E-Book, Deutsch, 0 Seiten
Bova Jupiter
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-15164-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
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ISBN: 978-3-641-15164-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Direktor L. Zhang Wo, Leiter der wissenschaftlichen Beobachtungsstation im Orbit des Gasriesen, vermutet, dass der Jupiter bewohnt sein könnte. Erste Tauchexpeditionen in die Tiefen des Jupiter-Atmosphäre deuten ebenfalls darauf hin. Doch die Experimente müssen heimlich durchgeführt werden, weil die Kreationisten und die islamischen Fundamentalisten, die auf der Erde das Sagen haben, in der Suche nach außerirdischem Leben eine Blasphemie sehen und die Forschungen mit allen Mitteln unterbinden wollen. Grant Archer, ein junger Astronom, wird als Spitzel auf die Station geschickt, um Beweise für die gottlosen Aktivitäten zu sammeln. Doch wie loyal kann der idealistische Forscher gegenüber seinen inquisitorischen Auftraggebern sein?
Ben Bova, 1932 in Philadelphia geboren, ist einer der bekanntesten Science-Fiction-Autoren unserer Zeit. Nach dem Tod von John W. Campbell jr. wurde er 1972 Herausgeber des bekannten SF-Magazins Analog Science Fact & Fiction und gewann insgesamt sechs Hugo Awards als Bester Herausgeber. Daneben legte Bova auch zahlreiche Romane vor, insbesondere mit der sogenannten Sonnensystem-Reihe, zu der unter anderem 'Mars', 'Venus', 'Jupiter', 'Saturn' sowie 'Asteroidenkrieg', 'Asteroidenfeuer' und 'Asteroidensturm' gehören, ist er außerordentlich erfolgreich. Bova lebt mit seiner Familie in Florida.
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2. »… AUF WELCHER SEITE SIE STEHEN«
Grants Vater riet zur Geduld.
»Wenn sie dich dorthin schicken wollen, müssen sie ihre Gründe haben. Du wirst dich damit abfinden müssen, Junge.«
Grant konnte sich damit nicht abfinden. Trotz ernster Gebete war keine Geduld in ihm. Sein Vater war sein Leben lang ein sanftmütiger und hinnehmender Mann gewesen, und was hatte es ihm eingebracht? Unbekanntheit, vornehme Armut und herablassendes Lächeln hinter seinem Rücken. Das ist nichts für mich, sagte sich Grant.
Entgegen dem beschwichtigenden Rat seines Vaters wehrte sich Grant bis hinauf zum Regionaldirektor der Neuen Ethik für die nordwestlichen Staaten gegen die Entscheidung.
»Ich kann nicht vier Jahre im Jupiter-Orbit verbringen«, beharrte er. »Ich bin verheiratet! Ich kann nicht vier Jahre lang so weit entfernt sein! Außerdem studiere ich Astrophysik, und beim Jupiter gibt es dafür keinen Bedarf. Ich werde vier Jahre vergeuden! Man sagt mir, ich könne meine Studien dort in der Freizeit fortsetzen, aber wie kann ich arbeiten, wenn dort keine Astrophysik betrieben wird?«
Der Regionaldirektor saß steif und aufrecht in einem Lehnstuhl hinter seinem von Papieren überhäuften Schreibtisch aus massiver Eiche. Er beobachtete den aufgeregten jungen Mann über die zusammengelegten Fingerspitzen seiner schmalen Hände hinweg, während Grant weiterplapperte. Sein Name war Ellis Beech. Er war ein ernst aussehender Afroamerikaner, dessen Haut die Farbe von rußigem Rauch hatte. Sein Gesicht war lang und hohlwangig, der düstere Blick seiner hellbraunen Augen ruhte unverwandt und konzentriert auf Grant.
Schließlich gingen diesem die Worte aus. Er wusste nicht, was er noch sagen konnte. Er hatte sich bemüht, Zorn und Enttäuschung zu beherrschen, war sich aber bewusst, dass er laut geworden war, ohne es zu wollen, und damit seine Verärgerung und Aufgeregtheit verraten hatte. Zeig niemals Ärger, hatte sein Vater ihm geraten. Bleib ruhig und vernünftig. Ärger erzeugt Ärger; du willst den Regionaldirektor von deinem Standpunkt überzeugen, nicht ihn dir zum Feind machen.
Grant sank in seinen Stuhl zurück und wartete auf eine Reaktion des Regionaldirektors. Der Mann sah nicht wie einer aus, der sich angegriffen oder vor den Kopf gestoßen fühlte. Er machte eher den Eindruck, dass er nur die Hälfte dessen gehört habe, was Grant gesagt hatte. Beechs Schreibtisch war voll Papier, von einzelnen Blättern bis zu dicken, rotgebundenen Bänden; sein Computerschirm flimmerte beunruhigend; er war offensichtlich ein sehr wichtiger und sehr geschäftiger Mann, obwohl sein Telefon noch nicht einmal gepiept hatte, seit Grant in das warm getäfelte und mit Teppich ausgelegte Büro geführt worden war.
»Ich war für das Mondobservatorium gemeldet«, murmelte Grant in einem Versuch, dem hinter dem Schreibtisch brütenden Mann eine Antwort zu entlocken.
»Ich bin mir dessen bewusst«, sagte Beech endlich. Dann fügte er hinzu: »Aber unglücklicherweise werden Sie in der Jupiterstation gebraucht.«
»Wie könnte ich gebraucht werden?«
»Lassen Sie sich die Situation von mir erklären, junger Mann.«
Grant nickte.
»Die Wissenschaftler haben ihre Forschungsstation in der Jupiterumlaufbahn seit bald zwanzig Jahren«, sagte Beech mit leichter Betonung des Wortes Wissenschaftler. »Sie haben sich mit den Lebensformen beschäftigt, die auf zwei Monden des Planeten existieren.«
»Drei«, korrigierte ihn Grant ohne zu überlegen. »Außerdem haben sie Lebensformen in der Jupiteratmosphäre gefunden.«
Beech fuhr unbeirrt fort: »Die Arbeit, die diese Wissenschaftler verrichten, ist äußerst kostspielig. Sie geben Geld aus, das viel besser verwendet werden könnte, den Armen und Benachteiligten hier auf Erden zu helfen.«
Bevor Grant etwas erwidern konnte, hob Beech abwehrend die Hand. »Wie auch immer, wir von der Neuen Ethik erheben keine Einwände gegen ihre Arbeit. Obwohl viele dieser Wissenschaftler tun, was sie können, um die Wahrheit der Heiligen Schrift zu widerlegen, gestatten wir ihnen die Fortführung ihrer gottlosen Tätigkeit.«
Grant konnte sich nicht denken, dass das Studium der hoch angepassten Algen und Mikroben, die in den eisbedeckten Meeren der Jupitermonde lebten, eine gottlose Tätigkeit sei. Wie konnte irgendein Versuch, die Fülle von Gottes Schöpfung zu verstehen, als gottlos betrachtet werden?
»Warum erheben wir keine Einwände gegen diese ungeheuer kostspielige Verschwendung von Geldmitteln und Anstrengungen?«, fragte Beech rhetorisch. »Weil wir von der Neuen Ethik und ähnlichen gottesfürchtigen Organisationen in anderen Ländern es für zweckmäßig halten, einen Kompromiss mit der Internationalen Astronautischen Behörde und den globalen finanziellen Machtstrukturen zu schließen.«
»Kompromiss?«, überlegte Grant laut.
»Es geht um die Fusion«, sagte Beech. »Thermonukleare Fusion. Das wirtschaftliche Wohlergehen der Menschheit hängt von Kraftwerken ab, die mit Fusionsenergie arbeiten. Ohne diese würde die Menschheit in die Armut und das Chaos und die Korruption zurücksinken, die in früheren Jahren zu Kriegen und Terrorismus führten. Mithilfe der Fusionsenergie heben wir den Lebensstandard sogar der Ärmsten der Armen und bringen Hoffnung und Rettung bis in die trostlosesten Winkel.«
Grant glaubte zu verstehen. »Und das Brennmaterial für die Fusionsreaktoren – die Wasserstoff- und Heliumisotopen – kommen vom Jupiter.«
»Das ist richtig«, sagte Beech und nickte ernst. »Die ersten Fusionsreaktoren wurden neben Wasserstoff mit Tritium betrieben, das aus Lithium erbrütet werden musste, aber das war zu kostspielig. Die Jupiteratmosphäre ist voll von Tritium. Unbemannte automatisierte Sammlerschiffe verdichten die Isotopen an Ort und Stelle und bringen das Tritium tonnenweise zur Erde.«
»Aber was hat das mit der wissenschaftlichen Forschung zu tun, die in der Jupiterstation betrieben wird?«, fragte Grant.
Beech breitete die Hände aus. »Als wir von der Neuen Ethik darauf hinwiesen, dass das für diese Wissenschaftler ausgegebene Geld besser hier auf Erden eingesetzt werden sollte, verlangten die Anthropozentriker der IAB und der großen Finanzinstitute unserer globalisierten Wirtschaft, dass die Forschungen fortgesetzt werden müssten. Sie lehnten die Einstellung der von ihnen finanzierten Forschungsaktivitäten rundweg ab.«
Gut, dachte Grant.
»Also wurde ein Kompromiss erzielt: die Wissenschaftler können ihre Arbeit fortsetzen, solange sie aus den durch den Betrieb der Sammlerschiffe erzielten Gewinnen finanziert werden kann.«
»Der Betriebsstoff für die Fusionsreaktoren finanziert die Forschungsarbeiten«, sagte Grant.
»Ja, so ist es in den letzten zehn Jahren gehandhabt worden.«
»Aber was hat dies alles mit mir zu tun? Warum schicken Sie mich zum Jupiter?«
»Wir wissen, was die Wissenschaftler auf den Jupitermonden tun. Aber letztes Jahr schickten sie eine Sonde in den Planeten selbst.«
»Sie schicken viele Sonden zum Jupiter«, erwiderte Grant.
»Diese war bemannt«, sagte Beech.
Grant stockte der Atem. »Eine bemannte Sonde? Sind Sie sicher? Ich habe nie etwas darüber gehört.«
»Wir auch nicht. Sie taten es insgeheim.«
»Nein! Wie konnten …?«
»Darum werden Sie zur Jupiterstation geschickt. Um in Erfahrung zu bringen, was diese Gottlosen damit zu erreichen suchen«, erklärte Beech.
»Ich? Sie wünschen, dass ich ihnen nachspioniere?«
»Wir müssen wissen, was sie tun – und warum sie ihre Aktivitäten nicht melden, nicht einmal der IAB.«
»Aber ich bin kein Spion. Ich bin Student!«
Beechs ernster Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Mr. Archer, ich bin überzeugt, dass Sie gleichzeitig ein Student der Naturwissenschaften und gläubig sein können.«
»Ja! Es gibt keinen fundamentalen Konflikt zwischen Wissenschaft und Glauben.«
»Vielleicht. Aber in der Jupiter-Forschungsstation arbeiten Wissenschaftler an etwas, das sie uns verheimlichen. Und wir müssen herausfinden, was dort gespielt wird und was sie vorhaben!«
»Aber … warum ich?«
»Gottes Wege sind unerforschlich, junger Freund. Sie sind ausgewählt worden. Finden Sie sich damit ab.«
»Es wird mein Leben ruinieren«, wandte Grant ein. »Vier Jahre getrennt von meiner Frau, vier Jahre für weiß Gott was vergeudet. Ich werde nie zu meinem Doktorat kommen!«
Beech nickte. »Es ist ein Opfer, das ist mir klar. Aber es ist ein Opfer, das Sie dem Himmel mit Freuden darbringen sollten. Außerdem sind Sie jung und haben das Leben noch vor sich. Sie werden Ihr Studium eben ein paar Jahre später abschließen. Aufs Ganze gesehen macht es nicht viel aus.«
»Sie können das leicht sagen. Ich bin derjenige, dessen Leben auf den Kopf gestellt wird.«
»Ich glaube, ich muss Ihnen etwas erklären«, sagte Beech und klopfte mit einer Fingerspitze auf den Schreibtisch. »Haben Sie eine Vorstellung davon, wie die Welt aussah, bevor die Neue Ethik und ähnliche Organisationen in den meisten Ländern politische Macht errangen?«
Grant rückte unbehaglich auf seinem Stuhl. »Es gab viele Probleme …«
Beech spuckte ein einziges, scharfes »Hah!« aus. Grant bemerkte, dass die Farbe seiner Augen der eines Löwen glich. Und er starrte Grant an, wie ein Löwe eine Gazelle beobachtet.
»Ich meine, wirtschaftlich, sozial …«
»Die Welt war ein Sumpf!«, fauchte Beech. »Überall Korruption. Verfall der Werte, keinerlei moralische Vorbilder. Die Politiker bloße Marionetten mächtiger...