Boatca / Spohn | Globale, multiple und postkoloniale Modernen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 7, 371 Seiten

Reihe: Zentrum und Peripherie

Boatca / Spohn Globale, multiple und postkoloniale Modernen

E-Book, Deutsch, Band 7, 371 Seiten

Reihe: Zentrum und Peripherie

ISBN: 978-3-86618-567-8
Verlag: Edition Rainer Hampp
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die internationale Soziologie ist im beginnenden 21. Jahrhundert durch eine paradoxe Lage gekennzeichnet. Auf der einen Seite stehen soziologischen Theorieansätze in einer modernisierungstheoretischen Tradition, die die Transformation der postkommunistischen Gesellschaften und die fortschreitende Modernisierung peripherer und postkolonialer Gesellschaften als entscheidende Etappen zur Universalisierung des westlich-europäischen Modells sehen. Auf der anderen Seite stehen kritische soziologische Ansätze, die die unterschiedlichen Entwicklungen der Modernisierung in postkommunistischen und nicht-europäischen Gesellschaften und die mit tiefen Konflikten gekennzeichnete globale Moderne als Anzeichen dafür nehmen, dass sich die sich globalisierende Welt nicht nach dem Muster europäischer Gesellschaften vollzieht oder (normativ gewendet) auch nicht vollziehen sollte. Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Sammelband vor allem zwei Zielsetzungen. Erstens will er kritisch anti-eurozentrisch orientierten Ansätze, wie sie vor allem in weltsystemtheoretischen und postkolonialen Ansätzen entwickelt sind, exemplarisch vorstellen, will sie aber zugleich mit dem multiplen Modernitätsansatz, der als kritische Revision einer eurozentrischen Modernisierungstheorie zu verstehen ist, konfrontieren. Damit sollen nicht nur theoretische Kontroversen dokumentiert, sondern die Beziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Theorieströmungen verdeutlicht werden. Zweitens werden solche Analyserichtungen privilegiert, die im Kern eine historisch-soziologische, relationale Methodologie für die Analyse peripherer, kolonialer und postkolonialer Gesellschaften vorschlagen oder praktizieren.
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Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Danksagung;8
3;Einführung;10
3.1;Globale, multiple und (post-)koloniale Modernen – Eine interzivilisatorische und historisch-soziologische Perspektive;10
4;Teil 1: Globale und fragmentierte Moderne;38
4.1;Globale Moderne: Die Moderne im Zeitalter des globalen Kapitalismus weiterdenken;40
4.2;„Von Asien lernen“ Revisited;62
4.3;Entwicklung, Moderne und die neue Agrarfrage;74
4.4;Neue Modernen: Was ist neu?;90
5;Teil 2: Multiple und alternative Modernen;112
5.1;Gibt es eine multiple Moderne?;114
5.2;Die Vervielfachung von Modernen in der kolonialen Welt: Eine skeptische Betrachtung;142
5.3;Nationalismustheorien in Lateinamerika: Mexiko, Argentinien und Peru im Vergleich;180
5.4;Alternative Moderne: Entwicklungsdiskurs in Südafrika nach der Apartheid;202
6;Teil 3: Koloniale und post-koloniale Modernen;226
6.1;Zeitlichkeit und Kolonialismus: Goa und Lateinamerika;272
6.2;Die eurozentrische Sozialtheorie „kaputtdenken“;293
6.3;Die Dekolonisation der politischen Ökonomie und der postkolonialen Studien: Transmoderne, Grenzdenken und globale Kolonialität;317
7;Ausblick: Die Postkolonialität Europas;347
7.1;Multiple Europas und die interne Politik der Differenz;349
8;Verzeichnis der Autorinnen;367
9;Nachweise;371


Gibt es eine multiple Moderne? (S. 105-106)

Thomas Schwinn

Die in den 1990er Jahren schnell wachsende Globalisierungsliteratur war sehr stark von konvergenztheoretischen Annahmen geprägt. Schlagworte wie die vom „Ende der Geschichte“ oder der „McDonaldisierung der Welt“ stellten weltweit homogene soziale Verhältnisse in Aussicht. In Reaktion darauf wurde das Ausmaß von Globalisierung bestritten (vgl. etwa Hirst/Thompson 1998) oder die Gegenthese von divergenten Entwicklungen propagiert (Huntington 1996). Diese vereinfachenden Fronten sind mittlerweile einer komplexeren Diskussionslage gewichen.

Man muss Globalisierung nicht leugnen und dennoch nicht von konvergenten Entwicklungen ausgehen. Gefragt sind Modelle, die global aus- und übergreifende Tendenzen und kontextspezifische Strukturbildungen in einer Theorie begrifflich konsistent zu fassen erlauben (Schriewer 2005: 435). Metaphern wie „Hybridisierung“ oder Neologismen wie „Glokalisierung“ reichen dafür nicht aus. Die vorhandenen Theorien, die sich dieser Problemlage stellen, bieten keine zufrieden stellende Konzeptionen an, um verschiedene Entwicklungsmuster im globalen Kontext zu fassen.

Da sind zum einen die Weltsystemtheorien. Der Stanforder Ansatz von John W. Meyer (2005) und Mitarbeiter erklärt Divergenz durch einen mismatch zwischen globalen Werten und institutionellen Blaupausen einerseits und den oft fehlenden und inadäquaten regionalen Möglichkeiten und Ressourcen zu ihrer Umsetzung andererseits. Variationen kann dieser Ansatz aber nur als Abweichungen von und Scheitern eines generellen Entwicklungsmodells verstehen. Konvergenz von Werten und Institutionen bleibt die dominante Grundannahme dieser Theorie. Etwas vorsichtiger ist der Bielefelder Ansatz der Weltgesellschaftstheorie.

Die regionalen Varianten werden gesehen (Luhmann 1997, Stichweh 2000). Angesichts der These eines Weltgesellschaftssystems, das sich primär über globale funktionale Differenzierung entfaltet, wird den Variationen eine adäquate theoretische Aufmerksamkeit und Anerkennung versagt. Regionale Unterschiede werden in eine interne Differenzierung des Weltsystems umgeformt und ihnen dadurch eine Eigengesetzlichkeit abgesprochen. Dies äußert sich in der Analysestrategie: Länder und Regionen werden nicht untereinander verglichen, sondern im Hinblick auf die Grundstruktur des Weltgesellschaftssystems.

Entscheidend „ist gerade die Logik funktionaler Differenzierung und der Vergleich – nicht mit anderen Gesellschaften, sondern mit den Vorteilen der Vollrealisierung funktionaler Differenzierung“ (Luhmann 1997: 163). Wie in der Modernisierungstheorie dominiert hier ein Modell, das Varianzen nicht zufrieden stellend begreifen kann. Weitere, für unser Problem relevante sozialwissenschaftliche Arbeiten liegen mit der prosperierenden Variantenforschung zu verschiedenen institutionellen Komplexen vor.


Manuela Boatca, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Soziologie am Latein-amerika-Institut der Freien Universität Berlin, Deutschland.
Willfried Spohn, Professor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am Willy-Brandt-Zentrum der Universität Wroclaw, Polen.


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