Brown / Roediger III / McDaniel | Das merk ich mir! | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Brown / Roediger III / McDaniel Das merk ich mir!

Erfolgreich lernen und für immer behalten mit der Make-it-stick-Methode - Für Schule, Studium und Beruf

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-24674-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ohne es zu wissen, vertrauen die meisten von uns auf Lernstrategien, die alles andere als effektiv oder sogar kontraproduktiv sind. Peter Brown, Henry Roediger und Mark McDaniel bieten ein völlig neues Verständnis davon, wie Lernen und Erinnerung funktionieren. Anhand neuester Erkenntnisse der kognitiven Psychologie zeigen sie konkrete Techniken, um Dinge wirklich zu verinnerlichen. »Das merk ich mir« ist das unentbehrliche Werkzeug für Schüler, Studenten, Lehrer und alle, die nachhaltig lernen möchten. Einmal Erlerntes endlich für immer behalten!

Peter C. Brown ist Autor und lebt in St. Paul, Minnesota. Henry L. Roediger III ist Professor für Psychologie an der Washington University in St. Louis. Mark A. McDaniel ist Professor für Psychologie und Direktor des Center for Integrative Research on Cognition, Learning, and Education (CIRCLE) an der Washington University, St. Louis.
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II. Und … Zugriff! Ende 2011 wurde Mike Ebersold eines Nachmittags in die Notaufnahme gerufen, um einen Jäger aus Wisconsin zu untersuchen, den man bewusstlos in einem Maisfeld aufgefunden hatte. An seinem Hinterkopf klebte Blut, und die Männer, die ihn gefunden und in die Klinik gebracht hatten, gingen davon aus, dass er vielleicht gestolpert und unglücklich gestürzt war. Ebersold ist Neurochirurg. Aus der klaffenden Wunde quoll Hirnmasse hervor, und er erkannte, dass sie von einem Schuss herrührte. In der Notaufnahme kam der Jäger wieder zu Bewusstsein, aber auf die Frage, wie es zu seiner Verletzung gekommen war, wusste er keine Antwort. Später berichtete Ebersold über dieses Ereignis: »Offenbar hat jemand in einiger Entfernung eine Schrotflinte mit Kaliber 12 abgefeuert. Ein solches Geschoss muss den Jäger über eine Mordsdistanz in den Hinterkopf getroffen haben, durchschlug den Schädel und blieb in etwa einem Fingerbreit Tiefe in seinem Gehirn stecken. Es dürfte schon ziemlich am Ende seiner Reichweite gewesen sein, sonst wäre es tiefer eingedrungen.«1 Ebersold ist ein schlanker, hochgewachsener Mann. Unter seinen Vorfahren finden sich die Dakota-Häuptlinge Wapasha und die französische Pelzhändlerfamilie Rocque, die alle in jenem Teil des Mississippi-Tals lebten, wo später die Mayo-Brüder ihre berühmte Klinik gründeten. Seine Ausbildung umfasste vier Jahre College, vier Jahre an der Medical School und sieben Jahre Ausbildung zum Neurochirurgen. So konnte er ein umfassendes Wissen und Fähigkeiten aufbauen, die er über ständige Weiterbildung, das Hinzuziehen von Kollegen und seine praktische Erfahrung an der Mayo Clinic und anderswo weiter vertiefte. Sein bescheidenes Auftreten als Mann des Mittleren Westens lässt auf den ersten Blick nicht vermuten, wie viele bedeutende Patienten er schon behandelt hat. Als Präsident Ronald Reagan einst nach einem Sturz vom Pferd Hilfe brauchte, war Ebersold an der Operation wie auch an der anschließenden Nachsorge beteiligt. Als der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, eine schwierige Rückenoperation benötigte, rückte er mit gefühlt der Hälfte seiner Minister und Sicherheitskräfte in Rochester an, wo Mike Ebersold ihn operierte und die Genesung überwachte. Nach einer langen Karriere an der Mayo Clinic war Mike zurückgekehrt, um in Wisconsin zu helfen, weil er sich seiner frühen Ausbildungsstätte verpflichtet fühlte. Der Jäger, der zu seinem Pech von einem irregeleiteten 12-Kaliber-Geschoss getroffen worden war, hatte unglaubliches Glück, dass Mike an diesem Tag Dienst hatte. Denn das Geschoss war in einen Bereich des Schädels eingedrungen, unter dem ein großer venöser Blutleiter liegt, ein Bindegewebskanal, auch als Sinus bezeichnet, in dem sich das Blut aus der Schädelhöhle sammelt. Schon bei der Untersuchung des Jägers wusste Ebersold aus Erfahrung, dass er beim Öffnen der Wunde sehr wahrscheinlich einen zerrissenen Sinus vorfinden würde. Mit seinen Worten: Du sagst dir: »Dieser Patient muss operiert werden. Aus der Wunde dringt Hirnmasse hervor. Wir müssen die Verletzung säubern und so gut wie möglich reparieren, aber dabei geraten wir vielleicht in diese große Vene, und das könnte sehr, sehr kritisch ausgehen.« Also gehst du deine innere Checkliste durch. Du sagst dir: »Für diesen Patienten brauche ich vielleicht eine Bluttransfusion«, und lässt Blutkonserven bereitlegen. Du führst dir die verschiedenen Schritte vor Augen, A, B, C und D. Du lässt den OP-Saal vorbereiten und erklärst dem Team vorab, womit zu rechnen sein mag. Das alles läuft nach einem bestimmten Schema ab, ganz ähnlich, wie wenn ein Polizist ein Auto herauswinkt. Du kennst das Standardverfahren und gehst deine Schritte noch einmal durch. Dann kommst du in den OP-Saal, hast aber immer noch Zeit zum Überlegen. Du sagst dir: »Hm, wenn eine größere Blutung auftreten könnte, sollte ich nicht einfach nur das Geschoss rausholen. Ich arbeite mich lieber von der Seite heran und lege alles frei, damit ich auf alles reagieren kann, was schiefgehen könnte. Erst dann ziehe ich es raus.« Wie sich herausstellte, steckten Geschoss und Knochen wie ein Pfropfen in dem Gefäß. Auch damit hatte der Jäger Glück gehabt. Wäre die Wunde in diesem Bereich nicht »verkorkt« gewesen, so wäre der Mann innerhalb von zwei bis drei Minuten gestorben. Als Ebersold das Geschoss entfernte, lösten sich auch die Knochensplitter, und sofort strömte das Blut heraus. »Innerhalb von fünf Minuten verlierst du locker zwei Einheiten Blut, und dabei schaltest du vom Nachdenkmodus in deine aktuellen Handlungsoptionen um. Ab jetzt läuft alles reflexartig und mechanisch. Du weißt, es wird sehr stark bluten. Also hast du sehr wenig Zeit. Du denkst nur noch: ›Ich muss eine Naht um die Stelle setzen, das habe ich schon einmal gemacht, also weiß ich, dass ich auf eine ganz bestimmte Weise vorgehen muss.‹« Das fragliche Gefäß war so dick wie der kleine Finger eines Erwachsenen und über etwa vier Zentimeter hinweg mehrfach zerrissen. Man hätte es oberhalb und unterhalb der Verletzung abbinden müssen, aber es handelte sich um eine flache Gewebsstruktur, die Ebersold gut kannte: Hier darf man nicht einfach einen Faden drum herumziehen, denn wenn man diesen festzieht, reißt das Gewebe und der abgebundene Bereich leckt. Unter Hochdruck griff er automatisch zu einer Technik, die er bei früheren Eingriffen im Bereich dieser Vene aus der Not heraus entwickelt hatte. Aus dem Bereich, wo die Haut des Patienten für die Operation geöffnet worden war, trennte er zwei kleine Muskelfasern heraus, versetzte sie an die verletzte Stelle und nähte die Enden der zerrissenen Vene daran fest. Dieser Muskelpfropf diente als Verschluss, ohne die natürliche Form des Gefäßes zu verändern oder das Gewebe zu zerreißen. Diese Lösung hatte Mike selbst ausgetüftelt. Sie ist nirgendwo schriftlich beschrieben, war aber in diesem Moment sehr hilfreich. In der Minute, die er dafür brauchte, verlor der Patient zwar weitere 200 Milliliter Blut, aber sobald der Pfropfen saß, war die Blutung gestoppt. »Manche Menschen kommen mit einem solchen Sinusverschluss nicht zurecht. Bei ihnen steigt der Blutdruck an, weil das Blut nicht richtig abläuft. Aber dieser Patient zählte zu den Glückspilzen, bei denen es funktionierte.« Eine Woche später wurde der Jäger aus der Klinik entlassen. Er hat einen Teil seines peripheren Sehens eingebüßt, doch letztlich war er dem Tod um Haaresbreite entgangen. Auch Reflexion ist Üben Welche Schlussfolgerungen können wir aus dieser Geschichte bezüglich der Frage, wie wir lernen und uns erinnern, ziehen? In der Neurochirurgie (und vermutlich ab dem Augenblick der Geburt in jedem Lebensbereich) ist das Reflektieren persönlicher Erfahrungen ein unverzichtbarer Teil des Lernprozesses. Ebersold beschrieb dies folgendermaßen: Bei meinen Operationen kommt es immer wieder zu schwierigen Situationen. Auf dem Heimweg denke ich dann darüber nach, was da geschehen ist und was ich zum Beispiel tun könnte, um eine Nahtmethode künftig zu verbessern. Wie kann ich mit der Nadel mehr oder weniger Gewebe erfassen? Oder sollten die Stiche vielleicht enger beieinandersitzen? Was wäre, wenn ich mein Vorgehen auf diese oder jene Weise anpasse? Am nächsten Tag probiere ich das dann aus und prüfe, ob es besser funktioniert hat. Vielleicht auch nicht gleich am nächsten Tag – aber immerhin habe ich darüber nachgedacht, und bei diesem Nachdenken bin ich nicht nur die Schritte durchgegangen, die ich aus Vorlesungen kenne oder mir als Assistent bei anderen abgeschaut habe, sondern ich habe sie um eine eigene Komponente erweitert, die mir während meiner Ausbildung nicht begegnet ist. Reflexion kann diverse kognitive Schritte umfassen, die den Lernerfolg verstärken: Wissen und Ausbildungsinhalte aus dem Gedächtnis abrufen, das Gelernte mit neuen Erfahrungen verknüpfen, visualisieren, was man beim nächsten Mal anders machen könnte, und dies innerlich mehrfach durchspielen. Dank dieser Vorgehensweise hatte Ebersold eine neue Technik entwickelt, um den Sinus am Hinterkopf zu reparieren, eine Technik, die er innerlich und im OP geübt hatte, bis sie für ihn so selbstverständlich geworden war, dass er sich in einem Moment, wo sein Patient minütlich 200 Milliliter Blut verlor, auf seine Kunst verlassen konnte. Um sicherzustellen, dass neues Wissen bei Bedarf auch abrufbar ist, muss man laut Ebersold »die Punkte auswendig herbeten können, um die es jeweils geht: Schritt A, B, C und D«, und diese immer wieder üben. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo es eng wird und man keine Zeit mehr hat, die einzelnen Schritte im Geiste durchzugehen. Jetzt muss man sie automatisch richtig machen. »Wenn man sich so ein Vorgehen nicht regelmäßig ins Bewusstsein ruft, läuft es nicht reflexartig ab. Wie bei einem Rennfahrer in einer gefährlichen Situation oder wie bei einem ausweichenden Quarterback muss die Handlung zum Reflex werden, über den man gar nicht mehr nachdenkt. Regelmäßig bewusst abrufen, regelmäßig üben. Das ist unerlässlich.« Der Testing-Effekt Wenn ein Kind Perlen auffädelt und dann die Schnur hochhebt, stellt es schnell fest, dass die Perlen am anderen Ende herunterrutschen. Ohne Knoten hält die Perlenschnur nicht. Ohne Knoten gibt es keine Kette, kein Armband, keine Perlenstickerei. Abrufen knüpft den Knoten im Gedächtnis. Wiederholtes Abrufen festigt das Gelernte und fügt zusätzliche Schlaufen hinzu, die es...


Brown, Peter C.
Peter C. Brown ist Autor und lebt in St. Paul, Minnesota. Henry L. Roediger III ist Professor für Psychologie an der Washington University in St. Louis. Mark A. McDaniel ist Professor für Psychologie und Direktor des Center for Integrative Research on Cognition, Learning, and Education (CIRCLE) an der Washington University, St. Louis.


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