Brauchle / Dubb / Roth | Angehörigenbegleitung und Krisenintervention in der Notaufnahme | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 151 Seiten

Brauchle / Dubb / Roth Angehörigenbegleitung und Krisenintervention in der Notaufnahme

E-Book, Deutsch, 151 Seiten

ISBN: 978-3-17-039280-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die vielfältigen Anforderungen in Notaufnahmen erfordern bei jedem eingewiesenen Fall aufs Neue, rasch, kompetent und menschlich zu agieren. Dies stellt das Personal vor große Herausforderungen. Steht primär die Versorgung der PatientInnen im Fokus, so wollen jedoch auch die Angehörigen & Erwachsene wie Kinder & der jeweiligen Situation angemessen begleitet werden und sich aufgehoben fühlen. Dabei ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen, um professionell agieren zu können.
In diesem Herausgeberband werden wichtige Aspekte in der Angehörigenbegleitung und psychosozialen Notfallversorgung für alle zu begleitenden Altersgruppen erläutert. Spannende Fallbeispiele, wie sie tagtäglich in der Notaufnahme passieren, bieten einen wertvollen Praxisbezug, Kommunikationskompetenzen werden geschult und Strategien der klinischen Krisenintervention aufgezeigt.
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2          Unterscheidung Krise und Trauma
Georg Johannes Roth und Martin Schniertshauer
2.1       Was ist eine traumatische Krise?
Wenn von Krise und Trauma gesprochen wird, so kursieren viele Begriffsdefinitionen und eine Trennung ist meist unscharf. Je nach Quelle und Kontext werden die Themen leider oftmals vermischt und miteinander in Verbindung gebracht. In der Tat geht es bei Krise und Trauma im Kontext Notaufnahme immer um die im Vordergrund stehende Notfallsituation. Gerade bei diesen Begrifflichkeiten ist eine genaue Abgrenzung entscheidend. Schon bei der Frage der Zuständigkeit nach der optimalen und professionellen Begleitung in Krisensituationen ist diese Frage kritisch zu stellen. Aufgrund der Verschiedenheit der Notfallsituationen und dem Erleben dieser von Patienten, Angehörigen und professionellen Helfern muss eine klare Trennschärfe erkennbar sein, um Kompetenz und Qualifizierung der Krisenbegleiter festzulegen. Seit vielen Jahren werden Begriffe wie Krise, Trauma und Traumatisierung fast schon von vielen Akteuren inflationär verwendet. Das birgt Risiken in der Erkennung von Grenzen im Hinblick auf die Begleitung von Betroffenen und lässt Personen evtl. falsch oder unversorgt zurück. Wichtig ist festzustellen, dass Personen Notfallereignisse und die Folgen daraus unterschiedlich erleben und Bewältigungsstrategien entwickeln, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Schon der Begriff Notfall lässt viel Spielraum und so spielen vor allem subjektive Erlebensmuster eine große Rolle für die persönliche Einstufung eines Notfallereignisses. Auch die daraus resultierende psychische Beeinträchtigung regelt diese individuellen Einschätzungen (vgl. Lasogga & Gasch 2008). Eine mögliche Notfall-Definition ist folgende: »Notfälle sind Ereignisse, die aufgrund ihrer subjektiv erlebten Intensität physisch und/oder psychisch als so beeinträchtigend erlebt werden, dass sie zu negativen Folgen in der physischen und/oder psychischen Gesundheit führen können. Von Notfällen können Einzelpersonen oder Gruppen betroffen sein« (Lasogga & Gasch 2008, S. 19). Mitchel und Everly beschrieben 2002 weitere Kennzeichen für Notfallsituationen: •  Notfälle treten plötzlich auf. •  Betroffene sind überrascht. •  Betroffene sind unvorbereitet. •  Betroffene sind überwältigt von der Intensität des Geschehens. •  Notfälle dauern relativ kurz. Bei einigen Notfallereignissen, wie z. B. Vulkanausbrüchen oder Lawinenunglücken, treffen nicht alle oben beschriebenen Kennzeichen zu. So treten gewisse Notfälle nicht akut und plötzlich auf, sondern Personen werden evtl. vorgewarnt. Auch die Dauer von erlebten Notfallsituationen kann unterschiedlich kurz und lang sein und von Betroffenen beurteilt werden – man denke an eine Geiselnahme in einer Bankfiliale bzw. den übersehenen Verkehrsunfall bei Nacht auf einer wenig befahrenen Landstraße. Auch die unterschiedlichen Sichtweisen spielen in der individuellen Notfall-Einschätzung eine Rolle. Z. B. hat das Alter der Betroffenen einen Einfluss auf das Notfall-Erleben, was mit Erfahrungen und Erfahrungsabgleich im Rahmen der Lebensbiografie zusammenhängt (vgl. Lasogga & Gasch 2008). Beim Abgrenzen der Begriffe Notfall und Trauma hilft es, mehrere Perspektiven und Blickrichtungen einzunehmen. Hinweis: Im weiteren Kapitelverlauf wird auf Trauma und Traumatisierung im Speziellen eingegangen. Eine mögliche Unterscheidung des Erlebens von Trauma und Traumata (vgl. Lasogga & Gasch 2008) ist: •  Trauma als Ereignis: Das erlebte Ereignis wird vom Betroffenen selbst als traumatisierend eingeschätzt. Je nach Ereignis kann dies von Personen unterschiedlich eingeschätzt werden und gilt somit nicht für alle. Es ist also nicht richtig, von Trauma bzw. Traumatisierung per se zu sprechen. In der professionellen Betrachtung kann und sollte man von potenziell traumatisierenden Ereignissen und potenzieller Traumatisierung sprechen. »Ob ein potenziell traumatisierendes Ereignis zu negativen Folgen führt, hängt somit neben den Ereignisfaktoren von den Moderatorvariablen des Betroffenen und der Intervention ab« (Lasogga & Gasch 2008, S. 20). •  Trauma als Folge: Bei der Sichtweise ist der Mechanismus einer Traumatisierung mit den einhergehenden Symptomen klarer zu verstehen. Ein Trauma ist also nicht das Notfallereignis als solches, sondern die daraus entwickelte Folge und der später eintretende Zustand. Der Betroffene ist potenziell traumatisiert, nicht der Notfall und das Notfallgeschehen sind das Trauma. •  Trauma als Ereignis und dessen (negative) Bewertung: »Bei dieser Definition steht sowohl das äußere Ereignis als auch dessen Bewertung durch den Betroffenen im Vordergrund. Ob ein Notfall ein Trauma darstellt, hängt demnach sowohl vom äußeren Ereignis als auch von der Bewertung des Notfalls durch das Individuum ab« (Lasogga & Gasch 2008, S. 21). Je nach Definition und Betrachtungsweisen des Begriffs Trauma gibt es unterschiedliche Daten und Zahlen – wie viele Personen mit einem potenziell traumatischen Erleben/Ereignis konfrontiert sind, wie viele davon negative und traumaspezifische Reaktionen angeben und dies auch als Trauma bzw. Traumata ansehen. Neben Notfall und Trauma ist in der Notfallpsychologie der Begriff der Krise relevant, da er u. a. mit dem Begriff Notfall synonym verwendet wird. Auch löste Krise in Politik, Medien und Management die Begrifflichkeit Katastrophe ab. Ähnlich wie beim Trauma-Begriff erlebt auch die Krise eine geradezu unkomplizierte und schnelle Wortverwendung. So bleibt der Begriff Krise ebenfalls unscharf in vielen Publikationen und Anwendungsbeispielen. Unterscheiden kann man die psychosoziale Krise in die traumatische und in die Veränderungskrise. »Eine psychosoziale Krise bedeutet den Verlust des seelischen Gleichgewichts, wenn Ereignisse oder Lebensumstände nicht bewältigt werden können. Art und Ausmaß der Ereignisse oder Umstände überfordern den Betroffenen. Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Ressourcen reichen zur Bewältigung der neuen Situation nicht mehr aus. Früher erworbene Fähigkeiten und bisher bewährte Hilfsmittel versagen« (Hausmann 2006, S. 25). Insgesamt kann man sagen, dass Krisen begleitet sind von unterschiedlichen negativen Gefühlen, wie z. B. der Hilflosigkeit und des Versagens. Auch eine Spannung bzw. Anspannung führt häufig zu Angst und sogar Panikattacken oder zu depressiven Episoden und Depressionen. Bei der traumatischen Krise, ausgelöst durch ein Notfallereignis, ist die psychische Identität und Sicherheit bedroht und das Ereignis wird als schmerzlich und negativ angesehen. »Solche traumatischen Ereignisse sind u. a. Verlust oder Tod eines nahestehenden Menschen, Unfall, Krankheit, Untreue des Partners oder Trennung vom Partner, soziale Kränkung, Gewalt und sexueller Missbrauch, Großschadensereignisse und Naturkatastrophen« (Hausmann 2006, S. 28 f.). Cullberg beschreibt schon 1978 vier Phasen des Krisenverlaufs von traumatischen Krisen: Schock-, Reaktions-, Bearbeitungs- und Neuorientierungsphase (Hausmann 2006). Veränderungskrisen sind jedoch im Leben von vielen Personen Teil von Veränderungen und Neuorientierungsphasen und somit ein ganz normaler Bestandteil von Lebensabschnitten. Diese Veränderungen ergeben sich, wenn diese größere Umstellungen (sozial, körperlich, psychisch) erfordern, die für betroffene Personen evtl. zu schwierig oder zu umfangreich sind, um sie zu bewältigen. »Kritische Übergangszeiten sind u. a. Pubertät, Verlassen des Elternhauses, Schwangerschaft, Berufswechsel, Entwicklungsstillstand, Pensionierung oder Konfrontation mit dem eigenen Sterben« (Hausmann 2006, S. 29). Betroffene sind in akuten Krisen oft bemüht, Hilfe anzunehmen und das soziale Netzwerk wie Familie und Freunde an sich ranzulassen. In chronifizierten Krisensituationen zeigt sich häufig jedoch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, Isolation und ein sozialer Rückzug. Hier werden Hilfsangebote selten bzw. schwer angenommen. Aus der Krise resultierend können Traumafolgestörungen auftreten, die sich im schlimmsten Fall bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickeln können. Eine gezielte Krisenintervention kann in der Krisensituation eng am Ereignis anknüpfen und eine potenzielle Traumatisierung abschwächen bzw. verlangsamen. Im Setting Notaufnahme sind oft die Notfallereignisse...


Maria Brauchle, Intensivkrankenschwester am Landeskrankenhaus in Feldkirch in Österreich.
Rolf Dubb, B.Sc., M.A., Fachkrankenpfleger A+I, Intensive Care Practitioner und Fachbereichsleiter an der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen GmbH.
Georg Johannes Roth, MBA, Pflegepädagoge und Pflegeexperte Intensivpflege mit den Schwerpunkten Krisenintervention und Kommunikation, Bildungszentrum Gesundheit und Soziales (BGS), Chur Schweiz.
Dr. med. Katharina Schmid, Ärztliche Leitung DRK Landesschule Bildungseinrichtung Pfalzgrafenweiler.

Miz Beiträgen von:
Jochen Schlenker, Martin Schniertshauer, Alexander Nikendei, Susanne Digel, Kerstin Kunz, Theresa Jakob, Teresa Deffner, Marcus F. Herm, Guido Michels und Marina Ufelmann.


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