. Um die Natur dieser Bedingtheit zu erklären, betrachte ich wie der Philosoph Nicolai Hartmann (1882–1950) in seiner Ontologie die materielle Welt als ein System »hierarchisch angeordneter Schichten«.[3] Ich habe mir erlaubt, Hartmanns Bild den Erfordernissen dieses Buches anzupassen:

Wir können uns demnach die Welt als ein Gebäude mit einem geheimnisvollen Keller und vier überirdischen Stockwerken vorstellen, wobei einige der Stockwerke in mehrere Untergeschosse unterteilt sind. Tief unter der Oberfläche der sichtbaren Welt, in dunklen und nicht vollständig erschlossenen Kellern, liegt der platonische Zoo der subatomaren »Teilchen«, regiert von den Gesetzen einer immer noch nicht wirklich verstandenen Physik.[4] Dagegen ist das Erdgeschoss recht ordentlich kartiert. Hier sind die Atome zuhause; sie konstituieren das »Material«, aus dem die Welt besteht. Den Grundriss dieses Geschosses entworfen und ihn gezeichnet hat der russische Chemiker Dimitri Iwanowitsch Mendelejew (1834–1907) im Jahr 1869. Seit Mendelejew ist der eine oder andere ›Bewohner‹, das eine oder andere Element, hinzugekommen,[5] aber das Geschoss blieb überschaubar.[6]

Die Etage darüber, der erste Stock, nimmt deutlich mehr Raum ein. In seinen hohen und lichten Sälen wurden inzwischen drei Zwischengeschosse eingezogen. Im Untersten finden wir einfache chemische Verbindungen, wie Salze (z.B. NaCl) und kleine anorganische Moleküle wie Wasser (H2O), Kohlendioxid (CO2) oder Kalk (CACO3). Hier gelten die Gesetze der anorganischen Chemie. Im Zwischengeschoss darüber logieren organische Moleküle, etwas größere Aggregate von Atomen, die zwei Dinge gemeinsam haben: Ihr Rückgrat besteht aus Kohlenstoff. Und sie werden in der Regel von Lebewesen produziert. Beispiele sind Zucker, Aminosäuren, Nukleotide oder Harnstoff. Im obersten Zwischengeschoss finden wir die Riesen unter den Molekülen. Dort sind Makromoleküle zuhause, Eiweiße (Proteine), große Kohlenhydrate und Nukleinsäuren. Dem Verhalten dieser komplizierten Gebilde widmen sich die...


Bleif, Martin
Martin Bleif, geboren 1964, studierte Medizin und war Leitender Oberarzt sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor an der Klinik für Radioonkologie der Universität Tübingen. Als Facharzt für Strahlentherapie ist er seit 2012 Leitender Arzt an der Klinik für Radioonkologie in den Alb-Fils-Kliniken in Göppingen und arbeitet mit dem gesamten Spektrum der radioonkologischen Krebstherapie. Seine Frau Imogen, bei der 2008 Brustkrebs diagnostiziert wurde, starb am 15. März 2010 in Tübingen.

Martin Bleif, geboren 1964, studierte Medizin und war Leitender Oberarzt sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor an der Klinik für Radioonkologie der Universität Tübingen. Als Facharzt für Strahlentherapie ist er seit 2012 Leitender Arzt an der Klinik für Radioonkologie in den Alb-Fils-Kliniken in Göppingen und arbeitet mit dem gesamten Spektrum der radioonkologischen Krebstherapie. Seine Frau Imogen, bei der 2008 Brustkrebs diagnostiziert wurde, starb am 15. März 2010 in Tübingen.



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