Braem | Die Macht der Farben: Bedeutung und Symbolik | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 172 Seiten

Braem Die Macht der Farben: Bedeutung und Symbolik


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7521-1844-5
Verlag: Elvea
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

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ISBN: 978-3-7521-1844-5
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Harald Braem, 1944 in Berlin geboren. Studien: Visuelle Kommunikation, Psychologie und Marketing. Bei Young & Rubicam im Team der lila Milka-Kuh; als Creative Director bei Compton/Saatchi & Saatchi für internationale Werbekampagnen verantwortlich. Von 1981 bis 2000 Professor für Farbenlehre und Farbpsychologie an der FH/University of Applied Sciences in Wiesbaden. Mitglied des Expertenstabes im Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Dozent an der Gutshofakademie Frielendorf. Unter seiner Mitwirkung entstanden zahlreiche Radio - und TV-Sendungen zum Thema (u. a. Terra X 'Die Magie der Farben', 2015, ZDF). 2005 wurde die Dokumentation 'Farbpsychologie. Entdecken Sie Ihre Wohlfühlumgebung' von Rainer Wälde mit dem World Media Award ausgezeichnet.

Harald Braem, 1944 in Berlin geboren. Studien: Visuelle Kommunikation, Psychologie und Marketing. Bei Young & Rubicam im Team der lila Milka-Kuh; als Creative Director bei Compton/Saatchi & Saatchi für internationale Werbekampagnen verantwortlich.

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    Die Farben   Die Farbe Rot

Nach allem was man darüber weiß, ist Rot tatsächlich die älteste Farbe der Menschheit. Wie es zu dieser Aussage kommt? Nun, da gibt es zunächst einmal die Sprachforschung. In vielen Ländern erscheinen alljährlich sogenannte ›Hitlisten‹ der hundert oder mehr gebräuchlichsten Wörter einer Sprache. Anhand dieser Listen kann man feststellen, ob sich eine Sprache verändert, welche Wörter zum Standard gehören, welche in Mode kommen oder veralten, welches Bewusstsein die Sprache prägt. Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland spiegelt die ›Hitliste‹ beispielsweise deutlich wieder, dass wir noch immer im Patriarchat leben: die Wörter er, Mann, sein und Herr finden sich ganz vorn in der Rangliste des häufigen Gebrauchs, während feminine Begriffe wie sie, Frau, ihr, Dame usw. an auffallend schlechteren Positionen platziert sind. Sprache ist eben verräterisch.
Auffallend ist auch, dass unter den ersten Hundert nur eine einzige Farbe (noch vor Position zwanzig) auftaucht, nämlich Rot. Alle anderen Farben, Grün, Gelb, Blau usw. finden sich entweder auf einem Platz weit nach 100 oder überhaupt nicht in der Tabelle. Diese unangefochtene Favoritenrolle behauptet Rot nun schon so lange, wie es solche Untersuchungen gibt. Und das nicht nur bei uns, sondern in vielen Ländern und Sprachen der Erde. Rot scheint also – wie der Philosoph Hegel einmal sagte – »die konkrete Farbe schlechthin« zu sein. Erforschen wir den Sachverhalt weiter, steigen wir tiefer in die Sprachforschung (Etymologie: Lehre von der Herkunft der Wörter/Sprachwurzelforschung) ein, so stellen wir fest, dass Rot in der Tat in den meisten Sprachen der Erde der älteste Farbname zu sein scheint. In einigen Sprachen, wie z.B. im Russischen, ist die Bezeichnung ›Rot‹ (krassnij) sogar identisch mit ›schön‹. Augenscheinlich muss Rot die Menschen von Anfang an beeindruckt haben. Aber was ist es, das Rot so einzigartig, so faszinierend und wichtig macht? Was muss passiert sein, wenn eine Farbe derart unauslöschlich in unser Unterbewusstsein eingebrannt ist? Unternehmen wir einmal den Versuch, solche prägenden Urerlebnisse nachzuempfinden. Lassen wir uns ein paar Jahrtausende, oder sagen wir ruhig eine Million Jahre und mehr zurückfallen in die Frühzeit der Menschheitsgeschichte: Höhlenjäger haben einen Urbüffel gestellt. Aus mehreren Pfeil- und Lanzenwunden strömt das Blut. Er ist gereizt, zu allem entschlossen. Einen der Jäger, der ihm unvorsichtigerweise zu nahe kam, hat er mit seinen scharfen Hörnern erwischt und der Länge nach aufgerissen. Der Mann liegt stöhnend am Boden und presst die Hände auf die Wunde, als könne er so den Schwall seines Blutes aufhalten. Vergebens, von Minute zu Minute zerrinnt seine Lebenskraft. Als endlich der Büffel durch mehrere todesmutig ausgeführte Lanzenstiche fällt, hat auch der Verletzte sein Leben ausgehaucht. Schweißnass und keuchend, aus Jagdfieber und tranceähnlicher Ekstase erwachend, stehen die Männer herum. Sie sehen ihren Gefährten reglos in einer Blutlache liegen. Sein Lebenssaft ist versickert.
Rot – die Farbe des Lebens! ›Rot wie Blut‹, ›blutrot‹ bezeichnet treffend der Volksmund. Und Goethe lässt Mephisto den Dr. Faust mit Blut unterschreiben: »Blut ist ein ganz besonderer Saft …« Wir wissen das. Wir sind zivilisiert, wir können kein Blut sehen. Bei uns fallen viele Leute schon um, wenn es um einen einzigen Tropfen Blut bei der Blutprobe geht. Das macht die ›Kulturschranke‹. Blut vergießt man nicht. Blutvergießen ist Sünde.
Doch scheint diese anerzogene Verhaltensweise nur sehr schwach ausgeprägt zu sein: Normalerweise reagieren wir auf das Signal ›Rot‹ richtig (z.B. vor einer roten Ampel). So lange jedenfalls, bis wir ›rot sehen‹. Unter extremen Bedingungen bricht die ›Kulturschranke‹ aber schnell zusammen. Als Stichworte seien hier nur Krieg, Amoklauf, Blutrache und Blutrausch genannt, es sei an Stier- und Hahnenkämpfe erinnert, an rituelle Schlachtungen und Opferzeremonien, an religiöse Selbstverstümmelungen, Voodoo und Macumba. Aber wir brauchen bei unseren Beispielen nicht einmal so weit ins Exotische auszuweichen. Auch hier passiert es ja beinahe täglich – wenn etwa eine sensationslüsterne Menge Schaulustiger gierig zusammenläuft, um die Unfallopfer in ihrem Blut anzustarren oder bei blutrünstigen Horrorfilmen, die bei Zehntausenden jenes unerklärliche Kribbeln erzeugen. Besonders beliebt bei Jugendlichen (als Mutprobe) sind z. Zt. Videocassetten mit Kannibalismusszenen. Der ›echte‹ Kannibalismus hatte den Sinn, sich mit dem Fleisch und Blut des Gegners auch dessen Kraft und Stärke einzuverleiben. Im Christentum wird dieser Gedanke auf symbolische Art durch das Abendmahl fortgeführt. Man ›isst‹ den Leib (Oblaten) und trinkt das Blut (Wein) Christi, um sich im Glauben zu stärken. Sein Blut wurde ja vergossen, weil es die Kraft hat, die Sünden der Menschen wiedergutzumachen.
Aber Blut ist nur ein Aspekt. Tauchen wir noch einmal in die Vorzeit zurück. Welches Element zieht von jeher magisch den Menschen an, weil es sowohl gnadenlos zerstört und verzehrt, als auch Nahrung spendet, ebenso verbrennt wie wärmt und schützt, kurzum – alles verwandelt? Natürlich das Feuer. Heute wissen wir, dass Herstellung, Bändigung und bewusster Einsatz des Feuers einen (vielleicht den bedeutendsten) Kulturschub beim Menschen auslöste. Und wir können es gut nachvollziehen: Rohes Fleisch verwandelt sich in Braten, eine kalte, unwirtliche Höhle in ein behagliches Heim, die gefährliche Nacht wird mittels des Feuers zum überschaubaren Tag gemacht. Und dann noch die geheimnisvollen Veränderungen, die Feuer bewirkt: Wenn man Ockerpulver erhitzt, wird plötzlich aus einem gelben, hellbräunlichen Ton ein leuchtendes Rot, die Farbe des Blutes. Jeder kennt diesen Vorgang, der sich beim Brennen von Ziegeln abspielt. Bei den frühen Steinzeitmenschen galt gebrannter Ocker daher als heilige Farbe, mit der ganz bestimmte Stellen am Wild gekennzeichnet wurden, das sie in magischen Beschwörungsritualen an die Wände ihrer Höhlen malten (Altamira, Lascaux usw.) Feuer hat immer einen ungeheuren Reiz auf den Menschen ausgeübt und tut es heute noch. Wer hat noch nicht am Kamin oder am Lagerfeuer gesessen und gebannt in die tanzenden, züngelnden Flammen gestarrt und sich faszinieren lassen? Auch hier kann die ›Kulturschranke‹ schnell übersprungen werden. Wir brauchen nur an das ›Zündeln‹ und ›Kokeln‹ der Pyromanen, der ›Feuerteufel‹ zu denken, die aus krankhafter Leidenschaft heraus zu Brandstiftern werden. Feuer ist Macht, ist entfesselte und zerstörende Leidenschaft. Wer einmal miterlebt hat, mit welcher Wut und Gewalt ein Waldbrand tobt, wird diesen Anblick wohl nie vergessen. Ist Rot also die Farbe des Feuers! Nicht nur das. Ein altes Sprichwort verrät, dass außer Feuer und Blut noch eine dritte Komponente im Spiel ist. Es lautet: Rot ist die Liebe, rot ist das Blut, rot ist der Teufel in seiner Wut.
Rot also überdies noch als Farbe der Liebe Ja, aber gewiss nicht in der stillen, platonischen Form. Hier ist eher die körperliche Seite der Liebe gemeint, Sex und Sinnlichkeit, kein heimlich schwelendes Feuer, sondern eins, das glutvoll entfacht ist und lichterloh brennt. Über das rote Herz als einfachstes Symbol für die Liebe wurde bereits im vorigen Kapitel gesprochen. Es gibt eine Theorie über die Entstehung der Herzform selbst. So sollen nämlich die nackten Hinterteile von Frauen, die vor ihren Männern in die Höhle krochen, als Vorbild gedient haben. Ein recht derber Bezug, der aber ahnen lässt, wie handfest das Herzsymbol mit Sex und Erotik verbunden ist. Könnten Sie sich übrigens ›gewisse Viertel‹ mit blauen oder grünen Laternen vorstellen? Nein, das rote Licht der Etablissements spricht eine deutliche Sprache, die auch ohne weitere Erklärung verstanden wird.
Fassen wir zusammen: Rot steht für die Erfahrungen mit den Urerlebnissen Blut, Feuer und Liebe. Bevor wir uns jetzt näher mit der tiefenpsychologischen Dimension der Farbe Rot beschäftigen, sei ein kurzer Streifzug durchs Altertum und die jüngere Geschichte erlaubt, der facettenartig die weiteren Ausprägungen und Anmutungsqualitäten der Farbe ins Blickfeld rückt. Schon in Ägypten war Rot eine kostbare Farbe, mit der sich nachweislich die Töchter der Pharaonen schmückten. Damals kam die Mode des Schminkens von Wangen, Lippen und Fingernägeln auf. Aber zu welchem Preis: Um ein wenig Purpurrot zu gewinnen, mussten Sklaven tausende von Purpurschnecken sammeln, zerstampfen und zu Sud zerkochen. Der rote Farbstoff der Schnecke stammt aus einer kleinen (Sexualhormon-)Drüse. Auch im alten Rom fand die auffallende Farbe Anklang. Aber nur sehr wenige Reiche konnten sich den teuren Farbstoff leisten. Zuerst war es allein dem obersten Senat vorbehalten, eine rote Toga zu tragen. Später wurde das auch in wohlhabenden Kreisen üblich. Die Purpurherstellung im römischen Reich war einer eigenen Zunft vorbehalten, die strenger staatlicher Überwachung unterworfen und zur Wahrung ihres Berufsgeheimnisses verpflichtet war. Wenn man sich vorstellt, dass über zehntausend Schnecken notwendig waren, um nur ein Gramm zu gewinnen, und das Färben von einem Kilo Wolle nach heutigen Maßstäben etwa 7000 Euro kostete, so wird deutlich, welch kostbaren Luxus der Purpurfarbstoff bedeutete. Nachdem die Purpurfärberei einen regelrechten Boom erlebte und verschiedene Städte (z.B. Tarent) zu Wohlstand und...



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