E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Reihe: Die Magic Guardians-Reihe
Calgi Gallicano Magic Guardians - Der Fluch des Greifen
Deutsche Erstausgabe
ISBN: 978-3-641-22550-6
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spannende und humorvolle Fantasy für Jungs und Mädchen
E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Reihe: Die Magic Guardians-Reihe
ISBN: 978-3-641-22550-6
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sam London ist völlig gewöhnlich, geradezu unbesonders, wie er es ausdrückt. Doch das ändert sich schlagartig, als er der Spur eines merkwürdigen Traums folgt und plötzlich vor einem waschechten Greifen steht. Bevor er sichs versieht, steckt er mitten in einem gefährlichen Abenteuer, das ihn in die entferntesten Winkel der Welt und zu einem geheimen Institut führt. Dort erfährt er das Unglaubliche: Magische Wesen gibt es tatsächlich und sie leben unter uns! Ein mächtiger Zauber schützt sie und hält sie vor der Menschheit verborgen. Doch dieser Zauber ist nun in Gefahr, und es ist an Sam, ihn und alle magischen Wesen zu retten ...
Todd Calgi Gallicano begann nach einem Studium in New York seine Karriere in der Filmindustrie, bevor er sich schließlich dem Schreiben widmete. Wenn er nicht gerade an einem neuen Roman arbeitet, verbringt er seine Zeit am liebsten mit seiner Frau und seiner Tochter. Heute lebt er mit seiner Familie in North Carolina, wo er ständig nach Gargylen, Chupacabras und anderen unheilvollen Wesen Ausschau hält.
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PROLOG
Der Augenblick, in dem Penelope Naughton den Troll im IHOP, dem International House of Pancakes, sah, veränderte alles. Sie hatte noch nie einen Troll zu Gesicht bekommen – zumindest nicht im wirklichen Leben. Außer in Hollywoodfilmen war sie noch nie mit Fabelwesen in Berührung gekommen. Aber das hier war weder Tolkiens Mordor noch Rowlings Hogwarts, sondern Eureka in Kalifornien, eine Stadt, bekannt für ihre viktorianischen Herrenhäuser, für Kunstfestivals und den ältesten kalifornischen Zoo.
Nichtsdestotrotz musste Penelope jetzt feststellen, wie sehr dieser Troll denen ähnelte, die sie auf der Leinwand gesehen hatte. Das Wesen war groß und hatte gebräunte, ledrige Haut. Seine Ohren waren enorme Auswüchse runzligen Fleischs, oben spitz und unten so lang, dass sie bis über sein Kinn herunterhingen. Die gewaltige Hakennase des Trolls war etwas nach oben gebogen, sodass die Nasenlöcher mit reichlich dunklem, lockigem Haar zu sehen waren. Seine weit auseinanderstehenden Augen wiesen zwei pechschwarze Pupillen auf, die in gelben Seen schwammen. Seine langen, behaarten Arme reichten bis zu den Knien und endeten in rauen Händen mit spitzen Fingernägeln. Das Kleinste am Troll war sein Kopf; auf seinem massigen Körper wirkte er besonders winzig. Im Vergleich zu einem Menschen war dieses Wesen einfach vollkommen unproportioniert.
Beim Anblick des Trolls merkte Penelope, wie ihr Verstand auscheckte und der Instinkt übernahm. Sie sprang auf, zeigte mit dem Finger und schrie so laut, dass der erschrockene Koch einen Pfannkuchen beim Wenden mit so viel Schwung in die Luft schickte, dass er an der Decke kleben blieb. Während Penelopes Geschrei die Gäste und das Personal verständlicherweise irritierte, schien der Troll weniger überrascht als vielmehr panisch. Sein Gesichtsausdruck war der eines Kindes, das mit der Hand in der Keksdose erwischt wird; wobei die Hand des Trolls selbst die Größe einer Keksdose hatte. Er schien ganz bewusst jeden Augenkontakt mit Penelope zu vermeiden, als er aus seiner Nische wuselte und durch die Ausgangstür verschwand.
Als ob diese Erfahrung nicht seltsam genug gewesen wäre, wurde Penelope das Gefühl nicht los, dass dieses Wesen etwas Vertrautes an sich hatte. Es war, als würde sie es kennen. Aber wie war das möglich? Das kurzzeitige Aussetzen ihres Verstandes war sicherlich der Tatsache geschuldet, dass sie erst vor Kurzem Herr der Ringe gesehen hatte. Ja, das musste der Grund sein. Schließlich schien seine Anwesenheit sonst niemanden gestört zu haben. Es hatte sich lediglich um einen großen, kräftigen Kerl gehandelt, der sein Frühstück genoss. Trolle gab es nicht.
* * *
48 Stunden später war Penelope auf dem Weg zum Redwood Nationalpark und sie konnte gar nicht schnell genug dort ankommen. Ihr Arzt hatte ihr geraten, erst in frühestens sechs Monaten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Bei der 33-Jährigen war eine seltene Form plötzlich auftretender Amnesie diagnostiziert worden. Der Gedächtnisverlust schien nicht durch eine Verletzung hervorgerufen worden zu sein und betraf lediglich die letzten drei Jahre ihres Lebens. An ihre Kindheit – eine unbeschwerte Zeit am Stadtrand von Tallahassee in Florida – konnte Penelope sich problemlos erinnern. Sie erinnerte sich an ihre Schulzeit und die wütenden Blicke, die man ihr zuwarf, weil sie in Naturwissenschaften den Notenschnitt versaute. Auch an ihre Liebe zur Natur erinnerte sie sich und das war das Wichtigste.
Penelope hatte immer davon geträumt, im Freien arbeiten zu können, und im Alter von zwölf Jahren nahm dieser Wunsch während eines Besuchs im Everglades Nationalpark konkrete Formen an. Der Ranger Woodruff Sprite, ein exzentrischer Typ, bestärkte Penelope in ihrem Wunsch und unterstützte sie auf ihrem Weg, der sie schließlich an die staatliche Universität von Oregon führte. Dort machte sie ihren Bachelor in Zoologie und Tierbiologie und ihren Master in Forstwirtschaft. Die erste Zeit ihres Berufslebens verbrachte sie in einem Labor, wo sie für den U.S. Wildlife Service, den U.S. Forest Service und den National Park Service Strategien zum Schutz der Tiere und zum Erhalt ihrer natürlichen Lebensräume entwickelte. Sechs Jahre später führte diese Arbeit sie zu ihrem Traumjob: Ranger im Redwood Nationalpark. Und dort setzte ihr Gedächtnis unerklärlicherweise aus.
Penelope hatte sich bei einer Freundin von ihrer Amnesie erholt, doch ihr wahres Zuhause war im Park. Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, eines der Holzhäuser im Park bezogen zu haben, die die Behörde allen ihren Rangern zur Verfügung stellte, hoffte jedoch, dass ihre Rückkehr ihrem durcheinandergeratenen Gedächtnis auf die Sprünge helfen würde. Als sie ihr zweistöckiges Häuschen im Herzen des Parks erreichte, kam es ihr leider so gar nicht vertraut vor. Es war klein, ein wenig heruntergekommen und auf allen vier Seiten umgeben von den herrlichen Redwood-Bäumen, die den Park berühmt machten. Sie ragten in Ehrfurcht gebietende Höhen auf, und ihre Stämme waren so dick, dass man einen Autotunnel hätte hindurchsägen können.
Penelope stieg die knarrenden Stufen zur Vordertür ihres Hauses hinauf. Während sie noch ihre Schlüssel sortierte, ließ ein Geräusch aus dem Wald sie zusammenzucken. Sie hielt den Atem an und lauschte, wartete darauf, dass es sich wiederholte. Und das tat es. Es war das Wiehern eines Pferdes. Das Geräusch erinnerte sie an etwas. Sie kannte dieses Wiehern …
»Gus?«, rief sie aus einem Impuls heraus.
Im nächsten Moment lief Penelope die Stufen wieder hinunter und in den Wald hinein. Die Erinnerung war nicht klar – es war mehr ein Gefühl oder eine Intuition. Aber sie kannte diesen Namen. Gus. Er war ein Freund. Und sie konnte es nicht erwarten, ihn wiederzusehen. Sie folgte dem Wiehern, das sie vom Weg ab und tiefer in den Wald hineinführte. Sie begann zu laufen und rannte, so schnell ihre Füße sie trugen, durchs Unterholz. Durch eine dicht stehende Baumgruppe kämpfte sie sich auf eine Lichtung und dort endlich entdeckte sie ihren Gus. Doch sie konnte kaum glauben, was sie da sah.
Gus war ein herrlicher Schimmel, dessen Fell in der Sonne glänzte. Fast hätte das Glitzern Penelope von etwas noch Außergewöhnlicherem abgelenkt: Gus besaß Flügel. Wunderschöne, gefiederte Schwingen mit einer Spannweite von über drei Metern, die sich im Wind sacht auf und ab bewegten. Während sie noch versuchte, diese Unmöglichkeit zu verarbeiten, sah sie einen Mann neben Gus stehen, der die Zügel des Schimmels hielt.
»Penelope?«, fragte der Mann in einem leichten Südstaatenakzent. »Du bist früher als erwartet zurück. Ich dachte, Doktor …«
»Wer bist du?«, unterbrach Penelope ihn.
»Ah, ein wenig zu früh, wie ich sehe«, antwortete der Mann mit einem Lächeln. »Ich bin Vance. Vance Vantana, und das ist …«
»Gus«, unterbrach Penelope ihn erneut.
»Genau. Gus«, erwiderte Vance. »Du erinnerst dich also. Sehr gut.«
Es entstand eine kurze Pause, während der Penelope eine Bestandsaufnahme ihrer Situation machte. Der Fremde sah gut aus. Er war groß, ungefähr fünfunddreißig Jahre alt, hatte eine athletische Figur und einen wilden Blick, der eher zu einem verbrecherjagenden Texas-Ranger passte als zu einem Park-Ranger. Doch er trug die übliche Ranger-Uniform – tiefgrüne Jacke und Hose und den typischen beigen Hut mit breiter Krempe.
Mit ausgestreckter Hand kam er nun auf sie zu. »Schön, dich wiederzusehen.«
»Wieder?«, fragte sie verwundert. War sie diesem Mann schon einmal begegnet? Jetzt, da sie darüber nachdachte, kam ihr sein Gesicht vertraut vor, doch sie wusste nicht, woher. Dann wurde Penelopes Blick auf sein Abzeichen gelenkt, das die Sonne reflektierte, und ihr fiel auf, dass etwas daran nicht stimmte. Statt dem Bild eines Büffels und den Worten »Innenministerium der Vereinigten Staaten« war auf diesem ein Tier zu sehen, das den Körper eines Löwen und den Kopf und die Flügel eines Adlers hatte. Sie erkannte darin sofort das als Greif bekannte Fabelwesen. Die Worte um das Tier herum machten sie ebenfalls stutzig – »Institut für Magische Wesen«.
Penelope war gedanklich so mit dem Abzeichen beschäftigt, dass sie Vance nicht die Hand schüttelte. Verlegen zog er sie zurück.
»Trevor, Gus und ich haben uns Sorgen um dich gemacht«, sagte er.
»Trevor?«
Vance wies auf den Rand der Lichtung, wo eine schwerfällige Gestalt auftauchte. Penelopes Augen weiteten sich überrascht, als sie niemand anderen als den Troll aus dem IHOP vor sich sah. Plötzlich wurde es dunkel um sie. Vance sprang an ihre Seite und fing sie auf, als sie ohnmächtig wurde.
»Na, super. Du hast sie schon wieder erschreckt«, schimpfte Vance.
Der Troll zuckte unschuldig mit den Schultern. »Nicht mit Absicht«, verteidigte er sich. Er hatte eine ungewöhnlich hohe Stimme. »Außerdem hat sie mich zuerst zu Tode erschreckt. Schon vergessen? Ich konnte nicht mal meine Pfannkuchen aufessen.«
»Was für eine Tragödie«, schalt Vance. »Jetzt bring sie nach Hause. Und sobald sie zu sich kommt, erklärst du ihr alles. Und nimm Carl mit – er konnte sie immer beruhigen.«
Als Trevor sich umdrehte und mit der bewusstlosen Penelope auf den Armen in Richtung Holzhaus marschieren wollte, legte Vance ihm die Hand auf die Schulter, damit er stehen blieb.
»Versuche, möglichst viel darüber herauszufinden, was passiert ist, Trev«, flüsterte er ahnungsvoll. »Ihr Gedächtnisverlust hatte keine...




