E-Book, Deutsch, Band 18, 285 Seiten
Reihe: Die Katze, die ...
Braun Die Katze, die für Käse schwärmte - Band 18
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95824-880-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Bestseller-Serie
E-Book, Deutsch, Band 18, 285 Seiten
Reihe: Die Katze, die ...
ISBN: 978-3-95824-880-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lilian Jackson Braun (1913-2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der 'New York Times'-Bestsellerliste. Bei dotbooks erscheinen alle Bände von Lilian Jackson Brauns Erfolgsserie: »Die Katze, die rückwärts lesen konnte«, »Die Katze, die in den Ohrensessel biss«, »Die Katze, die das Licht löschte«, »Die Katze, die rot sah«, »Die Katze, die Brahms spielte«, »Die Katze, die die Postbote spielte«, »Die Katze, die Shakespeare kannte«, »Die Katze, die Leim schnüffelte«, »Die Katze, die Lippenstift liebte«, »Die Katze, die Geister beschwor«, »Die Katze, die hoch hinaus wollte«, »Die Katze, die einen Kardinal kannte«, »Die Katze, die Berge versetzte«, »Die Katze, die rosa Pillen nahm«, »Die Katze, die im Schrank verschwand«, »Die Katze, die Domino spielte«, »Katze, die Alarm schlug«, »Die Katze, die für Käse schwärmte«, »Die Katze, die den Dieb vertrieb«, »Die Katze, die Gesang studierte«, »Die Katze, die Sterne sah«, »Die Katze, die die Bank ausraubte«, »Die Katze, die den Braten roch«, »Die Katze, die ins Schwimmen kam«, »Die Katze, die Applaus bekam«, »Die Katze, die dem Truthahn lauschte«, »Die Katze, die Bananen stahl«, »Die Katze, die vom Himmel fiel«, »Die Katze, die Gedanken las« und »Die Katze, die zuletzt lachte«
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Kapitel 1
In jenem Jahr der Überraschungen war der Herbst in Moose County, vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt, besonders schön. Nicht nur weil die meisten Sommerurlauber heimgefahren waren; engagierte Bürgergruppen und begeisterte Feinschmecker hatten sich etwas überaus Köstliches ausgedacht: das Große Gourmet-Festival. Und um dem Ganzen noch die rechte Würze zu verleihen, stieg im Hotel von Pickax City, der Bezirksstadt, eine geheimnisvolle Frau ab. Sie war nicht schön. Sie war nicht mehr blutjung. Sie hielt sich von anderen Menschen fern. Und sie trug immer Schwarz.
Die Leute von Pickax (dreitausend Einwohner) waren von dieser rätselhaften Frau fasziniert. »Haben Sie sie gesehen?« fragten sie einander. »Sie ist jetzt über eine Woche hier. Was glauben Sie, wer sie ist?«
Der Mann an der Hotelrezeption verriet nicht einmal seinen besten Freunden ihren Namen; er sagte, das sei gesetzlich verboten. Was erst recht alle davon überzeugte, daß ihn die geheimnisvolle Frau aus niedrigen Motiven bestochen hatte, denn Lenny Inchpot war nicht gerade der gesetzestreueste Bürger der Stadt.
Also ergingen sie sich weiter über ihren olivfarbenen Teint, ihre sinnlichen braunen Augen und ihr volles dunkles Haar, das die linke Gesichtshälfte fast verdeckte. Doch es blieb die brennende Frage: »Warum wohnt sie in dieser vergammelten Absteige, die jederzeit in Flammen aufgehen kann?« Das war natürlich unfair. Das New Pickax Hotel war zwar düster, aber ehrbar und makellos sauber, und an der Rückwand war eine Feuertreppe. Es gab sogar eine Präsidentensuite, obwohl hier niemals ein Präsident abgestiegen war – nicht einmal ein chancenloser Kandidat für ein Amt auf Bundesstaatenebene. Aber es war noch nie vorgekommen, daß jemand länger als eine oder höchstens zwei Nächte dort wohnte, und die Angestellten von Reisebüros im ganzen Land wurden von der Beschreibung in ihrem Hotelverzeichnis beeinflußt:
NEW PICKAX HOTEL, Entfernung vom Flughafen von Moose County: 18 Meilen; 20 Zimmer, einige mit eigenem Bad; Präsidentensuite mit Telefon und TV; Hochzeitssuite mit rundem Bett. Zweistöckiges Gebäude mit Aufzug, häufig außer Betrieb. Außenfassade wie ein Gefängnis, innen düster; Baujahr zirka 1935. Gemeinschaftsräume ungewöhnlich ruhig, Einrichtung aus der Zeit der Wirtschaftskrise. Eingangshalle und Speisesaal beengt; keine Bar; kleiner, reizloser Ballsaal im Untergeschoß. Schlafzimmer einfach, aber sauber; Matratzen ziemlich neu; Beleuchtung düster. Metallene Feuertreppe an der hinteren Hausmauer; Zimmer mit Fenstern sind für den Notfall mit Seilen ausgestattet. Frühstücksbüfett, mittags Tagesgerichte, Abendessen mittelmäßig, Bier und Wein. Keine Spirituosen. Kein Zimmerservice. Rezeption nur bis 23 Uhr besetzt. Preise: mittel bis niedrig. In Krankenhausnähe.
Geschäftsreisende stiegen für eine Nacht im New Pickax Hotel ab, weil es in der ganzen Stadt sonst keine andere Übernachtungsmöglichkeit gab. Leute, die zu einem Begräbnis in die Stadt kamen, waren aufgrund der ungünstigen Flugpläne manchmal gezwungen, zwei Nächte zu bleiben. Im Speisesaal herrschte Grabesstille, weil die Geschäftsreisenden allein an einem Tisch saßen und ihre Fachbroschüren lasen, während sie auf das Hacksteak mit gedünsteten Karotten warteten. Manchmal konnte man Gabeln klappern hören, wenn die auswärtigen Trauergäste leise die Erbsen in ihrer Hühnerragout-Pastete zählten. Und jetzt saß in einer Ecke am anderen Ende des Speisesaales auch noch eine Frau in Schwarz, die mit einem Glas Wein und einer zu Tode gekochten Gemüseplatte spielte.
Ein Bewohner von Pickax, der sich über sie Gedanken machte, war Journalist – ein großer, gutaussehender Mann mit attraktiven grauen Strähnen im Haar, mit traurigen Augen und einem üppigen graumelierten Schnurrbart. Sein Name war Jim Qwilleran; seine Freunde nannten ihn Qwill, und die Leute in der Stadt sprachen ihn freundlich und respektvoll mit Mr. Qwilleran an. Er schrieb zweimal die Woche eine Kolumne für den Moose County Dingsbums, war aber einst im Süden unten – wie man im lokalen Sprachgebrauch die städtischen Gebiete im Süden nannte – ein preisgekrönter Polizeireporter gewesen. Eine unerwartete Erbschaft hatte ihn in den Norden geführt und mit dem Kleinstadtleben bekannt gemacht – eine außergewöhnliche Erfahrung für einen Mann aus Chicago.
Jung und alt, Männer wie Frauen, alle bewunderten Qwilleran – nicht nur weil er seine milliardenschwere Erbschaft wohltätigen Zwecken zugeführt hatte. Seine Bewunderer schätzten, daß er ein einfacher Mensch geblieben war: Er fuhr ein kleines Auto, tankte es selbst voll und wusch selbst die Windschutzscheibe, er ging zu Fuß durch die Stadt und fuhr mit dem Fahrrad durch die Gegend. Als Journalist war er an den Menschen, die er interviewte, ernsthaft interessiert. Er reagierte höflich, wenn Fremde seinen Schnurrbart erkannten und ihn auf der Straße oder im Supermarkt begrüßten. Verständlicherweise hatte er im ganzen Bezirk viele Freunde gewonnen, und daß er allein lebte – in einer Scheune, mit zwei Katzen –, war eine Schrulle, die sie zu akzeptieren gelernt hatten.
Qwillerans Mitbewohner waren keine gewöhnlichen Katzen, und seine Wohnung war keine gewöhnliche Scheune. Es war eine achteckige, hundert Jahre alte, vier Stockwerke hohe Apfelscheune mit einem beeindruckenden Bruchsteinfundament und einer Kuppel. Um die Scheune als Wohnung nutzen zu können, waren einige architektonische Veränderungen vorgenommen worden. In die Wände waren dreieckige Fenster eingesetzt worden. Der Innenraum war bis zum Dach offen und hatte drei Galerien, die durch spiralförmig verlaufende Rampen miteinander verbunden waren. Und im Erdgeschoß umgaben die Wohnbereiche einen riesigen weißen, würfelförmigen Kamin mit riesigen weißen Rauchabzügen, die zum Dach hinauf gingen. Die Scheune wäre eine Attraktion gewesen, hätte es der Besitzer nicht vorgezogen, zurückgezogen zu leben.
Die beiden Tiere waren elegante Siamkatzen, deren dunkelbraune Extremitäten in auffallendem Kontrast zu ihrem sandfarbenen Körper standen. Der Kater, Kao K’o Kung, wurde Koko gerufen; er war lang, geschmeidig und muskulös, und seine unergründlichen blauen Augen sprühten vor Intelligenz. Seine Gefährtin Yum Yum war klein und zart und hatte blauviolette Augen, die groß und herzzerreißend dreinschauen konnten, wenn sie auf einem Schoß sitzen wollte. Doch dieses anmutige Geschöpf konnte auch durchdringend kreischen, wenn eine Mahlzeit überfällig war.
Eines donnerstags morgens im September saß Qwilleran hinter verschlossenen Türen in seiner Privatsuite auf der ersten Galerie, dem einzigen Ort in der Scheune, zu dem die Katzen absolut keinen Zutritt hatten. Er versuchte, tausend Worte für seine Freitagskolumne, ›Aus Qwills Feder‹, zu schreiben.
Emily Dickinson, wir brauchen dich!
»Ich bin niemand. Wer sind Sie?« sagte diese produktive amerikanische Dichterin.
Ich sage: »Gott schenke uns Niemande! Dieses Land braucht weniger Berühmtheiten und mehr Niemande, die ein ganz normales Leben führen, sich tapfer durchschlagen, ein bißchen Gutes tun, ein paar Freuden genießen und deren Namen oder Gesichter niemals, niemals in die Zeitung oder ins Fernsehen kommen.«
»Yau!« beschwerte sich ein Bariton vor der Tür, gefolgt von einem Sopran, der kreischte: »M-m-mach!«
Qwilleran sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr, Zeit für ihren mittäglichen Leckerbissen. Genaugenommen war es drei Minuten nach zwölf, und sie waren sauer wegen der Verzögerung.
Er riß die Tür des Arbeitszimmers auf und stand vor zwei entschlossenen Beschwerdeführern. »Ich würde nicht sagen, daß ihr zwei verwöhnt seid«, schalt er sie. »Ihr seid nur zwei Tyrannen, die nichts anderes als Essen im Kopf haben.« Während sie mit hoch erhobenem Schwanz über die Rampe zur Küche hinunterflitzten, nahm er die Abkürzung über eine metallene Wendeltreppe. Trotzdem waren sie vor ihm an ihrem Futterplatz. Er verteilte ein paar Knusperhäppchen auf zwei Teller – getrennte Teller waren Yum Yums neueste Katzenrechtsforderung gewesen, und er konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. Die Hände in die Hüften gestützt, stand er da, um ihnen beim Fressen zuzusehen.
Heute hatte sie es sich jedoch anders überlegt. Sie half Koko, seinen Anteil zu fressen; danach widmeten sich beide ihrem Teller.
»Katzen!« murmelte Qwilleran fassungslos. »Ist es euch beiden Autokraten recht, wenn ich jetzt wieder an die Arbeit gehe?«
Von ihrem Mahl gesättigt, ignorierten sie ihn vollkommen und putzten sich hingebungsvoll ihre Gesichtsmasken und Ohren. Er ging hinauf in sein Arbeitszimmer und schrieb einen weiteren Absatz:
Wir sehnen uns nach Helden, die wir bewundern, nach Vorbildern, denen wir nacheifern können, und was bekommen wir? Die Parade reicht von korrupten Politikern, verrückten Exhibitionisten, bösartigen Erbinnen, launenhaften Künstlern, waghalsigen Draufgängern, überbezahlten Sportlern über untalentierte Unterhaltungskünstler zu Leuten, die keine Bücher schreiben können und es trotzdem tun …
Das Telefon unterbrach ihn, und er hob beim ersten Läuten ab. Am anderen Ende war Junior Goodwinter, der Chefredakteur des Moose County Dingsbums. »He, Qwill, gibst du heute nachmittag deinen Freitagsbeitrag ab?«
»Nur falls ich bei all den Unterbrechungen einen einzigen vollständigen Aussagesatz zustande bringen sollte«, fauchte er. »Warum?«
»Wir möchten, daß du an einer Sitzung teilnimmst.« Qwilleran mied Redaktionssitzungen, wann immer er konnte. »Worum geht es?«
»Dwight Somers wird uns über das Große Gourmet-Festival informieren. Er war ein paar Tage bei den führenden Köpfen des...