Bottlinger | Das Geheimnis der Papiermacherin | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Bottlinger Das Geheimnis der Papiermacherin

Historischer Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8412-1466-9
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-8412-1466-9
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine junge Frau kämpft um ihr Glück.

Nürnberg, 1621: Annas großer Stolz ist die Papiermühle ihres Vaters: Doch nun steht sie kurz vor dem Bankrott. Ihr Vater ist resigniert, aber Anna will die Familientradition nicht aufgeben. Ein harter Kampf, der durch Bartholomäus, ihren ärgsten Konkurrenten, nur noch erschwert wird. Denn dieser versucht mit allen Mitteln, sie in den Ruin zu treiben. Dann taucht dessen Bruder Johann auf, er ist viel attraktiver, als Anna lieb ist, macht ihr den Hof und warnt sie vor Bartholomäus. Aber kann sie ihm trauen?



Andrea Bottlinger wurde 1985 in Karlsruhe geboren. Sie hat in Mainz Buchwissenschaften, Komparatistik und Ägyptologie studiert und lebt und arbeitet inzwischen als freie Lektorin und Autorin in Heilbronn.
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Kapitel 1


Blut färbte den frisch gepressten Bogen Papier rosa. Wie sollte sie das bloß ihren Kunden erklären, fragte sich Anna, bevor ihr aufging, dass das wirklich nicht ihr erster Gedanke sein sollte. Ganz gleich, wie schwer die letzten Wochen gewesen waren. Schuldbewusst wandte sie ihre Aufmerksamkeit Kurt zu, der die blutige Hand fest an seine Brust presste. Sein Gesicht war kreidebleich, und er schwankte leicht. Anna fluchte auf eine Art, die ihre verstorbene Mutter sicher nicht gutgeheißen hätte.

Hinter der Presse, in der der halb fertige und nun blutbesudelte Papierbogen steckte, trat Heinrich hervor, der alte Mühlenbaumeister, den Annas Vater eingestellt hatte, als er noch ernsthaft am Erfolg seines Geschäfts interessiert gewesen war. Er musste die Stimme über das Geräusch der Stampfer erheben, die Tag und Nacht nicht stillstanden. »Es tut mir leid.« Sein Blick huschte immer nur kurz zu Kurts Hand. »Es ist meine Schuld, ich habe nicht aufgepasst.«

Anna war sich nicht ganz sicher, ob sich diese Worte an sie oder an Kurt richteten. Der Arbeiter schwankte stärker, und starrte mit geweiteten Augen auf seine zerquetschten Finger hinab, als könne er noch nicht ganz glauben, was eben geschehen war. Heinrich packte stützend seinen Ellenbogen, beinah wäre er gefallen.

Anna nickte müde. Sie waren alle abgelenkt. Drei Jahre waren seit dem Ständeaufstand 1618 in Böhmen vergangen. Seitdem beobachteten sie alle mit steigender Nervosität die Heere der Reste der Protestantischen Union, der Katholischen Liga und wer wusste inzwischen schon noch, wer sonst alles Interessen in diesem Krieg hatte, während sie mal näher und mal weiter entfernt an Nürnberg vorbeizogen. Nun hatten sich die Gefolgsleute des Grafen Ernst von Mansfeld, von dem es hieß, er habe bereits weite Landstriche in Hessen-Darmstadt verwüstet, um sein Heer zu ernähren, in Fürth einquartiert. Seitdem strömten Flüchtlinge in die Stadt. Die Lumpen und Stoffreste, die sie in der Papiermühle benötigten, um frische Bögen herzustellen, wurden jetzt für andere Dinge gebraucht. Was sie früher in die Faulgrube und dann unter die Stampfer geworfen hatten, wurde dieser Tage noch getragen, solange es irgendwie ging. Und danach nutzte man die Lumpen noch als Verbände für die vielen Kranken und Verwundeten, die der Krieg vor sich hertrieb. Keiner von ihnen wusste, wie lange sie noch Arbeit haben würden.

»Ihr bringt ihn besser zu einem Bader.« Anna blickte von Heinrich zu Kurt und den anderen Männern, die um die Presse herumstanden. Sie deutete auf den breit gebauten Jackel, der immer ein bisschen schuldbewusst dreinblickte, selbst wenn er nichts getan hatte. »Du gehst mit Kurt. Der Rest von euch kehrt an die Arbeit zurück! Mein Vater bezahlt euch nicht fürs Maulaffen feilhalten!«

Während Jackel Kurt aus der Mühle brachte, räusperte Heinrich sich. »Wenn Kurt und Jackel weg sind, fehlt uns ein Mann an den Bütten und einer an der Presse.«

Anna nickte. »Ich springe an den Bütten ein. An der Presse müsst ihr einfach härter arbeiten. Wir haben morgen eine Ladung Packpapier auszubringen. Das kann nicht warten.« Zumindest nicht, wenn Anna weiter darauf hinweisen wollte, dass ihr Vater die Männer für irgendetwas bezahlte.

»Und was machen wir mit dem versauten Bogen?«, fragte Heinrich.

Anna musterte den Fleck auf dem graubraunen Papier. Ein ganzer Bogen. Er hatte sie teure Lumpen gekostet. »Wir stellen hier kein Schreibpapier her«, entschied sie. »Niemand muss wissen, dass es Blut ist.«

Anna war in der Papiermühle ihres Vaters Josef Pecht aufgewachsen. Als Kind war das Geräusch der Stampfer, die Lumpen und Wasser zu einem Hadernbrei zerstießen, oft genug ihr Schlaflied gewesen. Die Bewegungen, mit denen sie das Sieb in die Bütte senkte, es schwenkte, den Hadernbrei herausschöpfte, all das hatte sich so tief in ihr Körpergedächtnis eingegraben, dass ihre Gedanken abschweifen konnten, während sie Bogen um Bogen schöpfte. Jeden davon reichte sie an einen der Männer weiter, der sie zur Presse trug, wo man sie glättete und das Wasser aus ihnen herausdrückte.

Wie so oft wanderten ihre Gedanken zu den Zahlen. Jedem Arbeiter schuldeten sie demnächst einen Gulden. Die Lumpensammler wollten insgesamt drei. Dann waren da noch neun Gulden Schulden, die ihr Vater hatte. Der Auftrag, den sie am morgigen Tag ausbringen musste, würde nicht reichen, um alles zu bezahlen. Aber es würde genügen, damit sie weitermachen konnten. Das war alles, was zählte.

Sie hörte die unsicheren Schritte ihres Vaters über das Geräusch der Stampfer erst, als er schon fast neben ihr stand. Er versuchte, sich am Rand der Bütte abzustützen, griff beinahe daneben, fing sich im letzten Moment. Der saure Geruch billigen Weins schlug Anna entgegen.

»Wasn hier los?«, nuschelte er. »Wo sind Kurt und Jackel? Warum stehst du an den Bütten, Anna?«

»Es gab einen Unfall.« Anna reichte das Sieb mit dem nächsten geschöpften Bogen an Heinrich weiter, dann drehte sie sich zu ihrem Vater um, wischte sich die feuchten Hände an ihrer Schürze ab und strich eine braune Haarsträhne unter ihre Haube zurück. »Wo warst du heute Nacht?«

Er grinste. »Meine Schulden zurückgewinnen.«

Oh nein …

»Hast du …« Anna schluckte. Sie wagte es kaum zu hoffen. »Hast du tatsächlich etwas gewonnen?«

Ihr Vater kratzte sich am Kopf, als könne er sich nicht so wirklich erinnern. Er tastete seine Taschen ab, zog schließlich einen zerknitterten Zettel hervor. Ein Schuldschein? Annas Herz klopfte schneller. Sie riss ihrem Vater den Zettel aus der Hand, glättete ihn am hölzernen Rand der Bütte.

Es war kein Schuldschein. Ihre Schultern sanken herab, während sie sich bemühte, die geschwungene Handschrift zu entziffern.

Hochverehrtes Fräulein Anna Pecht,

wir wissen, dass Ihr in der Vergangenheit dafür gesorgt habt, dass Euer Vater, Josef Pecht, seine Spielschulden zeitig und zuverlässig bezahlt. Allein deshalb sind wir bereit, auf die noch ausstehende Summe, die sich seit dem heutigen Abend um 4 weitere Gulden erhöht hat, einige weitere Wochen zu warten. Allerdings ist unsere Geduld nicht unbegrenzt. Wir erwarten, bald von Euch zu hören.

Untertänigst,

Wolfgang Gerber, Ludwig Krämer, Gerd Wagner

Man musste ihnen zugestehen, dass sie höflich waren, aber das war auch schon das einzig Gute, was Anna über die Männer zu sagen wusste, mit denen ihr Vater sich regelmäßig zum Karten- und Würfelspiel traf. Sie zerknüllte den Zettel in der Hand und atmete mehrmals tief durch, kämpfte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen.

»Anna …«

Die Männer an der Presse hatten ihre Arbeit unterbrochen. Heinrich sah sie mitleidig an, die Blicke der anderen huschten hierhin und dorthin, als wüssten sie nicht genau, ob sie wirklich Zeuge dieses Vorfalls werden wollten.

Eilig wischte Anna sich mit dem Ärmel über die Augen. Sie hatte hart gearbeitet, um sich den Respekt dieser Männer zu verdienen. Sie würde nicht zulassen, dass ihr Vater auch das noch kaputt machte.

»Macht weiter«, befahl sie barsch. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Auch wenn sie nicht wusste, was das alles noch nützen sollte. Warum machte sie sich eigentlich etwas vor? Sie hatte diesen Kampf doch längst verloren.

Während Anna hinter dem Handwagen hertrottete, auf dem Jackel die neueste Ladung Packpapier durch die Straßen zog, starrte sie stur geradeaus. Nur keinen Blickkontakt zu den abgerissenen Gestalten rechts und links herstellen. Das sorgte lediglich dafür, dass die Bettler bittend die Hände in ihre Richtung ausstreckten oder gleich nach dem Karren griffen, als wollten sie ihn anhalten. Sie hatte nichts, das sie ihnen hätte geben können. Eher bestand die Möglichkeit, dass sie sich bald unter ihnen einreihen würde.

Anna merkte, wie Jackel seine Schritte beschleunigte, und bemühte sich, den Anschluss nicht zu verlieren. Sehr wahrscheinlich war es nicht, dass jemand Papier stehlen wollte, aber wer wusste schon, was die Leute in den Fässern auf dem Karren vermuteten. Besser, sie hatte ein Auge darauf. Zum Glück wurden die Straßen deutlich leerer, nachdem sie die spitzen Doppeltürme der Lorenzkirche hinter sich gelassen hatten.

Schließlich zog Jackel den Wagen in den Hof von Wolfgang Endters Druckerei. Der Herr des Hauses kam ihnen mit einem Lächeln entgegen, das meistens auf seinem breiten, freundlichen Gesicht wie festgeklebt schien. Er war nur sieben Jahre älter als Anna und hatte die Druckerei in diesem Jahr von seinem Vater übernommen.

»Fräulein Anna! Pünktlich wie immer!«

Anna ging um den Karren herum und erwiderte das Lächeln. »Ich bringe die gewünschte Lieferung.«

»Ich hoffe, sie ist besser als die letzte. Dein Packpapier wird immer dünner. Es nützt mir gar nichts, wenn es reißt und die Buchblöcke auf dem Weg zu den Kunden schmutzig werden.«

Das war nicht der Beginn, den sie sich für diese Verhandlungen gewünscht hatte. Anna bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. »Wir geben unser Bestes, um trotz der schwierigen Umstände gute Ware zu liefern.«

Endter rümpfte die Nase. Wenn es ums Geschäftliche ging, war er immer ein zäher Brocken, aber diesmal kam es Anna so vor, als wäre seine Unzufriedenheit weniger gespielt als sonst. »Dieselbe Entschuldigung haben sie mir bereits in der Kleinweidenmühle gegeben, als sie schon wieder die Preise...



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