E-Book, Deutsch, Band 02, 383 Seiten
Reihe: Romance Elements
Cherry Wie das Feuer zwischen uns
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7363-0357-7
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 02, 383 Seiten
Reihe: Romance Elements
ISBN: 978-3-7363-0357-7
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es gab einmal einen Jungen, den ich liebte.
Logan Francis Silverstone und ich waren das komplette Gegenteil. Ich tanzte, er stand still. Er brachte kein Wort heraus, ich hörte nie auf zu reden. Er konnte sich kaum ein Lächeln abringen, während ich zu keinem einzigen finsteren Blick fähig war.
Doch in der Nacht, als er mir die Dunkelheit zeigte, die in ihm tobte, konnte ich nicht wegsehen.
Wir waren beide zerbrochen und zusammen doch irgendwie ganz. Alles an uns war falsch, und doch fühlte es sich irgendwie richtig an.
Bis zu dem Tag, als ich ihn verlor.
Es gab einmal einen Jungen, den ich liebte.
Und ich glaube, ein paar Atemzüge lang, für einige wenige Momente liebte er mich auch.
'Bewegend, atemberaubend, wunderschön und herzzerreißend!' Bookbabes Unite
Brittainy Cherryhat einen Abschluss derCARROLL UNIVERSITYin Schauspiel und Creative Writing.
Seitdem schreibt sie hauptberuflich Theaterstücke und Romane. DieSPIEGEL-Bestseller-Autorin lebt mit ihrer
Familie in Milwaukee, Wisconsin.
Weitere Infos & Material
PROLOG
ALYSSA
Der Junge mit dem roten Kapuzenpullover in der Kassenschlange starrte mich an.
Ich hatte ihn schon ein paarmal gesehen. Er und seine Freunde hingen immer in der Gasse hinter dem Supermarkt ab, in dem ich arbeitete. Erst heute Vormittag hatte ich sie gesehen, als mein Chef mich rausgeschickt hatte, um leere Kartons zu zerreißen und in der Gasse zu stapeln.
Der Junge im roten Hoodie und seine Freunde hingen jeden Tag am Supermarkt herum. Sie machten eine Menge Lärm, rauchten und fluchten. Aber er war anders als die anderen. Während sie lachten und grinsten, blieb er stumm, und es schien beinahe, als wäre er in Gedanken weit weg. Seine Mundwinkel verzogen sich fast nie zu einem Lächeln, und ich fragte mich, ob er überhaupt wusste, wie man lächelte. Vielleicht war er ein Mensch, der bloß existierte, statt wirklich zu leben.
Manchmal trafen sich unsere Blicke, aber ich sah jedes Mal weg.
Es fiel mir schwer, in seine karamellbraunen Augen zu schauen, denn sie waren trauriger, als die Augen eines Jungen in seinem Alter es sein sollten. Außerdem hatten sie tiefe dunkle Ränder und waren von Fältchen umgeben. Trotzdem sah er gut aus. Ein schöner, trauriger Junge. Kein Junge sollte so müde und dabei so süß aussehen. Er wirkte, als hätte er schon hundert Jahre gekämpft. Allein wie er da stand, mit hängenden Schultern und gebeugtem Rücken, wusste ich, dass er mehr private Kriege erlebt hatte als die meisten anderen Menschen auf der Welt.
Aber nicht alles an ihm war gebrochen.
Seine dunklen halblangen Haare waren immer perfekt gestylt. Immer. Manchmal zog er einen kleinen Kamm aus der Tasche und fuhr sich damit wie ein Greaser aus den Fünfzigern durch die Locken. Außerdem trug er immer die gleichen Klamotten: ein schlichtes weißes oder schwarzes T-Shirt, manchmal den roten Hoodie, schwarze Jeans und schwarze Schuhe mit weißen Schnürsenkeln. Ich weiß nicht, warum, aber obwohl sein Outfit schlicht war, bekam ich jedes Mal eine Gänsehaut.
Auch seine Hände waren mir aufgefallen. Er spielte immer mit einem Feuerzeug, ließ die Flamme aufflackern und wieder ausgehen, immer und immer wieder. Ob es ihm überhaupt noch bewusst war? Manchmal schien es, als wäre die Flamme, die aus dem Feuerzeug schoss, ein Teil seiner Existenz.
Ein ausdrucksloses Gesicht, müde Augen, perfekte Frisur und ein Feuerzeug in der Hand.
Welcher Name würde zu so einem Jungen passen?
Hunter vielleicht. Das klang ein bisschen nach einem Badboy – was er vermutlich auch war. Oder Gus. Gus der Greaser. Oder Mikey – weil es niedlich klang und damit das Gegenteil von dem ausdrückte, was er zu sein schien. Ich mochte solche Widersprüche.
Aber im Moment war sein Name nicht so wichtig.
Viel wichtiger war, dass er gerade an meiner Kasse im Supermarkt vor mir stand. Sein Gesicht zeigte mehr Ausdruck, als ich es jemals bei ihm hinten in der Gasse gesehen hatte. Er war knallrot und spielte nervös mit seinen Fingern. Ich konnte sehen, wie unendlich peinlich es ihm war, als er wieder und wieder seine Lebensmittelkarte durch das Lesegerät zog. Sie wurde jedes Mal abgelehnt. Guthaben zu gering. Und mit jedem Mal wirkte er niedergeschlagener. Guthaben zu gering. Er biss sich auf die Unterlippe. »Das kann doch überhaupt nicht sein«, brummte er.
»Ich kann es mal hier an der Kasse versuchen, wenn du willst. Manchmal zicken die Lesegeräte ein bisschen rum.« Ich lächelte ihm zu, aber er gab mein Lächeln nicht zurück. In seinem Gesicht standen harte, kalte Furchen. Er hatte wütend die Brauen zusammengezogen, reichte mir aber trotzdem seine Karte. Ich zog sie durch und blickte stirnrunzelnd auf mein Lesegerät. Guthaben zu gering. »Es sagt, dass nicht genug Geld auf der Karte ist.«
»Vielen Dank, Miss Superschlau«, murmelte er.
Wie unverschämt.
»Das kann nicht sein«, schnaubte er. »Wir haben gestern erst Geld drauf bekommen.«
Wer mochten »wir« sein? Das geht dich nichts an, Alyssa. »Hast du noch eine andere Karte, mit der wir es versuchen können?«
»Wenn ich noch eine andere Karte hätte, hätte ich es doch wohl schon längst damit probiert, oder?«, blaffte er, sodass ich ein wenig zusammenzuckte. Hunter. Er war definitiv ein Hunter. Ein echter Bad Boy Hunter. Oder vielleicht Travis. Ich hatte mal ein Buch gelesen, in dem ein Travis vorgekommen war, der ein ziemlich schlimmer Junge war – so schlimm, dass ich das Buch zuklappen musste, um nicht rot zu werden und laut loszuschreien.
Der Junge vor mir holte tief Luft, blickte auf die Schlange, die sich hinter ihm gebildet hatte, und sah mir dann unverwandt in die Augen. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anraunzen.«
»Schon okay«, antwortete ich.
»Nein. Ist es nicht. Tut mir leid. Kann ich das Zeug kurz hier liegen lassen? Ich muss meine Mom anrufen.«
»Klar. Ich storniere es, und wir scannen es einfach neu, wenn wir die Sache geklärt haben. Kein Problem.«
Als er beinahe lächelte, wäre ich fast vom Stuhl gekippt. Ich hatte nicht gewusst, dass er tatsächlich beinahe lächeln konnte. Vielleicht war es nur ein Zucken seiner Lippen, aber als sie sich ganz leicht nach oben bogen, sah er unglaublich gut aus. Offensichtlich gehörte Lächeln sonst nicht zu seinem Repertoire.
Als er ein paar Schritte zur Seite trat und seine Mom anrief, musste ich mich zusammenreißen, um nicht zu lauschen. Ich griff nach den Einkäufen des nächsten Kunden, aber meine Augen und Ohren fanden immer wieder neugierig zu ihm zurück.
»Ma, ich sag doch nur, dass ich mir hier wie der letzte Idiot vorkomme. Ich hab die Karte durchgezogen, aber sie wird jedes Mal abgelehnt.«
»Ich weiß die PIN. Ich hab sie eingegeben.«
»Hast du die Karte gestern benutzt?«, fragte er. »Wofür? Was hast du gekauft?«
Er hielt das Telefon ein Stück weg, während er ihr zuhörte, und verdrehte die Augen, bevor er es sich wieder ans Ohr drückte.
»Was soll das heißen, du hast zweiunddreißig Paletten Coca Cola gekauft?«, brüllte er. »Was zum Teufel sollen wir mit zweiunddreißig Paletten Cola?« Alle im Laden drehten sich zu ihm um. Unsere Blicke trafen sich, und ich konnte sehen, wie peinlich ihm dieser Auftritt war. Ich lächelte. Er runzelte die Stirn. Er sah so unglaublich gut aus. Langsam drehte er mir den Rücken zu und konzentrierte sich wieder auf das Telefongespräch. »Und was sollen wir in den nächsten vier Wochen essen?«
»Ja, ich kriege morgen Geld, aber das wird nicht reichen, um … nein, ich werde Kellan nicht wieder um Geld anbetteln … Ma, leg jetzt nicht auf. Hör zu. Ich muss die Miete bezahlen. Da werde ich es auf keinen Fall schaffen …« Schweigen. »Ma, halt verdammt noch mal die Klappe, okay?! Du hast unser Essensgeld für Cola ausgegeben!«
Kurzes Schweigen. Wirre, wütende Gesten.
»Nein! Nein, es ist mir egal, ob es Cola Light oder Coke Zero ist!« Er seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Dann legte er das Handy auf den Boden, schloss für einen kurzen Moment die Augen und atmete tief durch, bevor er es wieder aufhob. »Schon okay. Ich lass mir was einfallen. Mach dir keine Gedanken, okay? Mir fällt schon was ein. Ich leg jetzt auf. Nein, Ma, ich bin nicht sauer. Ja, ich bin mir sicher. Ich werde jetzt einfach auflegen. Ja, ich weiß. Es ist okay. Ich bin nicht sauer, okay? Tut mir leid, dass ich dich angebrüllt hab. Tut mir leid. Ich bin nicht sauer.« Seine Stimme wurde ganz leise, aber ich konnte nicht anders, ich musste einfach zuhören. »Tut mir leid.«
Als er sich wieder mir zuwandte, hatte ich gerade den letzten Kunden in meiner Schlange abgefertigt. Er zuckte mit der linken Schulter, rieb sich den Nacken und trat näher. »Ich glaube nicht, dass ich die Sachen da heute mitnehmen kann. Tut mir leid. Ich bring alles wieder zurück. Tut mir echt leid.« Er entschuldigte sich wieder und wieder.
Mein Magen zog sich zusammen. »Schon okay. Wirklich. Ich kümmere mich darum. Ich habe ohnehin jetzt Feierabend. Ich sortiere das wieder ein.«
Wieder runzelte er die Stirn. Ich wünschte, er würde damit aufhören. »Okay. Tut mir leid.« Ich wünschte, er würde auch aufhören, sich immer wieder zu entschuldigen.
Als er gegangen war, warf ich einen Blick in seine Einkaufstüten, und es tat mir in der Seele weh. Die Dinge, die er hatte kaufen wollen, kosteten insgesamt gerade mal elf Dollar, und nicht einmal das konnte er sich leisten. Ramen-Nudeln, Cornflakes, Milch, Erdnussbutter und ein Brot – alles Dinge, über die ich nicht eine Sekunde nachdenken musste, wenn ich sie kaufen wollte.
Man weiß immer erst, wie gut man es hat, wenn man sieht, wie schlecht es anderen geht.
»Hey!«, rief ich und rannte ihm nach, als er über den Parkplatz ging. »Hey! Du hast was vergessen!«
Er drehte sich langsam um und kniff irritiert die Augen zusammen.
»Deine Tüten«, erklärte ich und hielt sie ihm hin. »Du hast deine Tüten vergessen.«
»Dafür könntest du gefeuert werden.«
»Was?«
»Dass du geklaut hast«, erklärte er.
Ich zögerte einen Moment, ein wenig verwirrt, weil sein erster Gedanke war, dass ich die Sachen gestohlen haben könnte. »Ich habe nichts geklaut. Ich habe alles bezahlt.«
Er starrte mich verwirrt an. »Wieso solltest du so was tun? Du kennst mich ja nicht mal.«
»Ich weiß, dass du versuchst, dich um deine Mom zu kümmern.«
Er kniff sich in den Nasenrücken und schüttelte...




