E-Book, Deutsch, 918 Seiten
Brun Olga-Trilogie im Bundle
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95669-221-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
München-Krimi-Paket
E-Book, Deutsch, 918 Seiten
ISBN: 978-3-95669-221-5
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die junge Rechtsanwältin Olga Swatschuk und Privatdetektiv Alex Sorger geraten in München immer wieder in ein Netz aus Täuschung, Verrat und Verbrechen. Ihre Ermittlungen führen sie von illegalen Organtransplantationen und entführten Wissenschaftlerinnen bis hin zu einem millionenschweren Betrugsfall rund um ein Prestigeprojekt. Mit Verstand, Mut und unerwarteter Hilfe stellen sie sich den Herausforderungen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen - auch wenn dies bedeutet, eigene Grenzen zu überschreiten. Im Set enthalten sind: 'Bodenloser Fall', 'Gewissenlose Wege' sowie 'Grenzenlose Gier'.
In München im Jahr 1958 geboren, ist Georg Brun mit einigen Abstechern stets ein »Münchner Kindl« geblieben. Auf mehrere Jahre im Bayerischen Landeskriminalamt und das Jura-Studium folgte eine langjährige Tätigkeit im Wissenschaftsministerium. Als Georg Brun im Jahr 1988 mit »Das Vermächtnis der Juliane Hall« sein erstes Buch veröffentlichte und dafür den Bayerischen Förderpreis für Literatur erhielt, begann sein erfüllendes Doppelleben als Jurist und Schriftsteller. »Olga-Trilogie« ist seine München-Krimi-Reihe rund um die Anwältin Olga Swatschuk.
Mehr über den Autor unter www.georgbrun.de oder auf Instagram unter: @brungeorg
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1 Frühsommer und schon eine tropische Nacht. Es radelte sich angenehm durch die menschenleere Stadt. Als sie ihr Büro erreicht hatte, riss sie die Fenster auf. Die Blätter des Kastanienbaums vor ihrem Fenster raschelten. Olga hielt einen Augenblick inne, lauschte hinaus in die schlafende Stadt, deren Hintergrundrauschen niemals verstummte. In der Grünanlage gegenüber war es still. Die letzten Zecher hatten heimgefunden, die Obdachlosen lagen in ihren Schlafsäcken. So stand sie einige Minuten und scheute sich, das Licht anzuschalten und damit den Alltag in ihr Leben einzulassen, das einer routinierten Regelmäßigkeit folgte, seit sie sich vor drei Jahren mit dem Schwerpunkt Strafverteidigung als selbstständige Einzelanwältin in München niedergelassen hatte. Jeden Morgen überprüfte sie ihren Terminkalender, den Angela, ihre Anwaltsgehilfin, mit größter Sorgfalt führte, und in dem neben Gerichts- und Mandantenterminen mit roter Tinte alle Enddaten für die diversen Fristen eingetragen waren. Olga mochte das quadratische, ledergebundene Buch, und obwohl sie von frühester Jugend an mit Computern und Handys aufgewachsen war, zog sie den altmodischen Kalender dem Outlook-Kalender vor. Olga verließ das Fenster, kippte den Lichtschalter und setzte sich im Schein der Neonröhren an den Schreibtisch. Sie holte den Leitzordner mit ihren Steuerunterlagen hervor. Das Formular für die Einkommenssteuererklärung war weitgehend ausgefüllt. Sie prüfte die Eingaben und ließ eine erste Berechnung vornehmen: Sie zahlte zu viel Steuern für zu wenig Einkommen. Wirtschaftlich lief ihre kleine Kanzlei nach wie vor mehr schlecht als recht, aber immerhin kam sie über die Runden und war niemandem außer sich selbst Rechenschaft schuldig. Sie konnte ihre Arbeitszeit ziemlich frei einteilen und selbst entscheiden, welches Mandat sie annahm und welches nicht. Andererseits war es mit dieser Freiheit so eine Sache, denn mangels eines festen Mandantenstamms übernahm sie regelmäßig Pflichtverteidigungen. Immer noch hörte sie die Stimmen ihrer Freunde und Kollegen, die sie davor gewarnt hatten, in der heutigen Zeit, in der die großen Sozietäten angesagt waren, ein Einzelkämpferschicksal zu wählen. Das sei wie Free-solo-Klettern, spotteten die, die mit ihrer Bergleidenschaft vertraut waren. Stimmt, dachte Olga und schickte die Steuererklärung ab. Um halb neun erschien der erste und einzige Mandant des Tages, der Beschuldigte in einem Untreueverfahren, zu dessen Pflichtverteidigerin sie vor zehn Tagen bestellt worden war. »Martin Prodger, guten Morgen«, stellte sich der schlanke Mann vor. Er trug einen leicht abgetragenen Anzug. Sein markantes Gesicht wirkte vertrauenerweckend, was Olga überraschte; immerhin wurde ihm in der Anklageschrift die Veruntreuung einer gewaltigen Summe von 865.000 Euro vorgeworfen. Sein Händedruck war fest, sein Blick offen. Er nahm auf dem Stuhl Platz, den ihm Olga anbot, und bemerkte mit klarer, dunkler Stimme: »Danke, Frau Swatschuk, dass Sie sich meines Problems annehmen.« Er sah sich um. Auf ihren Besprechungsraum war Olga stolz: Quadratisch mit zwei großen Fenstern zu Innenhof und Seitengasse, weiß gestrichen und völlig schmucklos; ein runder Tisch mit heller Resopalplatte, vier Stühle mit blauen Stoffbezügen, darüber ein Deckenstrahler. Nichts weiter. Jedes Mal, wenn eine neue Mandantin oder ein neuer Mandant hier eintrat, genoss Olga die Überraschung auf den Gesichtern. Niemand erwartete von einer jungen Rechtsanwältin einen so nüchternen Raum, und die meisten konnten sich eine irritierte Bemerkung nicht verkneifen. Nicht so Martin Prodger, im Gegenteil: »Schön haben Sie es hier«, sagte er. »Danke«, antwortete sie überrascht. »Nun, Herr Prodger, ich bedauere, dass das Gericht die Bestellung Ihres Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger abgelehnt hat. Es würde mich freuen, wenn Sie mir das gleiche Vertrauen entgegenbrächten, das Ihr Wahlverteidiger genießt. Angesichts der Umstände kann ich Ihnen nur versichern, dass ich alles dafür tun werde, die Angelegenheit für Sie zu einem vernünftigen Ende zu bringen.« Olga hasste solche Einleitungen und hatte stets ein mulmiges Gefühl, wenn sie eine Pflichtverteidigung übernehmen musste, obwohl der Beschuldigte lieber einen anderen Anwalt beauftragt hätte. Meist blieb bei so einer Vorgeschichte ein Schatten auf der Mandantenbeziehung liegen, egal was für ein Ergebnis erreicht wurde. Wenn es keinen lupenreinen Freispruch gab, haftete dem Ergebnis das Gefühl des Makels an. Dabei versuchte Olga, gerade bei Pflichtverteidigungen ihr Bestes zu geben, um den Vorbehalten und Vorurteilen entgegenzuwirken, mit einer Pflichtverteidigerin bekäme man minderen Rechtsbeistand. Sie freute sich daher über die Erwiderung ihres neuen Mandanten: »Sie haben mein volles Vertrauen.« Er saß leicht nach vorne gebeugt auf seinem Stuhl, die Hände lagen flach auf dem Besprechungstisch. Zwischen den Augenbrauen zeigte sich eine markante Falte, an den Schläfen wirkte das braune Haar schütter. Dort schimmerten auch einige silberne Fäden. Das Kinn zeigte energisch nach vorne, die Mundwinkel waren eingekerbt. Olga sah ihm sein Alter an und dachte trotzdem, Martin Prodger wirke jugendlich. »Erzählen Sie«, forderte sie ihn auf, »wie sich die Dinge, die Ihnen vorgeworfen werden, aus Ihrer Sicht darstellen.« Olga lehnte sich zurück und hoffte, dass Prodger umfassend erzählen würde, denn sonst müsste sie zu viele Fragen stellen. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass die immer demselben Muster folgenden Fragen zu einer Voreingenommenheit führten, die individuelle Nuancen unter den Tisch fallen ließ, manchmal sogar für immer. Allein das Studium der Ermittlungsakte, das sie gerade bei Pflichtverteidigungen oft vor dem ersten Mandantengespräch abgeschlossen hatte, konnte eine bestimmte Voreingenommenheit herbeiführen. »Es fällt mir nicht leicht, aber ich gestehe: Ich bin schuldig.« Sein Gesicht wirkte ernst, die Lippen zitterten. »Mir sind meine finanziellen Verhältnisse entglitten, ich habe mir unrechtmäßig Geld geborgt.« Prodger schaute Olga unsicher in die Augen. »Ich weiß, das klingt nach einer Nullachtfünfzehn-Ausrede. Ja, ich habe Geld unterschlagen. Aber ich wollte es zurückzahlen.« In seinem Blick lag etwas Verzweifeltes. »Geliehen, ich habe mir das Geld nur geliehen – und auch nicht diesen Riesenbetrag, nein, bitte, glauben Sie mir!« »Erzählen Sie«, bat Olga, »dann sehen wir, was sich für Sie tun lässt.« Prodger nickte und fuhr fort: »Seit knapp fünfzehn Jahren bin ich Mitglied des Freundeskreises des Museums der Moderne hier in München. Als man mich vor elf Jahren gefragt hat, ob ich im Vorstand das Finanzressort übernehmen könnte, habe ich mich zur Verfügung gestellt und bin seitdem immer wieder gewählt und auf den Jahresversammlungen entlastet worden. Von Anfang an war für die Buchführungstätigkeiten eine Aufwandsentschädigung von 200 Euro monatlich vereinbart, die ich mir jedoch zehn Jahre lang nicht ausbezahlt habe. Damals brauchte ich das Geld nicht und wollte dem Freundeskreis was Gutes tun.« »Ihr Amt ist also ehrenamtlicher Natur?« Prodger nickte. »Deshalb wollten Sie kein Geld für die Buchführung nehmen?« »Ja.« »Aber plötzlich doch? Können Sie mir das erklären?« »Vor zwei Jahren ist meine Schwiegermutter schwer erkrankt, in ihrer Heimat, den Philippinen. Viele Menschen sind dort nicht krankenversichert. Auch meine Schwiegermutter hatte keine Versicherung und die Behandlung war teuer. Es war selbstverständlich für mich, die Kosten zu übernehmen. Vor gut einem Jahr musste ich den ersten Kredit aufnehmen, um die Fortsetzung der Behandlung zu ermöglichen. Wegen der hohen Kosten habe ich die Aufwandsentschädigung für die Buchhaltung für die zurückliegenden Jahre an mich ausbezahlt, gerundet ein Betrag von 25.000 Euro, den ich entsprechend verbucht habe.« »Haben Sie das mit dem Vorstand abgesprochen?« »Nein, aber ich bin mir sicher, dass der Vorstand es billigen wird«, antwortete Prodger und hob bedauernd beide Hände, ehe er fortfuhr, sich zu erklären. »Leider konnten die Ärzte meine Schwiegermutter nicht retten. Ich bin mit meiner Frau und unseren Kindern zur Beerdigung geflogen, die ich ebenfalls bezahlt habe. Das war sehr teuer.« Er stockte. Mit den Fingern tippte er nervös auf den Tisch. Sein Adamsapfel hüpfte beim Schlucken deutlich auf und ab. »Sie haben keine Vorstellung davon, wie wichtig es für mich war, meiner Frau beizustehen, als ihre Mutter so schwer erkrankt ist«, fuhr er schließlich fort. »Das ist doch selbstverständlich«, bemerkte sie, spürte aber, wie sehr es ihn danach drängte, seine Situation zu erläutern. »Aber erzählen Sie ruhig etwas mehr, vielleicht hilft uns das bei unserer Verteidigungsstrategie, Ihr Motiv menschlich nachvollziehbar darzustellen.« »Glauben Sie mir, ich war wirklich in einer Notlage, und für meine Frau war es sowieso nicht leicht, aus ihrer Heimat wegzugehen. Allein die vielen Kommentare, die sich meine Frau anhören muss, weil sie Asiatin ist und anders aussieht. Diese unterschwelligen Anfeindungen gehen unter die Haut. Wie hätte ich da ihre Mutter im Stich lassen können?« »Das verstehe ich alles und es tut mir leid für Sie und Ihre Familie – aber warum der Griff in die Vereinskasse?«, lenkte Olga den Fokus wieder auf die sachlichen Dinge. »Erzählen Sie mir, was Sie gemacht...