Borowski / Becker | Willkommen in Auschwitz | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Borowski / Becker Willkommen in Auschwitz

Erzählungen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-949671-57-9
Verlag: Edition W
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählungen

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-949671-57-9
Verlag: Edition W
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Willkommen in Auschwitz', erstmals 1963 in deutscher Übersetzung erschienen, ist eines der wichtigsten Zeugnisse der 'Holocaust-Literatur'. Borowski war einer der ersten Autoren, der die Erfahrungen in den Konzentrationslagern der Nazis literarisch zu bearbeiten versuchte. Seine Erzählungen schildern die Entmutigung des Menschen in der peinigenden Situation der Lager und beleuchten die Grenzen zwischen Gut und Böse, die zu verschwimmen beginnen, wenn man nicht mehr weiß, wie lange die Hoffnung auf Befreiung hält. Borowskis unfassbare Lakonie und seine klare Sprache erreicht heute noch jeden Leser, und kein geringerer als der Nobelpreisträger Imre Kertesz hat 2002 in Stockholm Borowskis Prosa als einen Schlüssel für sein Verständnis der Entmenschlichung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Borowskis Erzählungen wurden unter dem Titel 'Bei uns in Auschwitz' nach 1963 immer wieder rezipiert. Der Schriftsteller Artur Becker hat hier eine - seine - Auswahl vorgenommen, um mit einer neuen Übersetzung heutige Leserinnen und Leser anzusprechen und Borowskis Vermächtnis neu zu beleben.

Tadeusz Borowski, geboren 1922, gestorben 1951, war und ist einer der großen polnischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er starb 1951 mit 28 Jahren an den Folgen eines Selbstmordversuchs, hinterließ drei Gedichtbände und vier Bände mit Erzählungen.

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Weitere Infos & Material


Artur Becker Der unglückliche
Liebhaber Nr. 119198
Ein Vorwort
»Eisenschrott wird lediglich
von uns allen zurückbleiben – Und das ohrenbetäubende, spöttische Gelächter
der Generationen« Aus dem Gedicht »Lied« von Tadeusz Borowski Der polnische Lyriker, Prosaist und Feuilletonist Tadeusz Borowski (1922 – 1951) überlebte drei Konzentrationslager: Auschwitz, Dautmergen-Natzweiler und Dachau. Sein Leben beendete er mit dem Selbstmord, nur wenige Tage nach der Geburt seiner Tochter. Den Gaskammern der Nazis war er entkommen, aber für seinen Suizid wählte er trotzdem das Gas, das er in seiner Warschauer Wohnung aufgedreht hatte. Was ihn zu seinem Suizid veranlasst haben mag, sorgt bis heute für Spekulationen. Die Enttäuschung über den Kommunismus? Eine unglückliche Liebe (er war wieder verliebt)? War er als stalinistischer Schriftsteller und Propagandist am Ende? Oder haben ihn die Erinnerungen an die Hölle des Vernichtungslagers Auschwitz in den Tod getrieben? Im polnischen Bartoszyce, wo ich in den Siebzigerjahren zur Schule gegangen bin, war Borowski auch bei uns zu Hause Pflichtlektüre. Eine populäre Auswahl seiner Erzählungen aus den beiden Prosabänden »Der Abschied von Maria« (1947) und »Die steinerne Welt« (1948) sowie aus seiner Lyrik stand in der Bibliothek meiner Mutter, einer in unserem Städtchen bekannten Polonistin, in guter Nachbarschaft, nämlich zusammen mit anderen Büchern der Literaten, die über die Schrecken der deutschen Okkupation und ihrer Folgen in Polen geschrieben haben: Zofia Nalkowska in ihren »Medaillons«, Roman Bratny in seinem Generationsroman »Kolumbus Jahrgang 20«, Jerzy Andrzejewski in seinem phänomenalen Nachkriegsroman »Asche und Diamant«, Tadeusz Rózewicz in seinem Gedicht »Der Gerettete« und in anderen Gedichten, Krzysztof Kamil Baczynski in seiner Kriegslyrik oder Seweryna Szmaglewska in ihrem literarischen Bericht »Rauch über Birkenau«. Aber die Titel der Geschichten von Borowski machten mir, damals einem Jungen von dreizehn Jahren, Angst: »Willkommen in Auschwitz« oder »Meine Damen und Herren, zum Gas bitte« klangen bedrohlich, wussten wir doch alle, dass dieser Ort im Zweiten Weltkrieg die Hölle auf Erden gewesen war, obwohl er, nach 1945 in »Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau« umbenannt, in der Nähe einer der schönsten Renaissancestädte Europas liegt, nämlich bei Krakau. Ich komme aus Ermland und Masuren, unser KZ-Museum, das wir im Norden gut kennen, heißt Stutthof. Aber nach Oswiecim fuhren auch wir aus dem hohen Norden, vornehmlich bei diversen Ausflügen von Betrieben und Schulen. Borowski war jedenfalls Schullektüre und ein literarischer Held der jungen Generation wie Baczynski, der ungemein talentierte Dichter, der wie seine große Liebe Basia im Warschauer Aufstand gefallen war. Ich spreche hier von einer tragischen Dichtergeneration, den um 1920 Geborenen, die wie Baczynski oder Borowski durch die Apokalypse der Okkupation, des deutschen Terrors auf polnischem Boden, gehen mussten. In der Bibliothek meiner Mutter fehlte bloß ein Name, aber er war uns auch bekannt und wir lasen ihn – vor allem nach der Wende: Gustaw Herling-Grudzinski. Er gehörte ebenso zu Borowskis Generation und schrieb ein ganz anderes Lagerzeugnis: »Welt ohne Erbarmen«, erschienen 1951. Hier schildert er seine Gulag-Lagererlebnisse, das andere Böse, das jedoch seinen Ursprung in einem totalitären und ideologisierten Staat hat. Herling-Grudzinski, der nach 1945 Emigrant und »Kosmopole« in Neapel wurde und erst 2000 starb, hatte allerdings ganz anders als Borowski den stalinistisch-sowjetischen Totalitarismus von Anfang an durchschaut und sich auf eine Liaison mit ihm nicht eingelassen. Borowskis Leben wäre vermutlich ganz anders verlaufen, wenn er nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen geblieben wäre, lebte er doch als ehemaliger KZ-Dachau-Häftling bis Mai 1946 in München, zwar zunächst wieder in einem Lager als eine sogenannte »Displaced Person« (wie im Übrigen auch meine polnischen Großeltern mütterlicherseits bei Hannover), aber nach Polen hätte er nicht zurückkehren müssen. Er schrieb in München Prosa und Lyrik und blickte auf den Straßen in die Gesichter der Deutschen und begriff nicht, warum sie noch am Leben waren und warum München weitgehend unzerstört geblieben war – während noch vor kurzem jeder dieser Passanten, egal ob Arbeiter oder Adliger, eine Bestie in der schwarzen Uniform mit einem Totenkopf auf der Schirmmütze gewesen sein konnte, die »Untermenschen« ermordet hatte. Borowski und Rózewicz, die beiden gnadenlosen Zerstörer polnischer Nationalmythen, welche die Überlebenden im Kontext von Heldentum oder Patriotismus auf ein heiliges Piedestal erhoben, bemühten sich nach 1945 in der Tat um eine Ausreise. Heute kann man es sich kaum vorstellen, aber Borowski wollte in den USA sein Glück versuchen, wissen wir doch, dass aus dem jungen Dichter, der 1942 mit Gedichten »Überall auf Erden« debütierte und sich dann der Prosa widmete, Ende der Vierzigerjahre ein unerschrockener, zynisch-nihilistischer Feuilletonist im Dienste der kommunistischen Partei geworden war. *** Tadeusz Borowski kam am 12. November 1922 in Schytomyr in der Ukraine zur Welt. Er hatte einen vier Jahre älteren Bruder, und die Eltern der beiden wurden von den Sowjets inhaftiert und verschleppt: der Vater Stanislaw 1926 an die Grenze zu Finnland, und zwar aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer polnischen Militärorganisation, die Mutter Teofila 1930 nach Sibirien. Man könnte sagen, dass die Lagererfahrung in Borowskis Familie eine Art roter Faden ist, als hätte sich das Schicksal vorgenommen, den jüngsten Sohn auf die Gefangenschaft in den deutschen Konzentrationslagern vorzubereiten. Über Kiew und Moskau kamen die beiden Jungen 1932 nach Polen zurück, wobei der Vater dank eines Gefangenenaustauschs an der Grenze zu Polen zu seinen Söhnen dazustoßen konnte; die Mutter durfte, was das Rote Kreuz ermöglichte, erst zwei Jahre später Sibirien verlassen und zu ihrer Familie zurückkehren. In Warschau fing Borowski nach dem Abitur im Jahre 1940 an, Polonistik zu studieren: natürlich im sogenannten Untergrundunterricht. Im Studium lernte er auch Maria Rundo kennen, die er nach dem Krieg in seiner berühmten Erzählung verewigen sollte. Er arbeitete als Nachtwächter in einem Lager mit Baumaterialien und Heizstoffen, das auch an seine kleine Wohnung grenzte, in der sich junge Literaten trafen. 165 Exemplare seines ersten Gedichtbandes kopierte er 1942 per Hand auf einem Vervielfältiger, den man zum Drucken von Blättern mit kostbaren und von den Nazis verbotenen Informationen für die Warschauer benutzte. Am 23. Februar 1943 wurde Borowski von der Gestapo verhaftet. Er befand sich in der Wohnung von Freunden und suchte nach seiner Verlobten Maria, die Opfer einer Straßenrazzia geworden war – in Warschau ein alltäglicher Terror, dem man nur mit Glück entgehen konnte. Nach Auschwitz folgten die Gefangenschaften in den Lagern Dautmergen-Natzweiler und Dachau, wobei er nach der Beendigung des Krieges, wie schon gesagt, ins Lager für die sogenannten »Dipisi« (so im Polnischen für »displaced persons«) kam, wo er bis September 1945 verblieb. Nach seiner Entlassung wohnte er in München und im Frühling 1946 beschloss er, vor allem wegen seiner literarischen Karriere, nach Polen zurückzukehren. Er wurde mit seinen Erzählungen schnell erfolgreich, arbeitete mit verschiedenen Zeitschriften und Redaktionen zusammen, in erster Linie aber engagierte er sich feuilletonistisch für die Propaganda der Kommunistischen Partei, der er 1948 beitrat. Er arbeitete auch in Berlin – als polnischer Kulturreferent, doch in Wahrheit war er bloß ein Mitarbeiter im Dienst des polnischen Militärnachrichtendienstes. Borowskis Liebegeschichte benötigte normalerweise viel mehr Platz, ich muss mich hier kurz fassen: Seine Verlobte Maria Rundo, die das Pawiak-Gefängnis in Warschau und die Lager Auschwitz und Ravensbrück überlebt hatte, konnte er schließlich nach ihrer Rückkehr aus Schweden heiraten – und 1951 wurde ihre gemeinsame Tochter geboren. Er hatte Maria, nachdem er sie dank der Unterstützung durch das Rote Kreuz in Schweden gefunden hatte, in seinen Briefen angefleht, mit ihm zusammen nach Polen zurückzukehren. Die Sehnsucht nach seiner Heimat und der polnischen Literatur und Sprache hatte schließlich gesiegt. Doch bis heute wissen wir nicht, in wen er sich – vermutlich unglücklich –, während Maria schwanger war, verliebt hatte. Etwa in Joanna Broniewska-Kozicka, die attraktive Filmemacherin und Tochter des legendären polnischen Dichters und Soldaten Wladyslaw Broniewski, der mit seiner Lyrik dem polnischen Proletariat, der polnischen Armee und dem sozialistischen Realismus ein Denkmal gesetzt hatte? Es sind dies dumme Spekulationen, heißt es in Polen dazu, die niemals Klarheit bringen. Joanna Broniewska-Kozicka beging jedenfalls ebenfalls Selbstmord, und zwar auf dieselbe Art wie Borowski. Sie erstickte sich 1954 mit Gas, weil sie unglücklich in Bohdan Czeszko, einen ziemlich mittelmäßigen und parteikonformen Schriftsteller, einen Schürzenjäger und Alkoholiker, verliebt war, dessen Name und Werk heute mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind. *** Wohl eines der scharfsinnigsten Porträts des jungen Schriftstellers Borowski schrieb Czeslaw Milosz in seinem Essay »Verführtes Denken« (1953). In diesem Buch porträtiert er vier Intellektuelle und Dichter, die verschiedene Methode entwickelten, um mit dem Stalinismus fertig zu werden, wobei...



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