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E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: marixwissen

Bühl Antisemitismus

Geschichte und Strukturen von der Antike bis 1848
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8438-0618-3
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Geschichte und Strukturen von der Antike bis 1848

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: marixwissen

ISBN: 978-3-8438-0618-3
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vom Ausgangspunkt assyrische Deportation über das babylonische Exil und die Stellung der Juden bei den Persern, Ägyptern, Griechen sowie Römern in der Antike; von den Kreuzzügen bis zum Antichristen im Mittelalter; von der Inquisition über die Reformationszeit zu antijüdischen Schriften in der frühen Neuzeit und der Aufklärung; vom Kampf um die rechtliche Gleichstellung der Juden gegen den Widerstand von Organisationen wie der Deutschen Tischgesellschaft bis zur Position bekannter Schriftsteller in der Romantik: In einem großen Bogen von den Anfängen des jüdischen Volkes bis 1848 bereitet der Soziologe Achim Bühl die Strukturen des Antisemitismus auf und verweist dabei immer wieder auch ins Heute, um die Verflechtungen von geschichtlicher und aktueller Judenfeindschaft deutlich zu machen.

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1DER ANTISEMITISMUS IN DER ANTIKE
Die antike Judenfeindschaft umfasst den Zeitraum seit Beginn der Geschichte Israels etwa 1300 v. Chr. bis ca. Ende des 5. Jh.s n. Chr. Herausragende Ereignisse stellen der Aufstand in Elephantine im Jahr 411 v. Chr., die Verfolgungen unter Antiochos IV. um 170 v. Chr., der Pogrom von Alexandrien im Jahr 38 n. Chr., die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die römische Besatzungsmacht im Jahr 70 n. Chr. sowie die endgültige Niederschlagung des Simon-Bar-Kochba Aufstands und die damit einhergehende Vertreibung der Juden aus Jerusalem im Jahr 135 n. Chr. dar. Für die Genese und Entwicklung des Antisemitismus spielt die christliche Judenfeindschaft, die sich bereits in neutestamentarischen Schriften, bei Paulus von Tarsus sowie vor allem bei den frühchristlichen Kirchenvätern im 4. Jh. n. Chr. nachweisen lässt, eine fundamentale Rolle. Frühchristliche Dogmen haben nicht nur in entscheidendem Maß den mittelalterlichen Antisemitismus, sondern auch dessen moderne Variante geprägt. Eine Beschäftigung mit dem antiken Antisemitismus lässt die Wurzeln des sozialen Phänomens erkennen. 1.1Assyrische Deportation und babylonisches Exil
Im 9. Jh. v. Chr. gelang es dem Volk der Assyrer, welches im mittleren und nördlichen Mesopotamien lebte, ein Großreich zu etablieren, dessen Zentren die Städte Aššur, Nimrud und Ninive bildeten und welches zeitweise auch Babylon und Ägypten beherrschte. Im Jahr 733 v. Chr. deportierte das Assyrische Reich Tausende Einwohner aus dem Nordreich Israel, im Jahr 722 v. Chr. ebenso aus dem durch die innerjüdische Spaltung hervorgegangenen Staat Samaria. Im Jahr 614 v. Chr. eroberten die Vasallenstaaten Babylon und Medien die assyrische Hochburg Nimrud, im Jahr 612 v. Chr. nach dreimonatiger Belagerung Ninive und drei Jahre später die westlich gelegene Stadt Harran. Mit der Thronübernahme Nebukadnezars II. (640 v. Chr.–562 v. Chr.) im Jahr 605 war die Unterwerfung der einstigen Großmacht besiegelt. Das neubabylonische Reich schickte sich sogleich an, Syrien und die Levante tributpflichtig zu machen. Aufstände in denjenigen Staaten, die sich gegen ihre Unterwerfung zur Wehr setzten, wurden mit Gewalt niedergeschlagen. Im Jahr 597 v. Chr. eroberte Nebukadnezar II. Jerusalem und verbannte den König Jojachin (616 v. Chr.–560 v. Chr.) sowie Tausende Juden ins ferne Babylon. Einen Aufstand des nachfolgenden Königs Zedekia (618 v. Chr.–586 v. Chr.) ließ der babylonische Herrscher ebenso niederschlagen und im Jahr 586 v. Chr. den Ersten Tempel in Jerusalem zerstören. Zedekia sowie das ihn umgebende Establishment wurde gleichfalls nach Babylon deportiert. Sowohl die assyrische als auch die babylonische Politik gegenüber den Juden ist insofern nicht als antisemitisch zu werten, als es sich bei den Deportationen nicht um gewaltförmige Praxen auf rassistischer Grundlage handelte. Die Exilierung der Führungseliten wurde auch bei anderen Völkern praktiziert, die sich tributpflichtigen Unterwerfungen widersetzten, um die verbliebene Bevölkerung gefügig zu machen. Rassifizierende Diskurse, welche die Juden in kollektivierender wie antagonisierender Weise mittels eines oder mehrerer Differenzkriterien zur Fremdgruppe konstruierten bzw. die rassistisches Wissen zwecks Legitimierung etwa der Tempelzerstörung produzierten, sind nicht auszumachen, gleichwohl bedacht werden muss, dass die Quellenlage weniger fundiert ist als zu späteren Zeiten. Obgleich Antisemitismus keinesfalls auf Einstellungen oder auf Ideologeme verkürzt werden darf, stellt die antisemitische Ideologie einen notwenigen Bestandteil des sozialen Sachverhalts dar; dieser ist in der assyrischen wie babylonischen Zeit noch nicht auszumachen. Einwenden ließe sich, dass im Buch Daniel der hebräischen Bibel von Antisemitismus unter Nebukadnezar berichtet wird. Es heißt hier: »König Nebukadnezar ließ ein goldenes Standbild anfertigen, dreißig Meter hoch und drei Meter breit, und ließ es in der Ebene Dura in der Provinz Babylon aufstellen. Dann berief er sämtliche hohen Beamten seines Reiches zu einer Versammlung ein, die Provinzstatthalter, Militärbefehlshaber und Unterstatthalter, die Ratgeber, Schatzmeister, Richter, Polizeigewaltigen und alle hohen Beamten der Provinzen. Sie sollten an der Einweihung des Standbildes teilnehmen, das er errichtet hatte. Sie alle kamen zu der Einweihung und stellten sich vor dem Standbild auf. […] Einige Babylonier aber ergriffen die Gelegenheit, die Juden anzuzeigen. […] Da sind aber einige Juden, denen du die Verwaltung der Provinz Babylon anvertraut hast. Diese Männer haben deinen Befehl missachtet. Sie erweisen deinem Gott keine Ehre und beten das goldene Standbild, das du errichten ließest, nicht an.« (Daniel 3:1) Der Nebukadnezar der Sage aus dem Buch Daniel gerät daraufhin außer sich und lässt die beschuldigten Juden in einen siebenmal so stark wie sonst geheizten Ofen werfen. Doch es ist eine Sage, welche die Rückprojektion eines aktuellen Konflikts in die assyrische Zeit darstellt. Das Buch Daniel entstand zwischen 167–164 v. Chr., als das Judentum schwersten Repressalien unter dem seleukidischen Herrscher Antiochos IV. Epiphanes (215–164 v. Chr.) ausgesetzt war, der einen Vernichtungskampf gegen ihren Kultus führte und im Jahr 169 v. Chr. den Jerusalemer Tempel entweihte. In dieser Auseinandersetzung soll das Buch Daniel den Juden durch eine Legende aus vergangener Zeit Mut machen, insofern die Juden aus dem glühenden Ofen unbeschadet herauskommen. 1.2Das Perserreich und die Juden
Im Jahr 539 v. Chr. eroberte der Perserkönig Kyros II., der Persien fast dreißig Jahre lang regierte, Babylon. Kyros II. gelang es in seiner Amtszeit, das persische Einflussgebiet deutlich zu erweitern. Im Jahr 538 v. Chr. gestattete ein Edikt des Herrschers den Juden ihre Rückkehr nach Palästina. Ein relevanter Teil der Juden nahm das Angebot an und begann mit dem Bau eines Zweiten Tempels, den der persische König gestattete und finanzierte. Unter persischer Oberherrschaft war es den Juden erlaubt, ihren Kult in Palästina zu praktizieren sowie nach ihren religiösen Gesetzen autonom zu leben. Die Juden erhielten den vom babylonischen Reich geraubten Tempelschatz zurück. Für die Juden Palästinas begann eine vergleichsweise friedliche Zeit. Die unter der Perserherrschaft in Ägypten erfolgte Zerstörung des Tempels von Elephantine bildete eine Ausnahme, wenngleich die Täter von der lokalen persischen Administration unterstützt wurden, die für ihr opportunistisches Agieren indes streng bestraft wurde. Das historisch gesehen positive Verhältnis des Perserreichs zu den Juden ist negativ verzerrt wie überlagert durch das Buch Esther der hebräischen Bibel, welches beim jüdischen Purimfest gelesen wird und an die vermeintliche Rettung der Juden im persischen Großreich erinnern soll. Das Buch Esther schildert den Versuch des persischen Regierungsbeamten Haman, die Juden kollektiv zu vernichten. An den Perserkönig Ahasveros wendet sich Haman mit den Worten: »Es gibt ein Volk, zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern deines Königreichs, und ihr Gesetz ist anders als das aller Völker, und sie handeln nicht nach des Königs Gesetzen. Es ziemt dem König nicht, sie gewähren zu lassen. Gefällt es ihm, so lasse er verfügen, dass man sie umbringe. Dann werde ich 10.000 Zentner Silber abwiegen […] und in die Schatzkammer des Königs bringen lassen.« (Esther 3:8) Ahasveros stellt die Transliteration des persischen Wortes Xerxes dar, sodass der eliminatorische Komplott gegen die Juden in die Amtszeit des persischen Großkönigs Xerxes I. (519–465 v. Chr.) fallen würde, der Persien von 486 v. Chr. bis zu seinem Tode regierte. Die heutige Forschung geht indes davon aus, dass auch diese biblische Legende die antisemitischen Übergriffe des Seleukidenherrschers Antiochos IV. Epiphanes in die Perserzeit zurückprojizierte. Der Zweck der Legende, die von der wundersamen Errettung der Juden durch die Adoptivtochter Esther des als Torhüter des königlichen Palastes dienenden Juden Mordechai berichtet, bestand darin, den Juden mit der Geschichte eines für sie glücklich verlaufenden existentiellen Konflikts zum Zeitpunkt des Makkabäer-Aufstands (167–141 v. Chr.) Mut zu machen. Sowohl das Buch Daniel wie das Buch Esther sind nicht als Geschichtswerke zu interpretieren, sondern müssen als biblische Erzählungen verstanden werden, die zeitgenössische Auseinandersetzungen legendenhaft verarbeiten. 1.3Der erste Tatort: Elephantine in Ägypten
Fährt man als Tourist mit einem Nildampfer, um die klassischen Ziele wie Luxor zu besichtigen, so kommt man vorbei an der Insel Jeb, die wegen ihrer Gestalt auch Elephantine genannt wird und sich in der Nähe von Syene befindet, dem heutigen Assuan, das sich am gegenüberliegenden Ostufer des Nils befindet. In Elephantine existierte in der Antike eine jüdische Militärkolonie, deren Größe auf ca. 1.500 Mann...


Bühl, Achim
Achim Bühl ist Professor für Soziologie an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Bioethik, Rassismusforschung, Technik- und Mediensoziologie sowie die Statistiksoftware SPSS. Zuletzt erschien von ihm bei marix Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses (2016).



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