Eine musikalische Reise
Buch, Deutsch, 200 Seiten, ENGLBR, Format (B × H): 148 mm x 210 mm, Gewicht: 304 g
ISBN: 978-3-938095-18-8
Verlag: Edition Gorz
Musikstücke, die als Antwort auf Gemälde, Radierungen, Skulpturen und andere bildliche Darstellungen entstehen, werden als Sonderform der Programmmusik angesehen. Die wohl bekanntesten Beispiele sind Mussorgskis Bilder einer Ausstellung und Liszts Hunnenschlacht. In deren Folge entwickelte sich im 20. Jahrhundert eine vielgestaltige Gattung.
Dieses Buch lädt seine Leser zu einer Reise ein, die vom Zentrum zur Peripherie des europäischen Kontinents führt, zu den klingenden Bildern von 6 Komponistinnen und 34 Komponisten aus insgesamt 30 Ländern. Jedes Kapitel stellt, ganz oder ausschnittsweise, eine Komposition vor, die im Verlauf der letzten gut 100 Jahre entstanden ist, öffentlich aufgeführt wurde und sich nachweislich auf ein oder mehrere Werke der bildenden Kunst bezieht. Farbige Abdrucke der Gemälde sowie Hinweise auf leicht zugängliche Einspielungen der erläuterten Musikwerke ermöglichen eine bereichernde Kunsterfahrung.
Zielgruppe
Musikliebhaber
Leser mit Interesse an der Beziehung zwischen Musik und Kunst
Gymnasiasten mit Fach Musik
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
Musikwerke, die als Antwort auf Gemälde, Zeichnungen, Radierungen, Skulpturen und andere bildliche Darstellungen entstehen, stellen eine Sonderform der Programmmusik dar. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen einzelne Komponisten, in musikalischer Sprache auf Werke der bildenden Kunst Bezug zu nehmen. Modest Mussorgskis 1874 entstandenes Klavierwerk Bilder einer Ausstellung, mit dem er der Petersburger Gedächtnisausstellung seines im Vorjahr verstorbenen Freundes Viktor Hartmann ein klingendes Denkmal zur Seite stellte, ist das wohl bekannteste Beispiel dieser Gattung. Aber auch Liszts tönende Reflexionen zu Michelangelos Penseroso, einer der Skulpturen der Medici-Kapelle in Florenz (1839), zu Kaulbachs Hunnenschlacht (1857), zu sechs Fresken von Moritz von Schwind (im Oratorium Die Legende von der heiligen Elisabeth, 1862) und zu anderen Gemälden fallen in diese Kategorie. Dasselbe gilt für Mahlers erste Symphonie mit ihrem Bezug auf einen Holzschnitt von Schwind (1888) und für die verschiedenen “Tondichtungen” zu Böcklins berühmtem Gemälde Die Toteninsel, das Schwedens großer Spätromantiker Andreas Hallén bereits 1898 als Erster ‘vertonte’.
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich aus dieser Affinität der Musiker zum visuell Gestalteten eine vielfältige Gattung mit einer inzwischen fast unübersehbaren Anzahl ‘klingender Bilder’. Dabei setzen Komponisten eine ihre Augen faszinierende Vorlage in Klang um, indem sie deren Form, Rhythmus, Farbenspiel und Darstellungsweise oder aber – noch häufiger – deren Thematik und Stimmung in tönender Sprache nachspüren.
Eine Arbeitsgruppe der Universität Innsbruck hat eine elektronische Datenbank eingerichtet, die einen Eindruck von der Fülle der Musik nach Bildern vermittelt. Darüber hinaus gibt es einige Übersichtsstudien mit kurzen Einzelanalysen sowie (bislang vergleichsweise wenige) Versuche, die Bezüge zwischen bildlicher und klanglicher Darstellung im Einzelnen zu deuten und das reichhaltige Spektrum der die Gattung bildenden Werke anhand musikalisch betont verschiedener Beispiele zu beleuchten.
Dieses Buch hat drei einander ergänzende Ziele. Mit Analysen und Deutungen zu 40 über einen Zeitraum von gut 100 Jahren entstandenen Kompositionen will es dazu beitragen, einen faszinierenden, jedoch bisher ein wenig vernachlässigten Aspekt der Musik des 20. Jahrhunderts zu erschließen. Mit der Konzentration auf Musikstücke, die durch visuelle Kunstwerke inspiriert sind und daher von Lesern in ihren Assoziationen unmittelbar nachvollzogen werden können, will es einen Zugang zur oft als abstrakt empfundenen modernen Musik eröffnen. Und mit der Organisation einer Reise, zu der das Buch seine Leser einlädt – einer Reise, die im geografischen Zentrum unseres Kontinents beginnt und in spiralförmiger Expansion bis nach Island führt – will es die Aufmerksamkeit über das vertraute Repertoire hinaus auf Werke lenken, die bisher nicht den ihnen gebührenden Platz in unseren Konzerthäusern gefunden haben. Dabei dürfen Leser sich angesichts der Reichhaltigkeit der künstlerischen Querbeziehungen im gesamteuropäischen Kontext auf viele Entdeckungen freuen, aber auch auf die möglicherweise unerwartete Erkenntnis, dass die individuelle Sprache der Komponisten und Komponistinnen für stilistische Besonderheiten meist weit wesentlicher ist als ihre Bestimmtheit durch Herkunftsland oder Geburtsjahr.
Es geht somit darum, ein größtmögliches Spektrum an Facetten im Bereich der ‘klingenden Bilder’ aufzuzeigen. Leser, die beim Hören eines Musikwerkes gleichzeitig seine Inspirationsquelle betrachten, werden die Erfahrung machen, dass ganz unterschiedliche musikalische Ausdruckssprachen – von der spätromantischen Emotionalität über den musikalischen Impressionismus, Expressionismus und Minimalismus bis hin zur “neuen Emotionalität” – einem Werk der bildenden Kunst nachzuspüren vermögen. Und wer bereit ist, sich auf der Basis der eigenen Kunsteindrücke mit den Wahrnehmungsschwerpunkten der kunstbegeisterten Komponisten auseinanderzusetzen, wird beginnen, die Musik unserer Zeit ganz neu als eine “Sprache” zu hören.




