Brown | Sommerlilien | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

Brown Sommerlilien

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-99000-4
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 416 Seiten

ISBN: 978-3-492-99000-4
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Starköchin Diana ist stolz auf ihr Schlosshotel im Südwesten Irlands. Um es in Schuss zu halten, veranstaltet sie jedes Jahr einen Backwettbewerb, der auch bei der Presse für große Aufmerksamkeit sorgt. Doch dieses Jahr läuft alles anders als geplant. Erst taucht überraschend ihre Tochter Darcy auf, die seit vielen Jahren ihren Heimatort gemieden hat, nachdem ihr ein Mann das Herz gebrochen hat. Und dann sabotiert ein Unbekannter den Wettbewerb. Bald müssen Diana und Darcy feststellen, dass die Vergangenheit sie mit voller Wucht einholt und ihr Leben völlig auf den Kopf stellt ...

Kate Lord Brown wuchs in der englischen Grafschaft Devon auf. Nach ihrem Studium am Courtauld Institute of Art war sie zunächst als internationale Kunstberaterin tätig. Später zog sie mit ihrer Familie nach Valencia und widmete sich dort dem Schreiben. »Das Haus der Tänzerin«, ihr erster auf Deutsch erschienener Roman, stand mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Heute lebt sie in Großbritannien.
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1


Kenmare, Irland
Gegenwart


Von der Straße aus war nicht zu sehen, wo man ihre Mutter ohnmächtig unter dem Apfelbaum gefunden hatte. Die Stelle war hinter dichtem Laub verborgen, das nach dem Regen im Licht des Augustmorgens schimmerte. So viele Grüntöne, dachte Darcy, den Kopf an die kühle Fensterscheibe des Busses gelehnt. Sie reckte den Hals, um noch einen letzten Blick auf den Obstgarten zu werfen, doch die Blätter hinter den Steinmauern und den doppelten Regenbogen, der ihr den Weg nach Hause in die Bucht von Kenmare wies, sah sie nur verschwommen. Die Äste der Apfelbäume trugen noch schwer, getupft von dunkelroten Früchten. Kein Wunder, dass man sie erst so spät entdeckt hat. Darcy ließ die letzte Erdbeere aus der Papiertüte in ihre braun gebrannte Hand rollen und steckte sie sich in den Mund. Der Bus wurde auf den silbrig schimmernden Biegungen der Küstenstraße gelegentlich von Porsches und gleißenden Geländewagen überholt, die es eilig hatten, nach Castle Dromquinna zu kommen und dort mittags das berühmte Degustations-Menü zu sich zu nehmen.

»Was hast du dir bloß dabei gedacht, in deinem Alter noch auf Bäume zu klettern?«, hatte Darcy gesagt, nachdem sie vor ein paar Tagen vom Anruf ihrer Mutter geweckt worden war. Als Kind hatte sie sich früher im Obstgarten immer Höhlen gebaut. Über die unteren Äste hatte sie weiße Laken drapiert, die bei Sonnenuntergang von den Laternen golden erleuchtet wurden, und es roch nach Würstchen, die über einem Holzfeuer brieten.

»Ich bin erst fünfundsechzig, da bleiben mir noch eine Menge Jahre, in denen ich auf Bäume klettern kann«, sagte Diana über die knisternde Überseeverbindung. »Ich wollte nur einen Apfel pflücken, das war alles. Einen saftigen, glänzenden roten Apfel, an den ich knapp nicht hinkam. Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin runtergefallen, so einfach ist das.«

»Und wenn dich niemand gefunden hätte? Man hat es mir nämlich erzählt, nur damit du es weißt. Angeblich warst du halb tot und lagst unter dem Baum wie eine Leiche, alle viere von dir gestreckt.«

»Na ja, immerhin haben sie mich ja entdeckt, dank Conors dreibeinigem Hund.« Diana unterbrach das Gespräch, um jemandem in der Küche Anweisungen zuzurufen. »Dieses Jahr gibt es eine fantastische Ernte. Komm nach Hause, Darcy«, sagte sie. »Bitte, ich brauche dich.«

»In der Küche?«

»Nicht so ganz. Conor ist ja jetzt wieder da. Ich erkläre es dir, wenn du hier bist.«

Darcy streckte den Arm aus und drückte auf den Halteknopf, als das Tor zur Zufahrt zu Castle Dromquinna ein Stück voraus zu sehen war. »Könnten Sie mich hier rauslassen? Vielen Dank.« Sie zog einen großen kirschroten Koffer durch den Gang. Dann wuchtete sie den Koffer nach draußen und sprang auf das Bankett hinunter. Mit ihren silbernen Converses landete sie in einer ölglänzenden Pfütze. Der Bus fuhr wieder weiter. Einen Augenblick blieb sie, dem Castle den Rücken zugewandt, stehen, ließ die Stille auf sich wirken und erinnerte sich. Sie nahm ihre weiße Ray-Ban Wayfarer aus ihren dunklen Haaren, setzte sie auf und hielt inne. Es roch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte, und doch schien alles verändert. Oder bin ich es, die sich verändert hat? Ein Windstoß spielte mit dem Saum ihres weißen Sommerkleids, und sie bekam eine Gänsehaut im Nacken. Sie klappte den Kragen ihrer Jeansjacke hoch und warf einen kurzen Blick über die Schulter. Ein Mann joggte auf sie zu und verlangsamte den Schritt, ein blau-weißes Stirnband schützte seine Augen vor den ungebärdigen schwarzen Locken.

»Howya«, grüßte er sie atemlos. Er sah zweimal hin. »Darcy? Ich habe dich kaum erkannt.«

»Es ist doch erst ein Jahr her.« Sie lachte und zog ihren Koffer über die Straße zu ihm. Conor breitete die Arme aus, und in ihrer unsicheren Wiedersehensfreude – erst auf die rechte oder die linke Wange? – drückte sie ihm einen Kuss mitten auf den Mund. Ein dreibeiniger Windhund kam aus dem Wald auf sie zugelaufen. Der Hund umkreiste sie und schlug mit dem Schwanz gegen ihre Beine. »So was«, sagte Conor, ohne zurückzuweichen. »Du isst immer noch gerne Erdbeeren zum Frühstück?«

»Ich war am Verhungern.« Darcy errötete. Er erinnerte sich noch daran. Sie griff hinunter, um den harten, seidigen Kopf des Hundes zu streicheln. »Ich bin mit Taxi, Flugzeug, Zug und Bus hierhergekommen, und zwischen San Francisco und Kenmare bekam ich nichts Anständiges zu essen.«

»Da scheint es ja eine Marktlücke zu geben«, meinte er.

»Und was ist mit dir passiert? Conor Ricci beim Laufen?«

»Ein neues Leben.« Er grinste, aber sie ahnte eine Verwundbarkeit in ihm, die sie von früher nicht kannte. »Du hast es wahrscheinlich schon gehört.«

»Es tut mir leid.« Sie hielt seinem Blick stand. »Wie geht es dir?«

»Besser. Viel besser.« Er wischte sich mit dem Ärmel seines grauen Kapuzenpullis die Stirn ab und lachte. »Ich schaffe es, nach und nach. So, und jetzt lass mich dir helfen.« Er nahm ihr den Koffer ab und zog ihn hinter sich her. Ihr fiel die hellbraune Linie an seinem Finger auf, wo früher der Ehering war. »Erzähl mir von deinen ganzen Abenteuern, Darcy Hughes. Was ist das für ein Akzent?«

»Kalifornien.« Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Deinen Dubliner Akzent haben sie dir immer noch nicht abgewöhnt?«

»Dalkey kann man keinem austreiben …«, sagte er. »Vorsicht!« Ein Range Rover mit dunklen Scheiben fuhr mit hoher Geschwindigkeit über die Auffahrt auf sie zu. Conor stellte sich vor Darcy und bekam den Großteil des schmutzigen Spritzwassers ab. »Verdammter Idiot.« Er wischte sich das dreckige T-Shirt ab. Der Hund rannte voraus und bellte das Auto an, das an einem Banner mit der Aufschrift Irland sucht den Superkoch auf Castle Dromquinna vorbeifuhr.

»Du hast dich also gar nicht so sehr verändert«, sagte Darcy zu Conor und stupste ihn am Arm.

»Wenigstens ein Laster braucht der Mensch.« Lächelnd wandte er sich ihr zu, und um seine grauen Augen bildeten sich Fältchen. Ihr wurde flau im Magen. Sie war wieder neun Jahre alt, sah ihn zum ersten Mal, wie er mit der athletischen Anmut eines Balletttänzers morgens die Leute in der Küche dirigierte. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich versteckt hatte, um über die Edelstahltheke hinweg einen Blick auf ihn zu erhaschen, und wie sie gebannt hinter den weiß verputzten Backsteinsäulen hervorschielte. Buh. Er hatte sie entdeckt und sich heimlich angeschlichen, um sie zu überraschen. Er hatte sie auf die Arbeitsfläche gehoben und darauf bestanden, dass sie von einem neuen Dessert kostete, an dem er gerade arbeitete. Erdbeeren zum Frühstück.

»Deine Ma wird froh sein, wenn du da bist, und ich könnte hier beileibe auch ein bisschen Hilfe gebrauchen, solange sie noch schachmatt ist.« Der Koffer rumpelte über die Kieszufahrt hinter ihnen her. »Hast du schon mir ihr geredet?«

»Kurz. Wie geht es ihr?«

»Unverändert. Sie ist nur etwas schwieriger geworden, seit sie dauernd Schmerzen hat.«

»Aber sie hält Bettruhe?«

»Ruhe?« Er lachte. »Wie wir beide wissen, kann Di wahnsinnig gut Hilfe annehmen, wenn man sie ihr anbietet.« Conor warf ihr einen kurzen Blick zu. »Besonders viel Dank wirst du von deiner Mutter nicht ernten, aber es ist nett von dir, dass du alles stehen und liegen lässt, um hier auszuhelfen. Ich weiß, was dir die Arbeit im Chez Panisse bedeutet hat …«

»Was blieb mir anderes übrig?« Darcy hielt den Blick auf ihre Füße gerichtet, sie konnte ihn nicht ansehen. »Sie hat sich zu viel aufgeladen wie üblich. Das Castle, die Fernsehshow, dieser Contest …«

»Irland sucht den Superkoch? Die Einschaltquoten schnellen jedes Jahr mehr in die Höhe«, sagte er. »In ein paar Wochen findet hier das große Finale statt. Wir haben zuvor Vorausscheidungen gedreht, in denen wir Amateurköche aus dem ganzen Land beurteilen. Zum Glück war das meiste vor ihrem Sturz schon abgedreht.«

»Gott sei Dank hat Jake sie gefunden.«

Die Auffahrt beschrieb eine Kurve, und da stand das Castle vor ihnen. Das Gelände fiel ab bis zum Horizont, wo Himmel und Wasser sich vereinigten, ein schimmerndes Land aus Gold und Grün und Blau, umsäumt von pastellfarbenen Bergen. Aus dem Schornstein über dem Torffeuer, das stets in der Eingangshalle des Hotels brannte, stieg gemächlich Rauch. Einen Moment lang standen sie schweigend da. Er musterte sie. »Hast du vergessen, wie schön es ist?«

»Ja. Das habe ich wohl.«

Die Morgensonne schien über das Wasser, den Spiegel des Himmels, und Wolken jagten über die stille Bucht hinweg. Sie schloss kurz die Augen und atmete ein, genoss das Gefühl, zu Hause zu sein – die kühle Brise, den Geruch von Ozon und Wasser, die gute, feuchte Erde. Ein alter Steinturm ragte an der Ecke eines neueren, weiß verputzten georgianischen Hauses mit Dachzinnen und steinernen Stabwerksfenstern auf. Der Turm beherbergte die Familienküche und die Privatzimmer, ganz oben befand sich Dianas Suite. In dem georgianischen Teil waren das Restaurant und die Gästezimmer untergebracht, mit einer neuen Profiküche auf der Rückseite. Darcy lächelte, als sie an der Fahnenstange auf dem Dach einen Totenschädel mit gekreuzten Knochen entdeckte.

»Ist das zu Ehren von Mas gebrochenem Arm?«, fragte Darcy.

»Nein, auch wenn ich deine Frage nachvollziehen kann«, sagte Conor. »Wir haben sie zum Spaß hochgezogen, denn einer...


Brown, Kate Lord
Kate Lord Brown wuchs in der englischen Grafschaft Devon auf. Nach ihrem Studium am Courtauld Institute of Art war sie zunächst als internationale Kunstberaterin tätig. Später zog sie mit ihrer Familie nach Valencia und widmete sich dort dem Schreiben. »Das Haus der Tänzerin«, ihr erster auf Deutsch erschienener Roman, stand mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Heute lebt sie in Großbritannien.



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