E-Book, Deutsch, 388 Seiten
Brenk Ich kann dich nicht vergessen oder Psychoanalyse für Meeresbiologen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-3029-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Liebesgeschichte in zehn Etappen
E-Book, Deutsch, 388 Seiten
ISBN: 978-3-7693-3029-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In den 70er Jahren beginnt die Liebesgeschichte zwischen der Studentin Meret und dem jungen Doktoranden Wolfgang, aber schon nach wenigen Jahren reißen Ereignisse, die sie nicht beeinflussen können, die beiden auseinander. Sie sind gezwungen, jeder für sich ein Leben zu leben, zu heiraten, Kinder in die Welt zu setzen - vergessen können beide ihre große Liebe nicht. Ein absurder Zufall sorgt viele Jahre später dazu, dass die Kinder einander kennenlernen und sich miteinander anfreunden. Bedeutet diese Freundschaft auch für die Eltern ein Wiedersehen nach diesen vielen Jahren?
Heinz Udo Brenk, Jahrgang 1953, wuchs in einer Bergarbeiterfamilie in Dortmund auf. Nach seinem Abitur 1972 studierte er Mathematik und Kunst für das Lehramt und unterrichtete beide Fächer an einem Dortmunder Gymnasium. Ein zweites Studium schloss er 2015 mit der Promotion über eine Kirche in einem Dortmunder Arbeitervorort ab. Neben kunstwissenschaftlichen Veröffentlichungen hat er mehrere Kinderbücher verfasst und legt mit dieser Liebesgeschichte seinen ersten Roman vor.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Wolfgang 1978 – 1982
She seems to have an invisible touch, yeah,
she reaches in an grabs right hold of your heart.
(Invisible Touch, vom gleichnamigen Album, 1986,
Genesis, Text und Musik: Tony Banks, Phil Collins,
Mike Rutherford) So kam es, dass Wolfgang, bewaffnet mit den allernötigsten Utensilien für eine Nacht, um 23.35 Uhr im Nachtzug nach Paris mit einem Umstieg in Hamburg saß, zweiter Klasse und Raucherabteil, weil etwas anderes nicht mehr zu bekommen gewesen war. Er würde einen großartigen Eindruck beim Vorstellungsgespräch hinterlassen: von Zigarettenqualm durchtränkte Kleidung, etwas verkatert von dem Umtrunk mit Gerd und mit einer abgegriffenen Handgepäcktasche. Meret hätte ihn so niemals ziehen lassen. Wenigstens war ihm Zeit genug geblieben, sich am Bahnhof einen Faltplan von Paris zu kaufen, es blieben gut dreizehn Stunden Zeit, darin zu blättern und herauszufinden, wie er zu diesem Nationalmuseum gelangen sollte. Im Straßenverzeichnis war das Institut tatsächlich mit der Rue Cuvier, nicht allzu weit vom Bahnhof Montparnasse entfernt, angegeben. Dann konnte er wenigstens während des Fußweges versuchen, den Nikotingeruch, den Restalkohol und den Schlafmangel durch die Nachtfahrt aus den Kleidern zu schütteln. Am Mittag in Paris angekommen ärgerte er sich immer noch, dass er nicht mit Meret hatte sprechen können. In einer Illustrierten waren Berichte erschienen, dass es bereits erste mobile Telefongeräte, sogenannte Knochen, zu einem horrenden Preis für den Einbau in Autos gab, mit wirklich tragbaren Geräten gab es in der Schweiz tatsächlich schon Testdurchläufe. Zwar besaß er gar kein Auto, aber diese Möglichkeit der Kommunikation wollte er sich in naher Zukunft auf keinen Fall entgehen lassen. Mit Hilfe des faltbaren Stadtplans fand er die Rue Cuvier ohne Probleme, die Dame am Empfang verstand trotz seiner völlig unzureichenden Französischkenntnisse auch, in welcher Angelegenheit er den Direktor zu sprechen wünschte. Monsieur Dorst war sogar anwesend und bereit, ihn zu empfangen, wenig überraschend, wie er wenig später feststellen sollte. Ein Museumsangestellter brachte ihn zum Büro, wo er direkt ins Vorzimmer geleitet und von einer hübschen jungen Dame begrüßt wurde. „Bonjour, Monsieur. Que puis-je faire pour vous?“ „Äh, ja, guten Morgen, Bonjour, ich bin Monsieur Müller. Je veut parler mit dem Direktor“, radebrechte er nervös. „Ah, du bist Wolfgong Müller, aus Döitschlond. Isch bin Aimée Mauduit. Schön, dass du bist da, gerade noch reschtzeitisch. Du kannst reden auf doitsch, isch `abe studiert in Fribourg. Bernard `at misch vorböreitet.“ Sieh mal einer an, dachte Wolfgang. War der gute Bernd doch hilfreicher als gedacht. „Oh, wie schön. Mein Französisch ist nämlich nicht so gut. Bernd hat mir gesagt, dass ihr hier einen Ozeanographen gebrauchen könnt. Ich habe alle Papiere mitgebracht. Kann ich den Herrn Dorst sprechen.“ „Naturellement, sischerlisch. Und Französisch wirst du nischt brauchen, da wo du arbeitest. Wo ist Gepäck für das Jahr?“ „Diese Tasche ist alles. Bis morgen wird es reichen, dann hole ich den Rest nach.“ Was meinte sie damit, dass er keine Französischkenntnisse brauchen würde? Und warum Gepäck für ein Jahr? Sollte ein solcher Wust an Arbeit auf ihn warten, dass er überhaupt nicht aus seinem Laboratorium herauskäme? „Erst isch bringe disch zu directeur, dann du bekommst alle Papiere, et alors, los es geht!“, sagte sie, und drückte einen Knopf zur Gegensprechanlage. „Monsieur Dorst, l`océanographe allemand est ici.“ „Merveilleux! À l`intérieur!“, kam es zurück. Er verstand nicht ganz, was sie meinte, war aber froh, dass sie mit ins Büro des Direktors kam, um eventuell als Dolmetscherin eingreifen zu können. Das erwies sich hingegen als überflüssig, weil ein überaus freundlicher Mittfünfziger ihn in fließendem Deutsch willkommen hieß und sich als Jean Dorst vorstellte. Er war 1924 im Elsass zur Welt gekommen, was seine Sprachkenntnisse erklärte. „Wenn Sie gestatten, Herr Müller, nenne ich Sie Wolfgang. Wir duzen uns hier alle. Schön, dass du so schnell kommen konntest, und noch besser, dass Bernard uns alles Notwendige mitgeteilt, sogar ein Foto und eine Kopie deiner Promotion geschickt hat. So konnten wir die erforderlichen Papiere tatsächlich noch zeitnah beschaffen. Das Ministerium hat ausnahmsweise prompt mitgearbeitet. Du musst nur noch unterschreiben.“ Wolfgang verstand gar nichts mehr. Ministerium, Papiere, Unterschrift – was sollte das alles? Wieso verfügte Bernd über Kopien und das Foto? Und was wollten die hier damit anfangen? „Sie müssen entschuldigen, aber ich verstehe nicht. Wollen Sie mir nicht erst meinen Aufgabenbereich beschreiben?“, stotterte er. „Oh, hat Bernard dir nicht alles erzählt? Ich mache es kurz, denn der Wagen wartet schon. Und bitte, wir sind per du!“ „Der Wagen, welcher Wagen?“ „Eh bien. Wir brauchen dich für ein Forschungsprojekt auf den Neuen Hebriden. Sagt dir das etwas?“ „Wenig. Die liegen, wenn ich das richtig weiß, ziemlich weit weg und gehören zu Frankreich.“ „Etwa 16500 km Luftlinie, und sie werden von Großbritannien und Frankreich gemeinsam verwaltet.“ 16500 km, das verschlug ihm nun vollends die Sprache. Da konnte man nicht mal eben nach Hause fahren oder sich bei den Eltern am Wochenende durchfuttern. Herr Dorst fuhr unbeirrt fort: „Vielleicht hast du gehört, dass die Inseln die Unabhängigkeit anstreben und sowohl London als auch Paris damit einverstanden sind. Wir wollen das Land aber nicht völlig ins Unbekannte stürzen lassen. Deshalb wird es deine Aufgabe sein, eine umfassende Studie über die Meeresfauna der Region zu erstellen. Du fliegst direkt von Paris mit einem Zwischenstopp zum Auftanken in San Francisco zum Hauptort Port Vila. Dauert etwa dreißig Stunden. Dort wartet ein Boot, dass dich zur Forschungsstation auf einer kleinen Außeninsel, nämlich Étarik bringen wird.“ „Und wann soll es losgehen?“ „Jetzt. Mein Wagen bringt dich zum Flughafen, und um 17 Uhr fliegst du ab.“ Wolfgang fiel der Unterkiefer herab. „Ich habe gar keinen Koffer. Was ist mit einem Visum? Ich muss doch meine Freundin informieren! Wie soll ich mich dort verständigen? Was…“, stammelte er. „Wir haben noch vier Stunden Zeit, genug, um das Nötigste einzukaufen. Am Flughafen wirst du direkt ohne Abfertigung zur Maschine gebracht. Ein Visum brauchst du nicht, weil die Neuen Hebriden zu Frankreich und England gehören. Und um die Sprache musst du dir schon mal gar keine Sorgen machen.“ Aimée mischte sich ins Gespräch ein. „Isch bin dir so neidisch. Ganz alleine auf Insel in großes océan, wie romantisch. Eine ganze Jahr nur du und Fische und tauchen und Sonne und Strand!“ Er suchte immer noch nach Ausreden. Das kam ihm doch alles etwas zu plötzlich. „Ich habe gar kein Geld, um etwas einkaufen zu können. Und ich muss mich unbedingt mit meiner Freundin besprechen.“ „Non, non“, fiel ihm Aimée ins Wort. „Wir `aben gemacht eine Liste mit Sachen, die du musst unbedingt mitnehmen, und du musst in Kauf`aus nur sagen für Muséum National d`Histoire Naturelle, dann sie schicken billet an uns. Und isch sage Freundin, dass du bist auf eine einsame Insel. Alles wird gut. Du musst sagen ja!“ „Das kommt so plötzlich, ich könnte doch auch etwas später hinterherfliegen. Warum macht ihr das nicht selbst?“, wandte Wolfgang sich wieder an den Direktor. Jean Dorst erklärte: „Ich bin Ornithologe, das gehört also nicht zu meinem Fachgebiet. Flora und Fauna der Inseln haben die Briten übernommen. Und es muss wirklich heute sein, weil wir extra eine Militärmaschine für das gesamte Forscherteam organisiert und mit allen Überflugerlaubnissen ausgestattet haben. Es tut mir leid, dass dir so wenig Vorbereitungszeit geblieben ist. Aimée wird noch das Finanzielle mit dir regeln. Bon voyage, au revoir!“ Er schüttelte tatsächlich die ihm entgegengestreckte Hand und folgte Mademoiselle Mauduit ins Vorzimmer. Was er dort erfuhr war allerdings sehr erfreulich. Er erhielt gleich vorab 2000 Franc Vorauszahlung und für die Dauer seiner Tätigkeit würden monatlich 4000 Franc steuerfrei auf sein deutsches Konto überwiesen. Vor Ort brauche er das Geld nicht, die Versorgung erfolge kostenfrei von der Hauptstadt aus. Bei diesen Summen wurde ihm schwindelig. 4000 Franc, das waren mehr als 1700,- DM! Solche Summen wären für Meret und ihn ein warmer Geldsegen! Als die Maschine abhob wurde ihm immer mulmiger zumute. Hatte er wirklich zugesagt? Warum? Lag es am zweifellos umwerfenden Charme von Aimée? Ihre Hilfe beim Abarbeiten der Einkaufsliste war sehr wertvoll gewesen, und er glaubte ihrer Versicherung, ganz bestimmt Meret in Deutschland zu...