Churchill | Meine frühen Jahre | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Gatsby

Churchill Meine frühen Jahre


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-311-70407-2
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Gatsby

ISBN: 978-3-311-70407-2
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Ich hatte einen herrlichen Monat - ich habe ein Häuschen gebaut und ein Buch diktiert: 200 Ziegelsteine und 2000 Wörter am Tag«, erzählte Churchill Stanley Baldwin über seine Parlamentsferien 1928. Entstanden ist ein Buch, in dem die Erzählfreude des Autors auf jeder Seite spürbar ist: Churchills Erinnerungen an seine ersten dreißig Lebensjahre, geschrieben aus einer »jeweils meinem Lebensalter angemessenen Sichtweise«. Tatsächlich schönt Churchill nichts - weder seine miserablen Leistungen in der Schule noch seine peinliche Kriegsbegeisterung an der Militärakademie. Umso lebendiger, ehrlicher und aufschlussreicher liest sich sein Bericht: Churchill, dem nicht ohne Grund der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, fühlt sich in sein junges Ich ein wie in eine Romanfigur, und die Pleiten des jungen Winston wie auch die waghalsige Flucht vor den Buren, die ihn auf die Titelseiten der Boulevardpresse brachte, ergeben einen echten Abenteuerroman - geschrieben mit dem typisch Churchillschen Witz und einer gehörigen Prise Ironie. Zugleich wird der bedeutendste Staatsmann des 20. Jahrhunderts seinem Anspruch gerecht, »das Bild eines verschwundenen Zeitalters« zu zeichnen: Er betrachtet die politischen Ereignisse seiner Jugend und die Kriege, an denen er als Soldat und Kriegsberichterstatter teilgenommen hat, mit den Augen eines Zeitgenossen. Eine unverzichtbare Lektüre für alle, die Churchill und seine Zeit besser verstehen wollen.

Winston Churchill (1874-1965) gilt nicht nur in Großbritannien als eine der faszinierendsten historischen Gestalten und als der überragende Staatsmann des 20. Jahrhunderts. 64 Jahre lang saß der Vollblutpolitiker im britischen Parlament, zweimal war er Premierminister. Aber nicht nur als Politiker glänzte Churchill, auch als Kriegsberichterstatter und Essayist, als Schriftsteller, der für seine historischen Werke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Ebenfalls nicht zu unterschätzen waren seine Talente als Hobbymaler, Landschaftsgestalter und Maurer auf seinem Gut Chartwell in Kent. Churchills »finest hour« waren die Jahre 1939 bis 1945, als er Großbritannien unerschrocken durch den Zweiten Weltkrieg und bis zum Sieg gegen Hitler führte. Früh sah er die Errichtung des Eisernen Vorhangs voraus und warb engagiert und vehement für ein geeintes und starkes Europa.
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I Kindheit


Wann beginnt das Erinnern? Wann prägen sich die schwankenden Lichter und Schatten des dämmernden Bewusstseins zuerst dem Geist des Kindes ein? Meine frühesten Eindrücke stammen aus Irland. Ich erinnere mich deutlich an Örtlichkeiten und Ereignisse in diesem Land, verschwommen auch an einzelne Menschen. Ich wurde am 30. November 1874 geboren, und ich verließ Irland im Jahr 1879. Mein Vater war als Sekretär seines Vaters, des siebten Herzogs von Marlborough – von Benjamin Disraeli 1876 zum Vizekönig ernannt –, nach Irland gegangen. Wir wohnten in einem Haus, »das kleine Landhaus« genannt, das einen Katzensprung entfernt vom vizeköniglichen Landhaus lag. Dort verbrachte ich etwa drei Jahre meiner Kindheit. Einzelne Begebenheiten stehen mir klar und lebendig vor Augen. Ich sehe noch meinen Großvater, den Vizekönig, bei der Enthüllung des Denkmals für Lord Gough[1] im Jahr 1878. Eine dichte, dunkle Menschenmasse, rotröckige Soldaten zu Pferd, eine bräunlich glänzende Umhüllung wird von Schnüren weggezogen, und dann der alte Herzog, der gewaltige Großpapa, wie er mit lauter Stimme zur Menge spricht. Ein Satz aus seiner Rede ist mir haften geblieben: »… und mit einer knatternden Salve sprengte er die feindliche Front.« Ich verstand, dass von Krieg und Schlacht die Rede war, und mit »Salve« war offenbar das gemeint, was die schwarzröckigen Soldaten (Scharfschützen) so oft mit lautem Krachen im Phoenix-Park taten, wo ich vormittags immer spazieren geführt wurde. Das ist, scheint mir, meine erste zusammenhängende Erinnerung.

Andere Geschehnisse sind mir noch deutlicher in Erinnerung geblieben. Einmal sollten wir eine Pantomime besuchen. Das große Ereignis verursachte viel Aufregung. Der lang ersehnte Nachmittag kam. Vom vizeköniglichen Landhaus fuhren wir zum Schloss Dublin Castle, wo wir wohl noch andere Kinder mitnehmen sollten. Innerhalb des Schlosses war ein großer viereckiger Hof, mit schmalen länglichen Steinen gepflastert. Es regnete. Fast immer regnete es – ganz wie heute. Aus den Eingängen des Schlosses kamen Leute, und überall herrschte große Unruhe. Dann wurde uns gesagt, dass wir die Pantomime nicht sehen könnten, da das Theater abgebrannt sei. Die einzigen Überreste, die man von dem Theaterdirektor fand, waren die Schlüssel, die er in der Tasche gehabt hatte. Als Ersatz für die entgangene Pantomime sollten wir am nächsten Tag die Brandstätte besichtigen dürfen. Ich hätte mir sehr gern die Schlüssel angesehen, aber dieser Wunsch stieß auf wenig Verständnis.

Einmal während dieser Jahre machten wir einen Besuch in Emo Park, dem Landsitz von Lord Portarlington, einer Art Onkel von mir, wie mir erklärt wurde. Den Ort kann ich noch genau beschreiben, obwohl ich seit damals – ich war vier oder viereinhalb – nie wieder dort gewesen bin. Der Mittelpunkt meiner Erinnerungen ist ein hoher Turm aus weißem Stein, den wir nach einer ziemlich langen Wagenfahrt erreichten. Man erzählte mir, Oliver Cromwell habe den Turm einst in die Luft gesprengt. Wie es schien, hatte er alle möglichen Dinge in die Luft gesprengt. Er musste also ein großer Mann gewesen sein.

Meine Kinderfrau, Mrs Everest, war immer sehr besorgt wegen der Feniers.[2] Das waren, wie ich aus den Reden entnahm, gottlose Menschen, die noch wer weiß was für Unheil anrichten würden, wenn man sie gewähren ließe. Einmal, als ich auf meinem Esel spazieren ritt, sahen wir einen langen schwarzen Zug herankommen und hielten sie für Feniers. Heute ist mir klar, dass es die Schützenbrigade auf einem Übungsmarsch war. Aber wir waren alle höchst beunruhigt, insbesondere mein Esel, der seine Angst durch Bocken äußerte. Ich flog aus dem Sattel und zog mir eine Gehirnerschütterung zu. Das war meine erste Berührung mit irischer Politik.

Im Phoenix Park gab es eine große kreisförmige Baumgruppe, mit einem Haus darin. Dort wohnte jemand, der entweder Ober- oder Untersekretär betitelt wurde, genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls kam ein Herr, genannt Mr Burke, aus dem Haus heraus. Er schenkte mir eine Trommel. An sein Aussehen erinnere ich mich nicht mehr, aber umso besser an die Trommel. Zwei Jahre später, als wir wieder in England waren, sagte man mir, dass er von den Feniern ermordet worden sei, und zwar in ebenjenem Phoenix Park, wo wir jeden Tag spazieren gegangen waren. Darüber schienen alle sehr aufgebracht, und ich war froh, dass mich die Fenier nicht erwischt hatten, als ich von meinem Esel gefallen war.

Im »Kleinen Landhaus« wurde ich auch zum ersten Mal mit den Schrecken des Lernens bedroht. Die Ankunft einer unheilvollen Person namens »Gouvernante« wurde verkündet. Ihr Eintreffen war auf einen bestimmten Tag festgesetzt. Damit ich für diesen Tag entsprechend gewappnet wäre, holte Mrs Everest ein Buch hervor: , ein Titel, der sich bei mir jedenfalls nicht bewahrheitete. Mir wurde eröffnet, dass ich bis zur Ankunft der Gouvernante ohne Tränen lesen können müsse. Jeden Tag mühten wir uns ab. Meine Kinderfrau zeigte mit dem Bleistift auf die einzelnen Buchstaben. Ich langweilte mich. Wir waren noch längst nicht fertig mit unseren Vorbereitungen, als die schicksalsvolle Stunde schlug, in der die Gouvernante ankommen sollte. Ich machte es, wie es bedrängte Völker in ähnlichen Lagen oft getan haben: Ich entwich in die Wälder. Ich versteckte mich in den Büschen, die das »Kleine Landhaus« rings umgaben und die mir wie ein riesiger Wald erschienen. Es dauerte Stunden, bis ich entdeckt und der »Gouvernante« übergeben wurde. Wir mühten uns nun weiter jeden Tag ab, aber nicht bloß mit Buchstaben, sondern auch mit Worten und, was am schlimmsten war, mit Zahlen. Buchstaben brauchte man sich schließlich nur zu merken, und wenn sie in einer gewisser Reihenfolge beieinanderstanden, erkannte man die Gebilde ungefähr und wusste, dass sie bestimmte Laute oder Wörter bedeuteten, die man bei genügendem Druck von sich gab. Zahlen hingegen wurden zu allen möglichen Knäueln verknüpft und taten sich gegenseitig Dinge an, die exakt vorherzusehen äußerst schwierig war. Man musste sagen, was sie in der jeweiligen Verknüpfung einander antaten, und die Gouvernante legte größten Wert darauf, dass die Antwort exakt richtig war. War die Antwort nicht exakt richtig, war sie eben falsch. »Ungefähr richtig«, das nützte einem nichts. Manchmal machten die Zahlen Schulden untereinander: Man musste eine Eins borgen oder im Sinn behalten, und nachher musste man das Geborgte wieder zurückzahlen.

Diese Zumutungen warfen einen erheblichen Schatten auf mein Dasein. Sie hielten einen von all den schönen Dingen ab, die man in der Kinderstube oder im Garten unternehmen konnte. Man wurde durch sie in seiner Freiheit beschränkt und fand für die wirklich wichtigen Dinge kaum noch Zeit. Das Lernen wurden mehr und mehr zu einer Plage und einer Fron.

Meine Mutter nahm persönlich an diesen Veranstaltungen nicht teil, gab mir aber zu verstehen, dass sie sie guthieß, und stellte sich fast stets auf die Seite der Gouvernante. In Irland sehe ich meine Mutter immer im Reitkleid vor mir, das sich hauteng an ihren Körper schmiegte und oft herrlich mit Schlamm bespritzt war. Sie und mein Vater ritten ständig Jagden auf ihren hochbeinigen Pferden, und oft gab es große Aufregung im Haus, weil einer der beiden erst Stunden nach der angegebenen Zeit heimkehrte.

Meine Mutter erschien mir immer wie eine Märchenprinzessin: ein strahlendes Wesen im Besitz unendlicher Machtfülle und grenzenlosen Reichtums. Lord D’Abernon hat sie aus jener irischen Zeit mit Worten geschildert, für die ich ihm stets dankbar sein werde.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich sie zum ersten Mal sah. Es war im vizeköniglichen Landhaus in Dublin. Sie stand links seitlich vom Eingang. Am andern Ende des Saals bemerkte man den Vizekönig auf einer Estrade, umgeben von glänzendem Gefolge. Aber die Blicke richteten sich nicht auf ihn oder seine Gattin, sondern auf die dunkle biegsame Gestalt, die sich ein wenig abseits hielt und aus anderem Stoff gemacht schien als die Umstehenden: strahlend, wie von innen her leuchtend, sprühend von Leben. In ihrem Haar ein Brillantstern, ihr Lieblingsschmuck – sein Feuer gedämpft durch die blitzende Pracht der Augen. Der Blick war mehr der eines Panthers als der einer Frau, aber von einer edlen Geistigkeit, die dem Dschungel fremd ist. Sie war ebenso beherzt und mutig wie ihr Mann – ganz die Mutter für Nachkommen des großen Herzogs. Bei allem Glanz ihrer Erscheinung zugleich von einer Güte und Heiterkeit, die ihr allgemeine Zuneigung erwarben. Ihr Wunsch zu gefallen, ihre Freude am Dasein, ihr instinktives Bestreben, andern ihren frohen Glauben an das Leben zu übermitteln, machten sie zum Mittelpunkt eines ihr ergebenen Kreises.

Auch auf mich als Kind machte meine Mutter diesen glanzvollen Eindruck. Sie leuchtete für mich wie der Abendstern. Ich liebte sie zärtlich – aber von fern. Die Vertraute meiner frühen Jahre war meine Kinderfrau. Mrs Everest sorgte für mich und kümmerte sich um all meine Bedürfnisse. Ihr teilte ich mit, wenn mich etwas bedrückte, damals und während der Schulzeit. Bevor sie zu uns kam, hatte sie zwölf Jahre ein kleines Mädchen namens Ella aufgezogen, die Tochter eines Geistlichen in Cumberland. »Klein Ella« wurde zu einer vertrauten Gestalt meiner Kinderjahre, obwohl ich sie nie gesehen habe. Ich kannte sie ganz genau, wusste, was sie gern aß, wie sie ihre Gebete...


Churchill, Winston
Winston Churchill (1874–1965) gilt nicht nur in Großbritannien als eine der faszinierendsten historischen Gestalten und als der überragende Staatsmann des 20. Jahrhunderts. 64 Jahre lang saß der Vollblutpolitiker im britischen Parlament, zweimal war er Premierminister. Aber nicht nur als Politiker glänzte Churchill, auch als Kriegsberichterstatter und Essayist, als Schriftsteller, der für seine historischen Werke mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Ebenfalls nicht zu unterschätzen waren seine Talente als Hobbymaler, Landschaftsgestalter und Maurer auf seinem Gut Chartwell in Kent. Churchills »finest hour« waren die Jahre 1939 bis 1945, als er Großbritannien unerschrocken durch den Zweiten Weltkrieg und bis zum Sieg gegen Hitler führte. Früh sah er die Errichtung des Eisernen Vorhangs voraus und warb engagiert und vehement für ein geeintes und starkes Europa.



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