E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Reihe: Seawalkers & Friends
Brandis Seawalkers & Friends. Dreizehn Wellen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-401-81080-5
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Kurzgeschichten-Special zur Tierfantasy-Erfolgsreihe "Seawalkers" von Woodwalkers-Autorin Katja Brandis
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Reihe: Seawalkers & Friends
ISBN: 978-3-401-81080-5
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. Weitere Infos unter: www.katja-brandis.de
Weitere Infos & Material
Ganz schön glitschig
.
Als ihre Mutter Jane ihr an einem Freitagnachmittag zuraunte: »Ich muss dir was sagen, Sweetie … ich habe nicht nur eine Menschengestalt, ich bin auch ein Walhai«, da musste Finny furchtbar lachen. Das war ja wirklich ein witziger Einfall! Sofort bekam sie Lust, darauf einzusteigen.
»Ach so«, meinte sie und strich sich eine Strähne ihres zurzeit pink gefärbten Haares aus der Stirn. »Ich dachte, du bist ein Seestern.«
Ihre Mum wirkte erstaunt, aber auch sehr erleichtert. »Wahr ist, ich liege gerne faul auf der Couch, aber Seesterne sind in erster Gestalt meistens Leute, die nicht gern reisen, und ich liebe es ja, unterwegs zu sein …«
Finny lehnte sich vor und bemühte sich sehr, ein ernstes Gesicht zu machen. Das hatte sie in letzter Zeit oft vor dem Spiegel geübt – in die Theatergruppe ihrer Schule durfte nur, wer seine Mimik wirklich gut unter Kontrolle hatte. »Willst du denn gar nicht wissen, was für ein Tier bin?«
Das hier war sooo lustig! Ihre Mutter spielte sofort mit und tat verblüfft. »Du weißt es schon? Aber wann hast du dich denn zum ersten Mal …?«
»Ich bin ein Tiger!« Finny fletschte die Zähne, sprang auf, pirschte durch die Küche und lauerte dem Staubsauger auf, den ihre Mutter schon für die Putzfrau rausgestellt hatte.
Diesmal war es ihre Mutter, die loslachte. »Nein, mein Schatz, du bist sehr wahrscheinlich keine Katze. Hast du nicht gemerkt, dass du Wasser um dich brauchst? Das ist bei Katzen eher selten so.«
Finny grinste. . »Ich will ja nicht klugscheißern, aber erstens schwimmen Tiger gerne und außerdem könnte ich doch eine … Fischkatze sein oder so was? Oder ein Katzenhai?« Vielleicht sollte sie zum nächsten Fasching als Tiger gehen. Beim letzten Kostümfest in ihrer Schule hatte niemand kapiert, dass sie eine Dämonenjägerin war, obwohl ihr Outfit absolut genial gewesen war.
Im Gesicht ihrer Mutter passierte eine ganze Menge. »Finny. Es ist schwer zu glauben, ich weiß, aber wir sind wirklich Gestaltwandler.«
Eiswasser floss durch Finnys ganzen Körper. Würde jemand ihr glauben, wenn sie in der nächstbesten Klapsmühle anrief und berichtete, dass ihre Mutter leider, leider den Verstand verloren hatte? Wahrscheinlich nicht. Kindern glaubte nie jemand irgendwas.
»Sag mal, warst du auf irgendwelchen komischen Websites?«, fragte Finny mit ihrer einfühlsamsten Stimme. »Man darf nicht alles glauben, was man in YouTube-Videos sieht.«
»Ich habe schon früh gespürt, dass du auch eine zweite Gestalt hast.« Ihre Mum lächelte sie an. »Das kann man fühlen, weißt du? Wenn jemand anders auch ein Woodwalker oder Seawalker ist. Bei deinem Vater wusste ich, er ist keiner, aber wenn man verliebt ist, dann interessiert einen so was natürlich nicht.«
»Wow«, sagte Finny. Mehr als Ein-Wort-Sätze passten gerade weder in ihren Kopf noch in ihren Mund. Eins war klar, ihre Mum meinte das alles ernst.
»Warum ich dir das gerade jetzt sage?« Ihre Mutter wirkte irgendwie … unternehmungslustig. »Dieses Jahr möchte ich dich mitnehmen zu unserem jährlichen Mobula-Treffen in Kalifornien. Es ist immer im Mai. Die ganze Verwandtschaft schwimmt mit und …«
Das Handy ihrer Mum klingelte. Während Finny dasaß und versuchte, diesen Tsunami von Gefühlen irgendwie zu sortieren, runzelte ihre Mutter die Stirn und wollte den Anruf gerade wegdrücken, als sie es sich doch anders überlegte. »Ist ja seltsam, dass Shirley um diese Zeit anruft …« Sekunden später prallten ganz neue Worte an Finnys Ohren. »Oh Gott! Das ist ja schrecklich! Ja klar, ich komme sofort und fahre dich zum Arzt. Nein, das ist gar kein Problem. Bis gleich!«
Ihre Mum sprang auf, griff sich die Autoschlüssel und sagte nur noch kurz über die Schulter: »Bleib am besten hier und mach gar nichts, ja? Ich bin bald zurück. Wenn Chloe nachher zum Putzen kommt, fahren wir zum Meer und klären das alles.«
»Ist mit Shirley alles okay?«, fragte Finny besorgt – sie mochte die beste Freundin ihrer Mutter sehr. Sie war Vertreterin einer Süßwarenfirma und brachte manchmal ganze Tüten von neuen Sachen aus ihrer Firma mit. (Finny hatte sie erfolgreich überzeugt, dass die Welt keine Marshmallows mit Blaubeergeschmack brauchte.)
»Autounfall, aber keine Sorge, nicht allzu schlimm«, kam es knapp zurück, dann klappte die Tür zu. Nur das Parfüm ihrer Mum – hieß das Zeug – schwebte noch in der Luft. Ihr Dad, der heute Spätschicht auf der Wache hatte, mochte den Duft.
Finny ließ sich aufs Sofa fallen, das blau war wie auch der Teppich (ihr Dad hatte sich vergeblich für Rot eingesetzt). . . Am liebsten wäre Finny unter die Dusche gesprungen, dort konnte sie ihre Gedanken am besten sortieren, sie liebte Wasser einfach in jeder Form.
Hm … konnte es sein, dass das alles stimmte?
Noch eine halbe Stunde, bis die Putzfrau kam. Genug Zeit für eine Dusche – und dafür, nachzuschauen, was es mit diesem »Mobula« auf sich hatte. Klang wie irgendeine neue App. War aber anscheinend eine Rochenart. Noch während sie sich in ihrem Zimmer auszog, klickte Finny auf ein Video der putzigen Tierchen, die sich im Meer in die Luft warfen und zurück ins Wasser klatschen ließen. .
Das Kribbeln überfiel sie ganz plötzlich. Nervös kratzte sich Finny am Bauch … das war jedenfalls der Plan. Doch ihre Finger weigerten sich, ihr zu gehorchen, sie spürte sie nicht mal mehr! Bevor sie es sich versah, fiel sie schon und konnte sich nicht festhalten, weil sie – he, Moment mal! – nicht nur keine Finger, sondern auch keine Arme mehr hatte.
Zwei oder drei Herzschläge später sah Finny den Boden so ungefähr aus Knöchelhöhe. Inklusive Staubflusen und einem heruntergefallenen Bonbonpapier. Alles sah seltsam aus, irgendwie verzerrt, und das Licht war scheußlich grell. Aber das war nicht das Schlimmste.
Das Schlimmste war die Sache mit dem Atmen.
Es ging kaum noch.
Sie rang nach Luft, konnte aber nur ein winziges bisschen davon einsaugen.
Gegenüber war der Spiegel an der Rückseite ihres Zimmers. Daraus glotzte etwas zurück, was wie ein schwarzes, glitschiges Alien aussah. Finny hätte gerne geschrien, doch ihr neuer Mund (auf der Unterseite ihres Körpers) klebte gerade auf dem eklig nach Plastik schmeckenden Boden.
Das Handy lag auf ihrem Nachttisch. Wenn sie es irgendwie schaffte, Skype zu starten … ein Blick auf ihr neues Ich genügte ja, dann wusste ihre Mum Bescheid.
Sie spannte ihren Körper an, bewegte ihre Flügelflossen und glitschte ein Stück nach vorne in Richtung Nachttisch. Wahrscheinlich sah sie aus wie ein riesiger Pfannkuchen, als sie flappend vorankroch. Zum Glück war ihr Teppich gerade in der Wäsche.
Das Problem war, ordentlich war es in ihrem Zimmer nicht –, sie hatte vergessen aufzuräumen, bevor Chloe zum Putzen kam. Auf dem Boden lag jede Menge Zeug herum. , die kantigen, halb leeren Kekspackungen taten richtig weh. Die Ordner fühlten sich an wie Klippen, die Schulhefte wie knittrige Bremsbeläge. Und da vorne – – lag ein Berg von nicht mehr ganz frischen Hosen und T-Shirts. Keuchend kroch Finny darüber und blickte dann drei oder vier Socken ins wollige Gesicht.
, dachte Finny. Sie fühlte sich...