Cataldo / Bonini Die Nacht von Rom
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-99037-061-2
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Thriller
E-Book, Deutsch, 303 Seiten
ISBN: 978-3-99037-061-2
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Rom brennt, stinkt vom Müll auf den Straßen. Immigrantenheime gehen in Flammen auf, die Stadt versinkt unregierbar im Chaos. Anstifter im Hintergrund ist Sebastiano, ein smarter junger Mann, zum Bösen erzogen von Samurai, der vom Gefängnis aus die Fäden zieht. Papst Franziskus hat das Heilige Jahr der Barmherzigkeit verkündet. Eine unheilige Allianz von korrupten Politikern, vatikanischen Würdenträgern und Unternehmern setzt alles daran, öffentliche Aufträge an sich zu reißen und den Geldstrom in die eigene Tasche fließen zu lassen. Ein junger Bischof und ein unbestechlicher Politiker stellen sich mutig dem organisierten Verbrechen entgegen.
Giancarlo De Cataldo, geboren 1956 in Taranto, lebt und arbeitet als Richter am Berufungsgericht in Rom. Zahlreiche preisgekrönte Kriminalromane, Erzählungen und Drehbücher für Film und Fernsehen. Ständiger Mitarbeiter italienischer Zeitungen und Magazine wie 'La Repubblica', 'L'Espresso', 'L'Unità'. Bei Folio erschienen bisher die Thriller Romanzo Criminale (2010), Schmutzige Hände (2011), Zeit der Wut (gem. mit Mimmo Rafele, 2012), Der König von Rom (2013), die Crime Stories Kokain (gem. mit Massimo Carlotto und Gianrico Carofiglio, 2013) und Suburra. Schwarzes Herz von Rom (gem. mit Carlo Bonini 2015). Seine Romane wurden auf die renommierte KrimiZEIT-Bestenliste von ZEIT, Arte und Nordwestradio gewählt. Sein Bestseller Romanzo Criminale wurde zuerst von Michele Placido für das Kino und dann von Stefano Sollima in einer 22-teiligen Serie für das Fernsehen verfilmt. Carlo Bonini, geboren 1967 in Rom, tätig als Journalist bei den Zeitungen 'Il Manifesto', 'Newsweek', 'Corriere della Sera', aktuell ist er Sonderberichterstatter für 'La Repubblica'. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u. a.: Guantánamo, Il fiore del Male, Il mercato della paura und ACAB. All Cops Are Bastards. Sein italienischer Erfolgstitel ACAB wurde von Stefano Sollima als Serie für das Fernsehen verfilmt. Bei Folio erschien bisher Suburra. Schwarzes Herz von Rom (gem. mit Giancarlo De Cataldo 2015).
Weitere Infos & Material
Inhalt
Prolog
Ein Monat davor
I. Donnerstag, 12. März 2015
II. Freitag, 13. März 2015
III. Montag, 16. März 2015
IV. Dienstag, 17. März – Mittwoch, 18. März
V. 19. März
VI. 20. März, Freitag
VII. 23. März, Montag
VIII. Dienstag, 24. März
IX. Mittwoch, 25. März – Donnerstag, 26. März
X. Mittwoch, 25. März – Freitag, 27. März
XI. Donnerstag, 26. März – Freitag, 27. März
XII. Freitag, 27. März – Samstag, 28. März
XIII. 29. März
XIV. 30. März. Garbatella
XV. 1. April
XVI. 2.–9. April
XVII. 10. April
XVIII. 13. April
XIX. 15. April
XX. 17. April
XXI. 19. April
XXII. 20. April
XXIII. Ein Monat später – Samstag, 23. Mai. Botanischer Garten
XXIV. Epilog
Bemerkung zum Text
I.
Donnerstag, 12. März 2015
Heiliger Gregor, der Große VIA SANNIO. BASILICA DI SAN GIOVANNI, 6.00 UHR Auf dem Schild stand: „Öffentlicher Auftraggeber: Società Roma Metropolitane. Gesellschaft zur Übernahme öffentlicher Aufträge: Costruzioni s.p.a. del Consorzio Metro C. Bauarbeiten zur Errichtung der U-Bahn-Linie C. Baulos T3. Abschnitt San Giovanni – Fori Imperiali.“ Der Mann zog sich die Wollhaube über die Ohren, machte die matt glänzende Bomberjacke zu und betrachtete ungeduldig die blinkende Ampel, das einzige Licht auf der menschenleeren Piazza San Giovanni. Sein Freund neben ihm, ein Muskelprotz, der so gut wie keinen Hals besaß, schüttelte den Kopf. Er holte das Smartphone aus der Jacke und schaute auf die Uhr. 6.00. Warum tauchte der Idiot nicht auf? Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Der Vermessungstechniker Lucio Manetti kam in seinem roten Panda, doch der Motorenlärm wurde vom Quietschen einer leeren Straßenbahn übertönt. Er parkte am selben Ort wie immer. Und wie jeden Morgen vollführte er einen merkwürdigen und neurotischen Tanz um sein Auto, bevor er sich davon verabschiedete. Türen abgeschlossen? Ja. Scheinwerfer ausgeschaltet? Ja. Standlicht ausgeschaltet? Ja. Mit sanftem Druck des Zeigefingers rückte er die Brille mit den dicken Linsen auf der Nase zurecht, überprüfte die Dokumentenmappe und hängte sich den Griff des Schirms über den Unterarm. Er war spät dran. Das wusste er, dazu brauchte er nicht auf die Uhr zu sehen. Er wusste es aufgrund des blassblauen Morgengrauens über der Basilika San Giovanni und der Baustelle, die er in den vielen Jahren gelernt hatte zu hassen. Die Kuppel wurde von dem riesigen Bagger verdeckt, der vor ewigen Zeiten in einer Tiefe von dreißig Metern aufgestellt worden war. Wann? Vor Monaten? Nein, vor Jahren. Er hatte aufgehört zu zählen. Zuerst die Überreste der antiken Villa. Dann Quellen, ärger als im Karst. Dann war das Geld ausgegangen. Die Bagger standen still. Die kalabrischen und neapolitanischen Arbeiter der Subunternehmer waren verschwunden. Nur er war übriggeblieben und bewachte das Große Loch. Bauleiter auf einer gespenstischen Baustelle. Auch deshalb, dachte er, könne er sich einen schönen Kaffee gönnen, bevor er wie immer begann, nichts zu tun. Scheiß auf die Verspätung. Was waren schon fünf Minuten im Vergleich zur Ewigkeit der Unvollendeten. Er ging in die Bar. Fünf nach sechs sahen die beiden, die an der Absperrung lehnten, dass er auftauchte. Endlich. Ganz ruhig, du Arschloch, wohin willst du auch gehen? Der Bauleiter überquerte schnell die Straße und suchte in der Tasche seines Trenchcoats die Baustellenschlüssel. Er hatte heute viele Termine. Zuerst einmal musste er in der Präfektur anrufen. Er musste die Antimafia-Bescheinigungen von zwei neuen Subunternehmen erneuern. Dr. Danilo Mariani hatte darauf bestanden, sie für den Erdaushub zu beauftragen. Ja, ja, die Antimafia-Bescheinigungen. Augenauswischerei. Diesen Typen stand das Wort „Camorra“ ins Gesicht geschrieben. Aber der „Doktor“ wollte nicht auf ihn hören. Er war, ehrlich gesagt, sogar etwas unwirsch gewesen. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Herr Geometer. Ich bezahle Sie dafür, dass Sie tun, was ich sage. Ich bin der Chef. Und wenn Ihnen was nicht passt – Vermessungstechniker stehen vor meiner Tür Schlange. Nehmen Sie also den Hörer ab und verlangen Sie in der Präfektur nach Signora Giada. Sie weiß bereits, worum es geht.“ Er öffnete das Tor zur Baustelle. Er hörte sie nicht einmal kommen. Sie stürzten sich auf ihn wie zwei tollwütige Hunde. Der erste Schlag traf ihn an der Schläfe, die Brille flog davon. Beim zweiten Schlag brachen seine Schneidezähne, sein Mund füllte sich mit Blut. Der dritte traf genau seinen linken Augapfel, er zerbarst beinahe. Der Schmerz war so heftig, dass er nicht einmal schreien konnte. Die beiden hoben ihn auf und schleppten ihn zum großen gelben Bagger in der Mitte der Baustelle. Sie banden ihn an der Schaufel des Ungetüms fest, als wollten sie ihn kreuzigen. Erst jetzt erkannte der Vermessungstechniker Manetti mit dem unversehrten Auge die Umrisse seiner Angreifer. Sie wühlten in der Erde. Guter Gott … nicht mit mir. Warum? Warum? Der Stämmigere der beiden hatte ein paar Eisenstangen aufgehoben. Er hielt sie in der Rechten, als wedelte er mit einer Packung Spaghetti. Er lachte. Kam näher. Immer näher. So nahe, bis der Vermessungstechniker seinen widerlichen Nikotinatem riechen konnte. Er sprach mit leicht slawischem Akzent. – Nun, Herr Doktor … hast du was für uns? Du weißt doch, du hässliches Arschloch, dass es unser Geld ist, oder? Er spuckte Blut und murmelte eine Art letztes, ebenso verzweifeltes wie sinnloses Gebet. – Bitte … bitte … Die Kasse … im Container. Aber es ist kaum was drin … Das Ungetüm packte die Eisenstangen mit beiden Händen und führte sie auf die Höhe seiner Nase. Erst jetzt sah der Vermessungstechniker Manetti die bläulichen Tattoos auf seinen Händen. Auf jedem Finger ein Buchstabe. N-O-N-H-O-A-M-I-C-I – Ich habe keine Freunde. Er lehnte den Kopf zurück und blickte nach oben. Mit dem unversehrten Auge betrachtete er den Bagger. Die barmherzige Kuppel der Basilika. Das blassgraue Morgengrauen. Der Schlag traf ihn mit voller Wucht. Er spürte die Beine nicht mehr. Aber er hörte noch die Worte des Ungeheuers. – Mit besten Grüßen von Fabio. ROM, VIA LUDOVISI. BÜRO DER FUTURE CONSULTING Srl., 9.00 – 10.00 UHR Sebastiano war angewidert. Der Baulöwe zog unaufhörlich den Rotz hoch und sein Schweiß tropfte auf die marmorierte Onyxplatte des Schreibtisches. Verdammtes Rauschgift. Sebastiano riss die Glastür auf, die auf die Terrasse führte. Darunter lag das elegante Ludovisi-Viertel. Rund um einen weißen Pavillon prächtig blühende Mimosen. Mit einstudierter Langsamkeit setzte er sich auf die andere Seite des großen ovalen Tisches. Er betrachtete Danilo Mariani. Dessen Hände wanderten von der Espressotasse zum iPhone. Sein wächsernes Gesicht färbte sich allmählich rot. Der Dry-Wool-Anzug konnte nicht verbergen, dass die vielen Süchte seinen Körper schlaff und weich gemacht hatten. Das aufgedunsene Gesicht wurde von vorzeitig ergrauten Haaren umrahmt, er war zwar erst vierzig, wirkte aber um mindestens zehn Jahre älter. Das also war der Erbe einer der größten römischen Baumeisterdynastien. Ein Wrack. Vor drei Stunden hatte man seinen Bauleiter in San Giovanni umgebracht. Sebastiano wollte verstehen warum. – Sebastia’, ich … Er konnte es gar nicht erwarten. Mit einer genervten Geste erlaubte ihm Sebastiano, seine Version der Dinge zu erzählen. – Der Deutsche, dieser Hurensohn, ist daran schuld … Der junge Mariani war Teil eines Kartells, das 2006 den Zuschlag für einen drei Milliarden schweren Auftrag, den Bau der U-Bahn-Linie C, erhalten hatte. Das größte städtebauliche Projekt des zweiten Jahrtausends. Laut Infrastrukturgesetz war er Generalunternehmer. Er musste den Bau „schlüsselfertig“ übergeben. Zum Totlachen! In den letzten neun Jahren war das Projekt immer kleiner geworden, die Haltestellen waren von vierzig auf zwanzig geschrumpft und die Kosten explodiert. Von drei Milliarden bis zur Unendlichkeit und noch weiter. Wie in dem Film, in dem Spielsachen eine Seele besitzen. Und war die U-Bahn nicht auch ein großes Spielzeug? Alle wussten, wie es funktionierte. Er hieß nicht zufällig Mariani: Man bekam den Zuschlag ohne die geringste Vorfinanzierung, mit der die Baustellen den Betrieb hätten aufnehmen können. Und gleich nach dem Zuschlag sorgte man mit einem schönen Schlichtungsverfahren für Wirbel. Man stritt sich mit den Arschlöchern von der Kommune über den Wortlaut des Vertrags. Damit es noch vor Baubeginn Vertragsänderungen gab. Der Untergrund dieser verdammten Stadt war nämlich hart wie Stein und vielleicht stieß man auf Dinge von archäologischem Wert. Mit einem Wort, man erklärte ihnen, dass sie mehr Geld rausrücken mussten. Und man forderte, forderte, forderte. Sie gaben es ja sowieso. Denn solange man nicht kassierte, rührte man keinen Finger. Die Römer fluchten und das Große Loch füllte sich nie. So hatte es immer funktioniert. Bis dieser Idiot von neuem Bürgermeister gekommen war. Martin Giardino, auch „der Deutsche“ genannt. „Ich lasse mich nicht erpressen“, hatte er verkündet. Fürs Erste hatte er die Finanzierung für den Baufortschritt eingefroren. Mit zusammengebissenen Zähnen hatte man ein...