E-Book, Deutsch, 170 Seiten
Bosetzky Ein Mann fürs Grobe: Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95764-122-9
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 170 Seiten
ISBN: 978-3-95764-122-9
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Berlin ist von seinen Gegnern schon immer verdächtigt worden, ein alles verschluckender Moloch zu sein, aber jetzt scheint diese irreale Angst einen realen Hintergrund zu haben. Spurlos verschwinden Topmanager in der Hauptstadt. Das Muster ist immer das gleiche: Sie kamen an, stiegen in einem Hotel ab, verließen es wieder und verschwanden. Einige mochten private wie berufliche Schwierigkeiten gehabt haben, aber Selbstmord schließen ihre Verwandten und Freunde aus. Bei der Kriminalpolizei sieht man bei den Verschwundenen keinerlei Zusammenhänge, was die Sache noch rätselhafter macht. Wenn wenigstens die Leichen der Topmanager auftauchen würden...
Da ist der Polizei der Mord an einem Taxifahrer lieber. Da gibt es wenigstens eine Leiche. Und auch einen Verdächtigen. Doch auch da liegen die Dinge nicht so einfach, wie Kommissar Mannhardt das gern hätte...
Der Krimi-Klassiker von Bestseller-Autor Horst Bosetzky jetzt erstmals als eBook!
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Zu diesem Buch
Berlin ist von seinen Gegnern schon immer verdächtigt worden, ein alles verschluckender Moloch zu sein, aber jetzt scheint diese irreale Angst einen realen Hintergrund zu haben. Spurlos verschwinden Topmanager in der Hauptstadt. Das Muster ist immer das gleiche: Sie kamen an, stiegen in einem Hotel ab, verließen es wieder und verschwanden. Einige mochten private wie berufliche Schwierigkeiten gehabt haben, aber Selbstmord schließen ihre Verwandten und Freunde aus. Bei der Kriminalpolizei sieht man bei den Verschwundenen keinerlei Zusammenhänge, was die Sache noch rätselhafter macht. Wenn wenigstens die Leichen der Topmanager auftauchen würden...
Da ist der Polizei der Mord an einem Taxifahrer lieber. Da gibt es wenigstens eine Leiche. Und auch einen Verdächtigen. Doch auch da liegen die Dinge nicht so einfach, wie Kommissar Mannhardt das gern hätte...
Im Schwarzen Loch Berlin verschwunden?
Seit Januar vermisste Topmanager nicht wieder aufgetaucht -
Geheimnisvolle Serie hält an
Berlin (Iz.) Schwarze Löcher, auf gut englisch «black holes», sind jene rätselhaften Gebilde weit draußen im All, die eine immens große Verdichtung aufweisen und damit über ein so unvorstellbar großes Gravitationsfeld verfügen, dass nicht einmal die stärkste elektromagnetische Strahlung sie verlassen kann, auch nicht das Licht. Sie verschlucken alles, was in ihrer Nähe ist, und lassen es für alle Zeiten unsichtbar werden. Nun ist die Metropole Berlin von ihren Gegnern schon immer verdächtigt worden, ein alles verschluckender Moloch zu sein, jetzt aber scheint diese irreale Angst vor unserer Stadt einen realen Hintergrund zu haben, denn Deutschlands Unternehmen beklagen seit Anfang des Jahres den Verlust von mindestens vier Topmanagern, und für alle gilt: Sie kamen an, stiegen ab und verschwanden. Ordnungsgemäß legten sie ihre Schlüssel auf den Tresen an der Rezeption, verließen ihr Hotel – und waren nie wieder gesehen... Einige mochten private wie berufliche Schwierigkeiten gehabt haben, aber einen Selbstmord schließen ihre Freunde und Verwandten kategorisch aus. Im Gegenteil, alle seien sie ausgesprochene Kämpfertypen gewesen. Da ist zuerst die attraktive 34jährige Diplomingenieurin Sabine Becker-Bornschein aus Bremen, die am 2.Februar nach Berlin gekommen war, um dem Berliner Senat im Auftrage der «Nord Consulting» Bebauungsvorschläge für den Flughafen Tempelhof vorzulegen, der ja jüngsten Gerüchten zufolge 1998 geschlossen werden soll. Folgt der seit dem 18. April spurlos verschwundene Diplomvolkswirt Dr. Wolfram Witt, 57, Geschäftsführer der «Dachsanierung Ziegelmann GmbH», der sich bei Berliner Baufirmen umhören sollte. Nummer 3 ist der 48jährige Betriebswirt Jochen Vollstedt aus Bodenwerder von der «LUV-Wirtschaftsbau», der am 5.Mai an einem Seminar über «Organizational Learning» teilnehmen sollte, aber nie im Konferenzraum erschienen ist. Der letzte der vermissten Topmanager, Ronald O'Brien, 38, stammt sogar aus dem Ausland - und zwar aus Gardener/Massachusetts, wo sich der Stammsitz der VOI («Voice Organizer International») befindet, für deren Spracherkennungscomputer er in Berlin Marktsegmente sichern sollte. Bei der Kriminalpolizei sieht man keinerlei Zusammenhänge zwischen den Lebensbahnen der vier Verschwundenen. «Reiner Zufall», versichert uns Hans-Jürgen Mannhardt von der 12.Mordkommission und fügt ein wenig zynisch hinzu: «Ohne Leiche kein Mord!» Gründe fürs Untertauchen gäbe es viele, und die eingehenden Vermisstenanzeigen füllten ganze Aktenordner. «Unmöglich für uns, da jedesmal mit Mannschaftsstärke nachzuhaken.» Der ganze Apparat beginne erst zu arbeiten, wenn man einen Topmanager ermordet in der Badewanne fände... Da möchte man fast rufen: «Freiwillige vor!»
1
Dr. Richard Schrotzer war nach fünf Jahren zum erstenmal wieder in Berlin. Wenn er am Hotelfenster stand, konnte er sowohl sein damaliges Wohnquartier als auch seine alte Arbeitsstelle recht genau erkennen. Die Koblenzer Straße in Wilmersdorf, gleich am Bundesplatz, war am eckigen Betonturm der Vater-Unser-Kirche auszumachen, vor allem aber an den drei Schornsteinen des Spitzenlastkraftwerks am S-Bahnring, die wie startbereite Weltraumraketen in den Himmel ragten. Und das WZB, das «Wissenschaftszentrum Berlin», lag gleich neben den unverwechselbaren goldgelben Baukörpern von Philharmonie und Staatsbibliothek. Sicher, in Dutzenden von Dokumenten war festgehalten, dass er dort ein ganzes Jahrzehnt gelebt hatte, doch ihm schien das nichts als Selbsttäuschung zu sein. Der Mann, der er jetzt war, hatte mit dem Menschen dieser Zeit außer dem Namen nichts gemein. Sein Leben war keine durchgehende Linie, sondern eine Ansammlung einzelner Punkte, die für sich selber standen. Auf der großen Bühne des Lebens gab es viele und täglich immer wieder neue Schauspieler, die in die Rolle des Dr. Richard Schrotzer schlüpften.
Das Telefon neben dem noch glatten Doppelbett dudelte in dieser schleimigen Art, die er seit Jahren hasste. So schrill wie früher, da war es ihm ehrlicher erschienen: Ja, verdammt ich störe dich. Er riss den Hörer hoch und schrie seinen Namen so laut, dass es am anderen Ende wie ein startender Düsenjäger klingen sollte. «Schrotzer!»
«Multifunktions-Computer International, Raabe, ich verbinde mit dem Chef...»
Schrotzer sank aufs Bett. Die Raabe, diese alte multikulturelle Krähe.
«Hallo, Herr Schrotzer, gut angekommen in Berlin?» Dies auf französisch.
Er wusste, dass Savournon nie hinhörte, und murmelte deshalb, dass sie im Gewitter über Berlin-Tegel abgestürzt seien.
«Sehr schön. Ruhen Sie sich heute noch aus, und fahren Sie morgen früh nach Friedrichsheide raus...» Savournon wechselte ins Englische über, was ihm allerdings nur leidlich glückte. «Ich habe mit diesem Prof. Schadow vom Innovationspark gesprochen, dass Sie sich dort umgucken können. Okay!?»
Schrotzer ließ den Firmeninhaber spüren, dass er seine beiden Jahre an der Cornell University in Ithaca, NY, nicht nur als Wide Receiver im Footballteam genutzt hatte, sondern auch zur Vervollkommnung seines Slangs. «Sie sollen da im Innovationspark an der Software für Spiel- und Getränkeautomaten arbeiten, die den Zentralen melden, wenn sie leer sind und nachgefüllt werden müssen.»
«Was meinen Sie?»
Schrotzer wiederholte es auf französisch und erhielt den Auftrag, alles zu kaufen, was es zu kaufen gab. Dann legte Savournon ohne eine jede Abschiedsfloskel auf.
Schrotzer empfand dies wie eine schallende Ohrfeige. Er warf sich aufs Bett und hätte am liebsten wie ein Kleinkind «Äh-äh» gemacht. Sein Selbstmitleid wuchs mit jeder Sekunde. Mein Gott, warum habe ich mir das antun müssen, zu Savournon zu gehen... Klar, Gabis ewiges Gejammer wegen der leeren Kassen - und nun die hundertfünfzigtausend Mark im Jahr. Er hatte keine Lust, sie anzurufen. Auch keine, von Marius zu hören, dass die liebe Puffpuff-Bahn aus Lego wieder mal puttgegangen war.
Diese Assoziation ließ ihn erkennen, dass gegen seine Depressionen jetzt nur noch eines half, das Denken an das Eine nämlich. Eine dieser Edelnutten von fünfhundert Mark an aufwärts neben sich im Bett und dann... So richtig a tergo. Seine Phantasie reichte für eine Erektion, wie sie ihm in Gabis Nähe nie gelang. Schön, dafür liebten sie sich und schritten gemeinsam durchs Leben. Er überlegte kurz, ob er nicht wirklich beim Mann an der Rezeption nachfragen sollte, ließ es dann aber, weil es Kosten-Nutzen-analytisch wenig brachte. Gabi, sparsam bis geizig wie sie war, hätte die fehlenden fünfhundert Mark sicherlich bemerkt und ein Riesentheater gemacht. Außerdem war er so erzogen, dass er sein Gewissen fürchten musste, ganz abgesehen von der Aidsgefahr. Der Hauptgrund aber war, dass Savournon ihn sicher feuerte, wenn er von diesem Fick erfuhr. Wahrscheinlich wurde sogar der Nachtportier für seine Überwachung bezahlt.
Musste er sich's also selber besorgen. Hinunter in die Hotelhalle zu fahren und sich einen «Playboy» zu kaufen, schaffte er nicht, weil es ihm peinlich war, dass alle, die ihn sahen, ganz genau wussten, warum er das tat. Also schaltete er seinen Fernseher ein und zappte sich solange durch die Programme, bis er genügend Frauen gesehen hatte, um es kurz und eher tröpfelnd bei sich auszulösen. Es wurde eher Schmerz als Lust.
Er warf das klebrige Tempotaschentuch bis vor die Toilettentür und fühlte sich ein wenig besser, wusste aber, dass er es den ganzen Abend in dieser Feudalzelle des «Spreeathen» nicht aushalten würde. Doch die Kraft, in die Stadt zu gehen, hatte er nicht. Er war ausgezogen, die Welt zu erobern, und kehrte nun als Mann zurück, den die Franzosen in Grenoble so wenig liebten wie der FC Bayern München einen Torjäger, der in zehn Spielen nicht getroffen hatte.
Er hasste nichts mehr als die tristen Bars über den Dächern der Stadt, und es war die pure Verzweiflung, die ihn nach oben fahren ließ.
«Einen Calvados, bitte.»
Unsicher stand er vor dem...




