E-Book, Deutsch, 512 Seiten
Casey Die Vermissten
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-04508-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Thriller
E-Book, Deutsch, 512 Seiten
ISBN: 978-3-641-04508-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Zwei verschwundene Kinder. Ein brutaler Mord. Was, wenn du derjenige wärst, der die Opfer zuletzt lebend gesehen hat?
Als die kleine Jenny Shepherd spurlos verschwindet, weiß ihre Lehrerin Sarah Finch nur zu genau, dass mit jedem weiteren Tag die Chance schwindet, das Mädchen lebend wiederzufinden. Sie selbst hat als Kind erfahren müssen, wie ihr Bruder Charlie nicht vom Spielen wiederkehrte. Und dann ist es ausgerechnet Sarah, die die Leiche der kleinen Jenny findet. Im Handumdrehen steht sie im Zentrum des Medienansturms - und im Fokus der Ermittler. Aber nicht nur die haben sie im Visier. Auch der Täter lauert ganz in der Nähe ...
Jane Casey wuchs in Dublin auf, studierte Englisch in Oxford und Irische Literatur am berühmten Trinity College in Dublin. Nach dem Studienabschluss arbeitete sie in verschiedenen Verlagen als Jugendbuchlektorin. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Strafverteidiger, dem gemeinsamen Sohn und Katze Fred in London.
Weitere Infos & Material
1992 Seit acht Stunden vermisst (S. 72-73)
Meine Wange ist in einem unserer vielen Sofakissen vergraben. Wenn ich atme, bewegt sich der seidige Stoff vor meinem Mund hin und her. Ich beobachte es durch meine halbgeschlossenen Augenlider. Hin. Her. Hin. Her. Ich habe ein Weilchen geschlafen, aber nicht lange. Von der unbequemen Lage ist mein Hals ganz steif, außerdem friere ich.
Ich möchte zu Bett gehen und überlege, wovon ich aufgewacht bin. Stimmen sind zu hören: Die meiner Eltern und zwei, die ich nicht kenne – eine männliche und eine weibliche. Ich rühre mich nicht, atme möglichst gleichmäßig und lausche. Bitte keine Fragen mehr! Ich habe Riesenärger am Hals und hasse Charlie dafür. »Probleme in der Schule vielleicht? Schikaniert ihn jemand? Keine Lust auf Hausaufgaben?«
Meine Mutter antwortet mit schwacher und abwesender Stimme: »Charlie ist ein zuverlässiger Junge. Er geht gern zur Schule.« »Wenn ein Kind vermisst wird, gab es zuvor oft Ärger zu Hause – Streit mit Eltern oder Geschwistern. Ist vielleicht in dieser Richtung etwas vorgefallen?« Diesmal klingt die Frage vorsichtiger, die Stimme der Frau sanfter. »Auf keinen Fall!«, entgegnet mein Vater. Er klingt nervös und wütend. »Also, ab und zu gab es schon mal Ärger. Er wird ja auch größer und rebelliert ein bisschen. Aber nie was Ernstes.« Mum verstummt, und es herrscht Stille. Meine Nase kitzelt. Ich möchte die Hand bewegen und an meiner Nase reiben, damit das Kribbeln aufhört, aber das würde mich verraten. Stattdessen fange ich an zu zählen. Als ich bei dreißig bin, ist das Kribbeln fast weg.
»Und Sie denken also, die junge Dame hier weiß, wo er ist?« Der Schreck fährt mir in die Glieder. Fast wäre ich zusammengezuckt. »Könnten Sie sie wecken, damit wir mit ihr reden können?« Jemand berührt mein nacktes Bein knapp unter dem Knie und rüttelt es sanft. Als ich die Augen öffne, erwarte ich, meine Mutter vor mir zu sehen, aber neben mir steht mein Vater. Mum sitzt am anderen Ende des Zimmers seitlich auf einem Stuhl, die Augen starr zu Boden gerichtet. Den Arm hat sie um die Lehne geschlungen und beißt auf ihrem Daumennagel herum, wie sie es immer tut, wenn sie nervös oder wütend oder beides ist. »Aufwachen«, sagt mein Vater.
»Die Polizei ist da.« Ich reibe mir die Augen und blinzele die beiden Fremden an. Sie tragen Uniform, hochgekrempelte weiße Hemdsärmel, und die zerknitterten dunklen Hosen sind ganz schlaff vom stundenlangen Tragen an so einem heißen Tag. Die Frau lächelt mich an. »Alles klar?« Ich nicke. »Wie heißt du denn, meine Kleine?« »Sarah«, antworte ich. Meine Stimme klingt tief und ist vom langen Schweigen und vor Schüchternheit ein wenig heiser.