Byrne | Verbena | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

Byrne Verbena

Hexenjagd
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-944788-88-3
Verlag: Fabulus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Hexenjagd

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

ISBN: 978-3-944788-88-3
Verlag: Fabulus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die 17-jährige Heilerin Verbena entdeckt an sich ein magisches Talent: Sie kann sich mit einem Marder verbinden. Als 'Begabte' aber zählt sie zu einer Bevölkerungsgruppe, die von den 'Hütern' - einer Art mittelalterlicher Inquisition - verfolgt wird. Dabei würde Verbena zu gern die Freuden, Freundschaften und Verliebtheiten teilen, die ein normales Leben einer jungen Frau zu bieten hat. Sie sucht ihre Fähigkeit zu verbergen, um nicht auf dem Scheiterhaufen zu enden, während sich das verhetzte Volk radikalisiert. Als ein junger Mann, der nach einem Raubüberfall schwer verletzt aufgefunden wurde, in die Heilerei gebracht wird, verkompliziert sich ihre Lage. // Band 1 eines Low-Fantasy-Romans über das Heranwachsen in gefährlichen Zeiten, in denen außergewöhnliche Begabungen dazu führen können, zum Außenseiter gestempelt und mit dem Tod bedroht zu werden.

Ruth Anne Byrne, geboren 1975 in Innsbruck, war Meeresbiologin und arbeitete mit Oktopussen und karibischen Riff-Kalmaren. Dann unterrichtete sie Ökologie und Evolution an einer amerikanischen Universität. Jetzt lebt sie mit Familie in Wien, betreibt Verhaltensforschung an humanen Zellen und schreibt spannende Geschichten für junge und jung gebliebene Leser.
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Die Nachtwanderung


Alraune warf einen gehetzten Blick aus dem offenen Fenster. »Das ist alles nicht mehr so einfach wie früher …«, murmelte sie.

So hatte ich sie noch nie erlebt. Wenn Alraune etwas nicht war, dann ängstlich.

Es war inzwischen dunkel geworden. Eine Frühlingsbrise wehte herein. Die Kerze am Tisch flackerte. Ich rieb die Arme, um keine Gänsehaut zu bekommen. »Wie meinst du das?«

»Ich weiß nicht … Wicke sagt, wir sollten vorsichtig sein. Das macht mich nervös.«

»Wegen der Kreuzdorner Hexe?«

Alraune nickte. Sie trat zum Fenster und klappte die Läden zu.

Das war übertrieben. »Wir sind Heilerinnen, keine Hexen. Die Leute brauchen uns!«

»Natürlich brauchen sie uns. Aber sie verstehen nicht immer, wie wir ihnen helfen. Da sieht schnell einmal etwas nach einem Wunder aus.«

Ich griff nach einem meiner verfilzten Zöpfe, drehte ihn zwischen den Fingern und warf ihn hinter die Schulter. »Trotzdem, wir tun nichts Übersinnliches!«

Alraune räusperte sich. »Naja … manchmal sind die Grenzen fließend.« Sie machte eine Pause. »Es gibt da etwas, was ich dir schon längst hätte sagen müssen.«

Endlich setzte sie sich, legte ihre knochigen Finger auf den Tisch. Ich lehnte mich nach vorn, strich mir die losen Strähnen hinter das Ohr.

Alraune sah mir in die Augen. »Es gibt Dinge, die wir Heilerinnen tun, die nicht in den Büchern stehen. Dinge, die – vor allem in letzter Zeit – größtmögliche Verschwiegenheit brauchen. Du bist jetzt alt genug.« Sie stockte erneut. »Morgen wirst du eine Drachenzahn-Essenz brauen und ich zeige dir wie.«

Was?

Hatte sie vergessen, was wir vorhatten?

»Aber morgen ist die Hochzeit!« Ich ließ mich im Stuhl nach hinten fallen. Das war wieder typisch! Jedes Mal, wenn im Dorf etwas los war – und das kam selten genug vor – war einer von Alraunes wichtigen Erntetagen. Seit Wochen hatte ich mich auf dieses Fest gefreut, auf meine Freunde, und im Besonderen auf Finn.

»Verbena … es tut mir leid! Auf uns wartet Dringlicheres als diese Hochzeit. Die Drachenzahn-Essenz kann nur am ersten Neumond nach der Apfelblüte gebraut werden, und das ist morgen!«

Machte sie das absichtlich? Wollte sie etwa nicht, dass ich Finn wiedersah? Die meisten Mädchen im Dorf waren in ihn verschossen. Aber er hatte sein Auge ausgerechnet auf mich geworfen … Ich konnte das noch gar nicht fassen. Nur was, wenn ich nicht auftauchte?

»Hörst du mir überhaupt zu?«, holte Alraune mich aus den Gedanken.

»Ja … Drachenzahn-Essenz.« Davon hatte ich noch nie gehört. »Ich soll einem Drachen seinen Zahn abnehmen?« Das war nicht ihr Ernst, oder? Drachen gab es doch gar nicht.

Alraune schnaubte und schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es wird nicht weniger gefährlich.« Ihr Blick wanderte zu den verschlossenen Fensterläden. »Pass auf!«, flüsterte sie, »ein Drachenzahn ist die Wurzel der Drachenwurz. Nur einmal im Jahr für eine Nacht steht der Drache in Blüte. Zu dieser Zeit ist die Essenz am stärksten.«

»Was soll so gefährlich daran sein, eine Wurzel zu ernten?«

»Nicht ernten … diesen Drachen JAGT man! Das ist keine gewöhnliche Pflanze. Zumindest morgen in der Nacht nicht. Wenn du sie siehst, wirst du wissen, was ich meine.« Alraune nickte mir wissend zu. »Der Drache wird seine Wurzel unerbittlich verteidigen.«

Was sollte eine Pflanze schon machen?

»Hat er Dornen? Nesselt er?«

Alraune schüttelte den Kopf. »Wenn er dich bemerkt, speit er giftige Dämpfe … wie ein Drache eben. Am besten schaust du es dir morgen selbst an, sonst glaubst du es mir nicht.«

Das hörte sich wirklich nicht nach einer gewöhnlichen Pflanze an. Gab es da tatsächlich mehr? Dinge, die erklärten, weshalb Leute wie die Kreuzdorner Hexe gejagt und verbrannt wurden?

»Warum hast du mir das nicht schon längst erzählt?«

»Um sich mit den magischen Dingen dieser Welt zu beschäftigen, braucht man … sagen wir einmal … eine gewisse Reife und vor allem Verschwiegenheit. Ich glaube, die hast du jetzt.«

Seit wann glaubte sie das? Trotzdem straffte ich die Schultern. »Wozu verwendet man diese Essenz?«

Alraune schmunzelte. »Das ist etwas Besonderes. Man nimmt damit Dinge wahr, die einem normalerweise verborgen bleiben. Ich verwende sie zum Beispiel, um in der Nacht besser sehen zu können.«

So etwas gab es?

»Du kannst sie gern probieren. Morgen!«

Ach, Finn und die Hochzeit – doch ich musste zugeben, dass ich diesen Drachen nicht verpassen wollte. »Wann in der Nacht müssen wir das machen?«

»Mitternacht.«

»Dann können wir doch vorher auf die Hochzeit!« Einen Versuch war es wert.

Sie seufzte. »Vielleicht wäre es nicht dumm, sich dort zumindest bei der Segnung blicken zu lassen. Sonst reden die Leute. Versprich mir, dass du niemandem von unserem Vorhaben erzählst!«

Na bitte! Ich nickte.

»Bis Sonnenuntergang können wir bleiben. Danach müssen wir weit gehen, um einen Drachen zu finden, und außerdem braucht die Drachenzahn-Essenz Zeit, um zu wirken.«

Mist! Die Feier am Abend war der eigentliche Grund, warum ich auf die Hochzeit wollte. Aber gut, irgendwie würde ich es schon schaffen, mich zumindest kurz mit Finn zu treffen.

Vorfreude kribbelte in meinem Bauch. Dann stockte ich. »Man braucht die Essenz, um den Drachen zu finden?«

Alraune nickte. »Sonst siehst du ihn nicht. Im Dunkeln darüber zu stolpern, wäre fatal.«

Ich schüttelte den Kopf. Das passte nicht zusammen. »Wie ist denn dann das erste Mal ein Drachenzahn gejagt worden?«

Alraune kniff die Lippen zusammen. Sie knetete ihre Finger, bevor sie antwortete. »Von jemandem wie der Kreuzdorner Hexe.«

Ausgerechnet im schönsten Moment, knapp nachdem Finn mich zum Tanzen aufgefordert hatte, wollte Alraune aufbrechen. Sich von ihm loszureißen, war nicht einfach gewesen, vor allem ohne ihm zu sagen, warum ich gehen musste. Fria hatte mich genauso gelöchert und einer besten Freundin sollte man nichts verschweigen. Aber der Wirt hatte sie glücklicherweise in die Schank gerufen und so unser Gespräch jäh beendet.

Nun stand ich in meiner Kammer und zog mich um, tauschte Sonntagskleid gegen Wandersachen. Ich fasste die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen. Finn sagte immer, dass die verfilzten Strähnen dann von meinem Kopf wegständen wie ein Haselnussstrauch.

Was würde heute auf mich zukommen? War das mein erster Schritt auf den Scheiterhaufen?

Es würde uns in dieser Neumond-Nacht doch niemand im Wald begegnen? Oder schlimmer noch, uns gleich an die Hüter Mavanjas verpfeifen?

Ach, nein. Das ganze Dorf war ja auf der Hochzeit. Alle, nur ich nicht mehr …

Aber ich war auch neugierig. Wie würde die Drachenzahn-Essenz wirken? Was konnte man damit sehen? Und was war mit diesem Drachen? All das machte mich ganz zappelig. Ich straffte mein Lederwams und stieg die schmale Treppe in die Stube hinunter.

Alraune hockte vor den Schubladen unter der Stiege und kramte in der untersten. Zwischen diversen Tiegeln und Töpfen zog sie ein unscheinbares Tongefäß hervor. Eines, das ich vorher nie bemerkt hatte.

Sie stand auf und sah mich an. »Bist du bereit?«

»Ist das …?«

Alraune nickte.

Behutsam griff ich nach dem Gefäß und öffnete es. Darin befanden sich nur noch wenige Tropfen einer sämigen Flüssigkeit. Heraus kam ein Geruch, den ich bisher nie gerochen hatte. Er war harzig-süß wie Honig, aber auch scharf wie Meerrettich.

»Sei vorsichtig!« Alraune nahm mir den Tiegel wieder aus der Hand.

Die Nase reibend sah ich ihr zu, wie sie den Stiel eines Holzlöffels in das Gefäß tunkte.

»Du brauchst nur einen Tropfen auf deiner Zunge, nicht mehr! Wir müssen sparsam sein.« Sie hielt den Stiel über sich, ließ die Essenz in ihren Mund fallen und reichte mir den Löffel.

Einen Moment dachte ich an die Kreuzdorner Hexe. Hatte sie auch solche Dinge getan? Und war es das wert gewesen? Die Hüter hatten ihr kurzes Leben jäh am Scheiterhaufen beendet.

Aber ich war viel zu neugierig, um es bleiben zu lassen. Sollten mir die Hüter doch den Buckel runterrutschen. Heute, morgen, und erst recht dann, wenn ich alt und grau und buckelig war. Aber jetzt … jetzt musste ich das probieren!

Der süße Geschmack verteilte sich im Mund. Dann kroch die Schärfe hinterher, machte die Ohren heiß. Ich hielt mir die Nase zu, um nicht zu niesen.

»Hui«, keuchte ich, als das Kribbeln langsam nachließ, und sah mich um.

»Na, so schnell geht es nicht. Lass es wirken! Wenn wir draußen im Wald sind, wird es anfangen.« Alraune nahm ein Messer in einer Scheide von der Anrichte und hielt es mir hin. »Hänge das an deinen Gürtel! Damit wirst du den Drachen erlegen.« Sie entzündete eine Laterne und langte nach einer Schaufel. »Gehen wir?«

Ich schloss die Finger um den Griff des Messers an der Hüfte und nickte.

Wie aufregend!

All die Jahre hatte Alraune nie von solchen Dingen gesprochen und auf einmal öffnete sie mir die Tür in eine neue Welt.

Die Neumondnacht draußen war stockdunkel. Der Schein der Laterne reichte nur wenige Schritte, danach verlief sich der Weg im Finstern. Ich blinzelte in die Dunkelheit. Noch nichts.

Alraune überquerte schnellen Schrittes den Bach. Am anderen Ufer folgten wir dem Weg in den Wald.

Wo blieben sie, die ersten Anzeichen dieser anderen Wahrnehmung?

Wir waren einige Zeit dem Lauf des Bachs gefolgt. Kurz nach dem Waldsee war Alraune abgebogen. Nun stiegen wir den Hang des Grimmensteins hinauf. Meine Beine...


Ruth Anne Byrne, geboren 1975 in Innsbruck, war Meeresbiologin und arbeitete mit Oktopussen und karibischen Riff-Kalmaren. Dann unterrichtete sie Ökologie und Evolution an einer amerikanischen Universität. Jetzt lebt sie mit Familie in Wien, betreibt Verhaltensforschung an humanen Zellen und schreibt spannende Geschichten für junge und jung gebliebene Leser.



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