E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Reihe: Steininger-Krimi
Buchner Donaudämmerung
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7099-3858-4
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Krimi aus dem Jahr 1939
E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Reihe: Steininger-Krimi
ISBN: 978-3-7099-3858-4
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
ZWISCHEN "ANSCHLUSS" UND KREIGSBEGINN: EIN KRIMINALFALL IN DÜSTEREN ZEITEN.
WER HAT GÖRINGS TANTE UMGEBRACHT?
Die Aufregung ist groß, als HERMANN GÖRING zur Einweihung der "Reichswerke Hermann Göring" persönlich in Linz erscheint. Kurz darauf wird eine Frau erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden. GERÜCHTE BESAGEN, SIE SEI EINE TANTE VON GÖRING GEWESEN. Noch dazu soll die Ermordete eine größere GELDMENGE in ihrer Wohnung gebunkert und ihre Nachbarn mittels DENUNZIATIONSBRIEFEN erpresst haben. Sofort wird der Mordfall zum KRIMINALISTISCHEN SKANDAL, der den eigentlich recht behäbigen Kommissar Josef Steininger ganz schön auf Trab bringt: Mit HÖCHSTER DRINGLICHKEIT und der GESTAPO im Nacken muss Steininger schleunigst den Mörder finden - und wird MIT ZAHLREICHEN VERDÄCHTIGEN UND MENSCHLICHEN ABGRÜNDEN konfrontiert.
SCHAUPLATZ LINZ IM AUGUST 1939: ÖSTERREICH AM VORABEND DES ZWEITEN WELTKRIEGS
Seit eineinhalb Jahren ist die "OSTMARK" Teil des nationalsozialistischen Deutschen Reichs. Mittendrin die STAHLSTADT, eine jener fünf "Führerstädte", die Adolf Hitler mit seinem "Sonderauftrag Linz" von Albert Speer zur mustergültigen Nazi-Stadt ausbauen lassen wollte. Nun zeigt sich, wer sich mit den NEUEN MACHTHABERN arrangiert, von ihnen profitiert oder gar schon lange vor dem "ANSCHLUSS" ÖSTERREICHS 1938 mit ihnen sympathisiert hat. Klar wird auch, wer nicht in den nationalsozialistischen "Volkskörper" passt und um sein Leben fürchten muss. Ehemalige Arbeitskollegen zeigen ihr wahres Gesicht, aus Nachbarn und Freunden werden Feinde - und gar Mörder?
FESSELNDE KRIMIHANDLUNG TRIFFT EINDRUCKSVOLLES ZEITKOLORIT
Vor dem Hintergrund der Diktatur ermittelt Bezirksinspektor Steininger in einem politisch höchst brisanten Fall. Historiker Thomas Buchner zeichnet anschaulich und mit viel Gespür für die Zeit EIN LEBENDIGES BILD ÖSTERREICHS KURZ VOR BEGINN DES ZWEITEN WELTKRIEGS.
Autoren/Hrsg.
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Freitag, 13. Mai 1938, 11 Uhr
Im Großen und Ganzen war Leopold Keplinger gerne Polizist. Schon als Kind, als er mit den Buben aus der Eisenhandstraße in der schütter verbauten Umgebung der Kasernen ‚Räuber und Gendarm‘ gespielt hatte, war er, der Poldl, der Ordnungshüter gewesen. Bereits mit sieben Jahren war ihm klar geworden, dass er Polizist werden wollte. Damals musste er eine Mutprobe bestehen, um – wie zuvor seine älteren Brüder – von Häuptling Dunkler Blitz, das heißt vom Rennhofer Ferdl, in den Stamm der Sioux aufgenommen zu werden. Poldl sollte aus einer vor der Greißlerei Schierhuber stehenden Kiste zwei Äpfel stehlen. Zuvor hatte schon der Scheuringer Sepp, der ein halbes Jahr jünger war als Poldl und ungeschickt obendrein, diese Aufgabe mit Bravour erledigt, weshalb es auch ihm als ein Leichtes erschien, die Äpfel zu entwenden. Doch als er in einem passend scheinenden Moment die Hand nach der Kiste ausstreckte, trat ein Polizist aus einem dunklen Hauseingang und ließ ihn mit eisenhartem Griff erstarren. „Mach keinen Schmarrn!“, hatte der großgewachsene Mann mit dem stechenden Blick gebrummt und dem vor Angst schlotternden Poldl eine Ohrfeige gegeben, wie er sie selbst von seinem Vater nicht gekannt hatte. In den Stamm der Sioux wurde Poldl dennoch aufgenommen, nachdem er gewissermaßen als Ersatz für den missglückten Apfeldiebstahl dem Trafikanten Kowacek mit der Steinschleuder eine Scheibe eingeschossen hatte. Die Ohrfeige und der stechende Blick hatten in Poldl den Wunsch reifen lassen, selbst einmal für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sein Vater, ein einfacher Schweißer in der Schiffswerft, hatte nach anfänglichem Zögern den Berufswunsch seines Sohnes akzeptiert. Nach der Angelobung schließlich, als Poldl das erste Mal in Uniform heimkam, meinte er sogar Tränen in den Augenwinkeln des Vaters gesehen zu haben. Das war der Moment, in dem auch die Mutter stolz auf ihn war – sie, die immer Angst hatte, dass ihrem Lieblingssohn etwas zustieß. Poldl mochte es, in seinem Revier auf Streife zu gehen und von den meisten respektvoll gegrüßt zu werden. Es machte ihm auch nichts aus, in der Nacht in dunklen Kellerlokalen nach dem Rechten zu sehen und auffällige Subjekte zu kontrollieren. Natürlich war nicht alles Sonnenschein, und auch die Bezahlung ließ zu wünschen übrig. Er hätte etwas mehr Geld nötig gehabt, aber weniger für sich, als vielmehr, um seiner Familie aushelfen zu können. Aber im Großen und Ganzen gefiel es Poldl, Polizist zu sein. Wie den meisten seiner Kollegen war ihm daher der Anschluss Österreichs an Deutschland recht gewesen. Endlich hatte man das Gefühl, es werde nun tatsächlich etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan. Dass die Leute zu wenig Geld und zu viel Zeit hatten, war ja schuld an den vielen Diebstählen, die bei Poldl und seinen Kollegen ein Gefühl der Machtlosigkeit erzeugten. Auch war es ihm gar nicht unsympathisch, nun tatsächlich so durchgreifen zu dürfen, wie man es in den Reihen der Polizei schon lange gefordert hatte. ‚Waffengleichheit mit der Unterwelt‘, lautete das Schlagwort, das auch in den Gängen der Linzer Polizeidirektion populär war. Endlich hatte man die Mittel in der Hand, um wirksam gegen die Kriminellen vorgehen zu können, und die ganze Stadt schien – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur darauf gewartet zu haben. Dachau war ein Ort, an dem sich manches abspielte, das man lieber nicht so genau wissen wollte. Aber viele Polizisten sahen zunächst einmal das Praktische daran, denn es ließ sich mit einem Konzentrationslager recht wirkungsvoll drohen, was auch dem Poldl durchaus behagte. Ausgerechnet heute fühlte sich Leopold Keplinger nicht recht wohl. Erstens einmal, weil es ein Freitag war, der auf den 13. fiel. Von seinem Onkel mütterlicherseits hatte er ein Quäntchen Aberglauben geerbt. Der Onkel hatte mit dem Verweis auf allerlei unheilvolle Symbole und Konstellationen seine erstaunliche Unfähigkeit in alltäglichen Dingen zu kaschieren getrachtet. Dem Poldl war auch eine übergebührliche Scheu vor schwarzen Katzen und kaputten Spiegeln eigen. An sich trachtete er danach, an einem Freitag, den 13. keinen Dienst zu machen, aber diesmal war ihm das nicht gelungen. Ein weiterer Grund für sein Unbehagen hatte unmittelbar mit dem Anschluss zu tun: Er hatte sich an seine neue grüne, dem reichsdeutschen Standard entsprechende Uniform noch nicht gewöhnt. Besonders der Tschako drückte ganz gehörig auf den Kopf, zumal an warmen Tagen wie diesem. Der dritte Grund für sein Unwohlsein lag in unmittelbarer Zukunft, denn am Sonntag war Muttertag. Bis dahin war im Hause Keplinger wenig Wert darauf gelegt worden, aber seitdem in den Zeitungen häufiger auf die Bedeutung des ‚Ehrentags der deutschen Mutter‘ hingewiesen wurde, wollte natürlich auch Poldls Mutter geehrt werden. Das passte ihm gar nicht, zumindest heuer nicht, wo er doch mit seinem Bruder Peter und einem Freund eine Radpartie unternehmen wollte. So zerbrach sich Keplinger den Kopf über einen möglichen Ausweg aus dieser Zwickmühle und war demgemäß nicht recht bei der Sache. Dabei hatte er gerade an diesem Freitag eine besondere Aufgabe: Generalfeldmarschall Hermann Göring, Beauftragter des Vierjahresplans, wurde in Linz erwartet, um den Spatenstich für das geplante, nach ihm benannte Hüttenwerk im Südosten der Stadt vorzunehmen. Auf dem fahnengeschmückten Gelände tummelten sich bereits seit dem Morgen zahlreiche Formationen der Hitlerjugend, der SA, der SS und anderer Parteigruppierungen. Poldls Aufgabe war es, gemeinsam mit anderen Schutzpolizisten für Ordnung und besonders für die Sicherheit des mächtigen Mannes zu sorgen. Tagelang waren er und seine Kollegen instruiert worden, wie dies zu bewerkstelligen sei. Hauptsächliches Augenmerk war auf die Vermeidung unvorhergesehener Zwischenfälle zu legen. Obwohl in den beiden vergangenen Monaten tüchtig gearbeitet wurde – wie Major Schallert, der Kommandeur der Schutzpolizei, in seinen einleitenden Worten betont hatte –, gebe es nach wie vor „verbohrte Sozialisten“ und Anhänger der „Systemregierung“, die nicht begreifen wollten, dass ihre Zeit endgültig vorbei war. Alles, was auch nur ansatzweise als Terror betrachtet werden könne, sei bereits an der Wurzel zu packen und auszurotten. Poldl hatte seufzen müssen, so oft hatte Schallert das Wort „radikal“ in den Mund genommen. Andererseits aber – hatte Schallert weiter ausgeführt – seien spontane Beifallskundgebungen der anwesenden Volksgenossen nicht zu behindern. Immerhin solle dem befreiten Volke die Gelegenheit gegeben werden, einem der größten Männer Deutschlands Dank für die Erlösung vom „Schuschniggjoch“ abzustatten. Die Uniformierten hatten einander ratlos angeblickt. Wo endete eine spontane Beifallskundgebung und wo begann ein unvorhergesehener Zwischenfall? Darüber hatten die Instruktionen geschwiegen und Poldl hoffte, dass die Zeremonie schnell und ohne gröbere Vorkommnisse vorübergehen würde. Tatsächlich sollte Göring ja auch noch das Flugfeld in Hörsching eröffnen, allzu lange würde er sich in Linz nicht aufhalten. Bereits Stunden vor dem eigentlichen Festakt strömten hunderte Menschen auf das Gelände. Eine Kapelle spielte das ‚Horst-Wessel-Lied‘, gefolgt von ‚Es zittern die morschen Knochen‘ und dem ‚Radetzky-Marsch‘. Poldl versuchte, volksnah und ordnungsstiftend zugleich zu erscheinen, ganz im Sinne der Anweisungen. Tatsächlich mochte er keinem der vielen Menschen, die nach St. Peter-Zizlau kamen, zutrauen, dem Reichsfeldmarschall etwas anzutun, nicht einmal den hiesigen Bewohnern, deren Dorf schon bald dem Erdboden gleichgemacht sein würde. Bei der Zufahrt zum Festgelände brausten plötzlich ‚Heil‘-Rufe auf. Poldl konnte von seinem Standpunkt aus nichts erkennen, aber offenbar näherte sich Görings Konvoi dem riesigen Kran-Bagger, auf dem die Ansprache gehalten werden sollte. Man hatte der Zeitung entnehmen können, dass der Bagger extra aus Essen herangekarrt wurde. Poldl sah wenig, sein Blick hatte der Menschenmenge und nicht dem Generalfeldmarschall in seinem Rücken zu gelten. Allerdings war ihm trotz aller Muttertagsgrübelei doch bewusst, an einem historischen Moment teilzuhaben. Ein Mikrophon quietschte und aus den Lautsprechern quoll blechern die Stimme eines Mannes, die Poldl nicht zuordnen konnte. Die ‚Heil‘-Rufe ebbten ab, der Mann in seinem Rücken sprach von der neuen Zeit, die angebrochen sei, und Ähnlichem, dem Poldl nicht mehr folgen konnte, weil er es in den letzten Wochen schon zu oft gehört hatte. Den Menschen vor ihm mochte es ähnlich gehen, manche unterhielten sich gedämpft mit ihren Nachbarn, manche blickten sich um. So wie Poldls Mutter konnten wohl manche nicht glauben, dieses Dorf binnen kürzester Zeit verschwinden zu sehen. „Und stinken wird’s, wenn die da erst einmal die Fabrik hingestellt haben“, hatte sie erst gestern wieder gejammert. Poldl musste lächeln. Wovor sich die Mutter da nur wieder fürchtete! Natürlich würde es zu bemerken sein, wenn da erst einmal dieses Werk, noch dazu in den geplanten Ausmaßen, stehen würde, aber was galt das gegen den Aufschwung, den Linz damit nahm? „Und überhaupt“, hatte er der Mutter entgegnet, „wo der Führer Linz so gern hat, wird er doch die Stadt nicht ruinieren.“ Poldl, immer noch lächelnd, wurde von einigen Leuten vor ihm böse angeschaut. Sofort bemühte er sich, wieder ausdruckslos, aber wachsam dreinzublicken, ganz so, wie er es sich im Laufe seiner bisherigen Polizeilaufbahn angewöhnt hatte. Die Leute hatten sich verändert, ihre Haltung war strammer, die Augen waren erwartungsvoller geworden. Auch die Stimme in...