E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Briese Stilles Strahlen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7751-7555-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Weil echter Mut nicht laut sein muss
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-7751-7555-5
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Entdecke deine stille Stärke und strahle!
Schüchtern sein ist keine Schwäche. Ganz im Gegenteil: gerade als stille Person trägst du eine innere Stärke in dir, die oft unterschätzt wird. Wenn du das Gefühl kennst, als schüchtern abgestempelt oder übersehen zu werden, dann mach dich bereit für eine Reise: raus aus der Schublade der Stillen, hinein in Gottes Bestimmung für dein Leben. Lerne dich selbst mit Gottes Augen zu sehen und erkenne: Gott hat dich bewusst so geschaffen, wie du bist. Er wünscht sich, dass du deine einzigartige Persönlichkeit entdeckst. Und deinen Wert ausstrahlst - auf deine leise Art und Weise!
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ERSTES KAPITEL
DURCH DEN NEBEL HINDURCH
Stell dir vor, du wachst morgens nach einer langen und erholsamen Nacht in deinem Bett auf. Über Nacht haben sich deine Selbstzweifel, deine Scham, die Schüchternheit, wegen der du schon so viel verpasst hast, und die ständigen Fragen »Was wäre, wenn…?«, »Was denken die anderen bloß?« und »Blamiere ich mich hier gerade eigentlich total?« in Luft aufgelöst. Ein Traum? Nein! Durch dein Fenster kannst du sehen, wie der Nebel sich lichtet, die Sonne den Himmel in den schönsten Farben färbt und deine Sicht immer klarer wird. Okay, vielleicht verändert sich nicht alles, was dein Leben als stiller Mensch schwer macht, in nur einer Nacht. Aber – das weiß ich aus eigener Erfahrung – in vielen kleinen Schritten. Lass sie uns zusammen gehen! Lass uns zusammen strahlen! Deshalb: Schön, dass du hier bist! Warum? Weil ich dir etwas zu erzählen habe – meine Geschichte. Ich werde hier aus meinem Leben berichten. Du denkst jetzt, das sei langweilig, denn schließlich tun das die meisten Menschen hier, aber die meisten sind nicht so wie ich und ich bin nicht so wie die meisten. Ich bin introvertiert und schüchtern. Also eigentlich würdest du von mir gar nichts mitbekommen, wie von den anderen Ruhigeren (in Deutschland machen wir ca. ein Drittel der Bevölkerung aus). Wenn du wissen willst, wie es sich als stiller Mensch (gut) lebt oder du sogar selbst einer von der »stillen Sorte« bist, dann lies weiter! Lass uns zusammen auf eine Reise gehen, bei der wir aufblühen und strahlen lernen! Instagram-Posting vom 11.11.2017 Ein schmerzhaftes Gefühl
Was du gerade gelesen hast, ist der erste Post eines Blogs auf Instagram, den ich im November 2017 gestartet habe. Zu dieser Zeit war ich Studentin an einer Bibelschule und saß in einer Klasse toller, aber zu 90 Prozent extrovertierter Menschen. Das heißt: Sie waren laut, ich wollte Ruhe. Sie tanzten in den Pausen auf den Tischen, ich wollte noch mal über das nachdenken, was ich gerade im Unterricht gelernt hatte. Sie liebten gemeinsame Aktionen und konnten scheinbar nicht genug voneinander kriegen, und ich verbrachte meine wenige Freizeit am liebsten mit meinem Mann oder eben allein. Und da war es wieder, das schmerzende und verwirrende Gefühl, irgendwie anders zu sein. Vielleicht kennst du das auch. Dann darfst du jetzt wissen, dass du nicht allein damit bist. Egal, wo ich war, ich kam mir oft vor, wie der einzige stille Mensch auf dem gesamten Planeten. Ich war falsch – alle anderen richtig. Mir passierten ständig peinliche Missgeschicke – alle anderen waren perfekt. Ich überlegte mir jedes Wort, das meinen Mund verlassen sollte, ganz genau (vor allem, wenn es um persönliche Dinge ging) – alle anderen trugen ihr Herz auf der Zunge. Doch gerade das möchte ich jetzt auch tun, möchte mein Herz auf Papier bringen und meine Geschichte mit dir teilen. Sie führte mich durch dichten Nebel, zu Sonnenaufgängen, klarer Sicht und schließlich zu meinem »stillen Strahlen«. In diesem Buch möchte ich meinen Reisebericht mit einem der dunkelsten Tage im Jahr 2014 beginnen und dir schonungslos ehrlich aus meinem Leben erzählen. Mittlerweile ist es 2022 und ich habe gelernt, dass auch ich nicht allein bin und erst recht nicht die einzige Person, die sich manchmal nichts sehnlicher wünscht, als einfach im Erdboden zu versinken. Deshalb möchte ich dich an meinem Weg teilhaben lassen und dich zu deiner ganz persönlichen Reise ermutigen. Den Klappspaten zum Kurzfristig-Löcher-in-den-Erdboden-Graben brauchst du dann sicher nicht mehr einzupacken. Also, lass uns losgehen und aus dem Nebel treten! Der Moment, in dem ich dachte: »Ich bin falsch«
Dass ich einer der stillen Menschen bin, ist mir seit fast zehn Jahren so richtig bewusst. Eine allzu lange Zeit ist das nicht. Dass ich irgendwie ein bisschen anders bin als die meisten Menschen, denen ich so begegne, wurde mir hingegen schnell klar. Wenn ich an meine Grundschulzeit denke, erinnere ich mich vor allem an folgende Umstände: Ich hatte dort viele Freunde, aber selten Lust, mich auch noch nachmittags mit ihnen zu treffen. Denn erstens war es ziemlich anstrengend, immer von Leuten umgeben zu sein, und zweitens hätte ich dann bei den Freunden zu Hause anrufen müssen – was wäre gewesen, wenn jemand Fremdes ans Telefon gegangen wäre? Oder wenn ich vergessen hätte, meinen Namen zu sagen? (Was mir tatsächlich einmal passiert und bis heute noch peinlich ist.) Ich glaube, du verstehst, dass ich das alles viel zu aufregend fand. Der zweite Umstand hängt auch mit meinen Freunden zusammen. Ungefähr ab der vierten Klasse hatte ich plötzlich kaum noch welche. Das Ganze setzte sich in der Unterstufe fort. Der Grund: Sie fanden mich zu »erwachsen«, zu langweilig, einfach nicht so spontan und verrückt, wie sie es selbst waren. Das tat weh. Und es war verwirrend, denn die Erwachsenen – die Lehrer, meine Eltern, die Eltern meiner Freunde… – sie alle liebten mich! Zu dem Zeitpunkt ahnte ich schon, dass ich scheinbar in einer anderen Welt lebte als die Gleichaltrigen um mich herum. Die Vor- und Nachteile davon habe ich über die Jahre entdeckt und werde dir in diesem Buch mehr davon erzählen. Aber geben wir der Sache doch mal einen Namen: Still sein – oder auch Introversion. Was ich bis zu einem grauen Februartag 2014 immer nur als sperriges Fremdwort für seltsame Menschen wahrgenommen und nicht mit mir in Verbindung gebracht hatte, stand plötzlich in einer WhatsApp-Nachricht von meinem wütenden und verletzten Ex-Freund. Introvertiert. Es traf mich mit einer Wucht, die mich fast dazu gebracht hätte, meine Gefühle, mein Innerstes vor Wut und Entsetzen in der Küche vor meiner ganzen Familie zu offenbaren – wer uns stille Menschen kennt, weiß, dass Gefühle und Gedanken für uns hauptsächlich zu einem Zweck gemacht sind: zum Fühlen und Denken, aber nicht zum Erzählen. So saß ich also da und las die Nachricht, die mir das Herz brach, mich an mir und vor allem an meinem Glauben zweifeln ließ: »Du bist viel zu introvertiert, um eine gute Christin zu sein.« Das war der Moment, in dem der Schmerz und die Verwirrung ungeahnte Ausmaße annahmen, aber gleichzeitig den Nebel, den diese Gefühle bis dahin produziert hatten, wegwehte. In dem Moment wurde mir klar: »Ich war falsch. Alles, was ich je für und mit Gott oder in meiner Gemeinde gemacht hatte, war falsch.« Die Nachricht gab mir zu verstehen: »Du musst dich auf eine bestimmte Weise verhalten oder gewisse Charakterzüge haben, um in den Augen der anderen Christen und in Gottes Augen wertvoll zu sein.« Ich dachte lange darüber nach, wie der Absender dieser verletzenden Nachricht überhaupt zu der Aussage gekommen war. Nacht für Nacht drehte ich Runden auf meinem Gedankenkarussell: »Er hat schon recht. Ich war ja auf der letzten Freizeit lieber in meinem Zimmer oder mit den Leuten zusammen, die ich schon vorher kannte. – Aber ist das nicht auch einfach normal? Man muss ja nun nicht mit jedem supergut befreundet sein. – Na gut, ein bisschen mehr Mühe hätte ich mir schon geben können… – Warum bin ich denn nur so schüchtern? Ich traue mich ja im Gottesdienst noch nicht mal laut mitzusingen und das, obwohl ich gar nicht auf der Bühne stehe. Wenn mir jemand ein Kompliment macht für Dinge, die ich im Hintergrund geleistet habe, werde ich rot – oh Mann, ich bin echt undankbar. Kann Gott mich so überhaupt gebrauchen? Nimmt mich so irgendjemand ernst, wenn ich dann doch mal eine Andacht vor wenigen Leuten halte? Was soll das eigentlich mit dem Glauben? Was soll ich denn eigentlich mit dem Glauben, wenn ich eh niemals gut genug dafür sein werde?« Wie du siehst, war diese Nachricht der Auslöser für eine Menge Selbstzweifel und Vorwürfe mir gegenüber. Sie war sogar fast der Weg, der mich von Gott wegführte, und das, obwohl ich ihn doch erst kurz zuvor richtig kennengelernt hatte. In diesem Moment kam es mir allerdings total logisch vor, dass stille oder schüchterne Menschen in Gemeinden fehl am Platz sind. Schon in dem Wort »Gemeinde« steckt das Wörtchen »gemein«1 – und das hing meiner Meinung nach viel mehr mit »gemeinsam« oder »Gemeinschaft« zusammen als für die meisten outgoing Menschen.2 Eine meiner Eigenschaften, die im Gegensatz zu meiner Zurückgezogenheit sogar sehr gut anzukommen schien, war die Zurücknahme meiner eigenen Meinung, meiner Ideen, ja, von allem, was ich mich wegen meiner Schüchternheit nicht zu sagen oder tun traute. Als ich das verstanden hatte, versuchte ich, genau das zu meiner Stärke werden zu lassen. Wenn ich schon nicht mit einer offenen Art punkten konnte, dann möglicherweise damit, immer und überall zu helfen. Es kam also nicht selten vor, dass meine Eltern ihre Teenietochter um 23 Uhr noch Kuchen backend oder sonntagmorgens um 6 Uhr einen Waffelteig vorbereitend in der Küche vorfanden. Rückblickend musste ich mich über mich damals selbst wundern: Ich hatte mich freiwillig mehrmals in der Woche mit vielen Menschen getroffen, die alle meine Freunde waren oder zumindest so taten. Hatte mich mit Menschen getroffen, die Small Talk erwarteten und dass ich immer gut drauf war. War in Veranstaltungen gegangen, in denen gesungen wurde und es scheinbar darum zu gehen schien, wer sich am meisten einbringt oder am besten darstellt. Für diese Welt war ich nicht gemacht, das stand nun fest. Damit blieben nur noch die folgenden Fragen, die ich in den nächsten Wochen in meinem nächtlichen Gedankenkarussell zu bearbeiten hatte: »Hat Gott stille und schüchterne Menschen überhaupt gewollt? Wenn ja, warum passen sie...