E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Labyrinthe-Krimis
Bliefert Elfengrab
10001. Auflage 2010
ISBN: 978-3-522-62026-0
Verlag: Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Labyrinthe-Krimis
ISBN: 978-3-522-62026-0
Verlag: Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ulrike Bliefert, Jahrgang 1951, studierte Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaften und begann ihre Schauspiel-Laufbahn Anfang der 1970er Jahre am Grips-Theater in Berlin. Neben dem Schreiben arbeitet sie u.a. als Film- und Fernseh-Schauspielerin, Hörspielsprecherin und Regisseurin.
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(S. 6-7)
»Tjaaa ... Gesina, Sie sind also heute zum zweiten Mal bei mir, obwohl wir uns doch einig waren ...« Die Frau mit dem praktischen grauen Kurzhaarschnitt hob seufzend die Schultern und machte eine routinierte Kunstpause. Dann deutete sie auf den hässlich braun gepolsterten Besucherstuhl und lächelte Sina auffordernd an. Sina setzte sich und lächelte zurück. »Sie haben Lippenstift auf den Schneidezähnen«, versetzte sie mit artigem Gesichtsausdruck und genoss es, dass Frau Haberlandt errötete und hastig ein Kosmetiktüchlein aus dem Behälter zupfte, der griffbereit auf ihrem Schreibtisch stand.
Sina kannte das schon: Die Kleenex-Box stand da für all die armen Hascherln, die unter Frau Haberlandts professioneller Güte und Barmherzigkeit zusammenklappten und in Tränen ausbrachen. Nicht mit mir, versicherte sie sich innerlich, diesmal nicht! Und überhaupt »verhaltensauffällig«? Was heißt das schon? Ein bisschen Klauen hier, ein bisschen Schuleschwänzen da: Was war denn schon dabei? Okay, man hatte sie einmal zu viel erwischt, und der Kaufhausdetektiv hatte es sich diesmal nicht nehmen lassen, die Polizei einzuschalten, aber im Grunde ... »Im Grunde machen Sie doch alle nur so ’ne Welle, weil ich als Kind-aus-gutem-Hause einfach nicht in Ihr Konzept passe!« Oje, hatte sie das tatsächlich laut gesagt?
Dabei hatte Sina sich fest vorgenommem, sich diesmal auf keine Diskussionen einzulassen. Sie biss sich auf die Lippen. Zu spät! Denn prompt setzte Frau Haberlandt zu dem an, was Sina insgeheim Textbaustein B-47/13 nannte: »Sina, ich fürchte, Sie machen es sich zu einfach.« Hast du ’ne Ahnung, dachte Sina und schaltete auf Durchzug. Das erste Mal, als man sie zum Schulpsychologischen Dienst geschleppt hatte, war wenigstens ihre Mutter noch dabei gewesen.
Das war kurz nachdem Papa und seine Neue das schicke Haus in Zehlendorf gekauft hatten und alle behaupteten, sie wäre dort am besten aufgehoben. »Eine in jeder Beziehung optimale Lösung«, hatte Papa gesagt, und Mama und Tricia hatten strahlend dazu genickt. Überhaupt waren in den letzten anderthalb Jahren alle immerzu und dauernd glücklich und zufrieden, stellte Sina grimmig fest: ihre Eltern, als sie die ach-so-einvernehmliche, friedliche Scheidung verkündeten, Tricia Myers, als sie als Gattin Nummer zwei ganz in Weiß an Papas Seite zum Traualtar schritt, und Mama, als sie kurz danach beschloss, wieder zu studieren. »Ihre Eltern machen sich wirklich große Sorgen ...« Aha, Frau Haberlandt war an der Stelle angelangt, an der an den Zusammenhalt der frisch gebackenen Patchworkfamilie appelliert wurde. »Na toll!« Sina schnaubte verächtlich."