Collins | Jezebels Tochter | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

Collins Jezebels Tochter

Criminal-Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-423-42314-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Criminal-Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

ISBN: 978-3-423-42314-4
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Muss für Schmökerfans und Krimiliebhaber  Die Witwe Jezebel Fontaine tut alles, um ihre gutherzige, aber aufgrund ihres gesellschaftlichen Status nicht eben chancenreiche Tochter möglichst gut zu verheiraten. Jezebels Charme und Überzeugungskraft und nicht zuletzt der Besitz geheimnisvoller Giftfläschchen leisten ihr dabei gute Dienste. Allerdings hat sie nicht mit Mrs Wagner ge-rechnet, die im Haus des anvisierten Bräutigams zu tun hat. Von Natur aus misstrauisch, kommt die alte Dame der Lösung der rätselhaften Giftanschläge immer näher. Doch es ist ein Spiel gegen die Zeit ...Wilkie Collins spinnt ein feines Geflecht aus Geheimnissen und Intrigen, das bis zur letzten Seite fasziniert. 

Wilkie Collins, 1824 in London geboren und 1889 dort gestorben, enger Freund Charles Dickens', begann nach kurzer juristischer Tätigkeit die Schriftstellerlaufbahn. Er schrieb eine Reihe äußerst spannender, melodramatischer Romane, die, geschickt konstruiert, den Leser auf falsche Spuren locken und als Vorläufer des modernen Detektivromans gelten.
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MR. DAVID GLENNEY BEFRAGT SEIN GEDÄCHTNIS UND BEGINNT DIE ERZÄHLUNG


ERSTES KAPITEL


Was Jezebels Tochter betrifft, so beginnen meine Erinnerungen mit dem Tode zweier ausländischer Herren, die am selben Tage desselben Jahres in zwei verschiedenen Ländern starben.

Beide waren sie auf ihre Weise Männer von einiger Bedeutung, und beide einander unbekannt.

Mr. Ephraim Wagner, Kaufmann (ehemals in Frankfurt am Main ansässig), starb am dritten Septembertage 1828 in London.

Doktor Fontaine – zu seiner Zeit für Entdeckungen in der experimentellen Chemie berühmt – starb am dritten Septembertage 1828 in Würzburg.

Sowohl der Kaufmann als auch der Doktor ließen Witwen zurück. Die Witwe des Kaufmanns (eine Engländerin) war kinderlos geblieben. Die Witwe des Doktors (aus einer süddeutschen Familie stammend) hatte eine Tochter zu ihrem Troste.

Zu dieser fernen Zeit – ich schreibe diese Zeilen im Jahre 1878 und blicke ein halbes Jahrhundert zurück – war ich ein junger Mann und arbeitete in Mr. Wagners Büro. Als Neffen seiner Gattin hatte er mich in freundlichster Weise in seinen Hausstand aufgenommen. Was ich nun erzählen werde, sah und hörte ich mit eigenen Augen und Ohren. Mein Gedächtnis ist verläßlich. Wie andere alte Leute entsinne ich mich an Ereignisse, die sich zu Beginn meines Lebens zutrugen, weit deutlicher als an solche, die erst zwei oder drei Jahre zurückliegen.

Der gute Mr. Wagner war viele Monate hindurch leidend gewesen, aber die Ärzte hatten nicht unmittelbar um sein Leben gefürchtet. Er überführte sie des Irrtums und nahm sich die Freiheit zu sterben – zu einem Zeitpunkt, da sie alle erklärten, daß die erdenklichste Hoffnung auf seine Genesung bestehe. Als dieses Leid über seine Frau hereinbrach, war ich im Londoner Büro abwesend, da ich mich auf Geschäftsreise zu unserer Zweigstelle in Frankfurt am Main befand, die von Mr. Wagners Geschäftspartnern geleitet wurde. Der Tag meiner Rückkehr war der Tag nach dem Begräbnis. Er war auch zur Testamentseröffnung bestimmt worden. Mr. Wagner, muß ich hinzufügen, hatte die britische Staatsbürgerschaft angenommen, und so war sein Testament von einem englischen Rechtsanwalt aufgesetzt worden.

Die vierte, fünfte und sechste Klausel des Testaments sind die einzigen Abschnitte dieses Schriftstückes, die hier erwähnt werden müssen.

Die vierte Klausel übereignete das gesamte Vermögen des Erblassers, sowohl an Grundbesitz als auch an Barvermögen, uneingeschränkt seiner Witwe. In der fünften Klausel lieferte er einen weiteren Beweis des unbedingten Vertrauens, das er in sie setzte – er bestimmte sie zur alleinigen Testamentsvollstreckerin.

Die sechste und letzte Klausel begann folgendermaßen:

»Während meiner langen Krankheit hat meine liebe Frau den Posten meiner Sekretärin und Bevollmächtigten bekleidet. Sie hat sich so eingehend mit den Grundsätzen vertraut gemacht, nach denen ich mein Geschäft geführt habe, daß sie meine würdigste Nachfolgerin ist. Ich bezeuge ihr nicht nur mein volles Vertrauen und meine aufrichtige Dankbarkeit, sondern handle zugleich im besten Interesse der Firma, deren Vorsitz ich führe, wenn ich hiermit meine Witwe, mit allen diesbezüglichen Befugnissen und Vorrechten, zu meiner alleinigen Geschäftsnachfolgerin bestimme.«

Wir beide, der Rechtsanwalt und ich, blickten meine Tante an. Sie war in ihren Sessel zurückgesunken; ihr Gesicht verbarg sie in ihrem Taschentuch. Wir warteten respektvoll ab, bis sie sich genügend erholt habe, um uns ihre Wünsche mitzuteilen. Die Liebe und Achtung ihres Mannes, wie sie in den letzten Worten seines Testaments zum Ausdruck gekommen waren, hatten sie vollkommen überwältigt. Erst nachdem ihr ein Tränenausbruch etwas Erleichterung gebracht hatte, wurde sie sich wieder unserer Gegenwart bewußt und hatte sich soweit gesammelt, daß sie sprechen konnte.

»In ein paar Tagen werde ich ruhiger sein«, sagte sie. »Besuchen Sie mich Ende der Woche. Ich habe Ihnen beiden etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Der Rechtsanwalt erlaubte sich, eine Frage zu stellen. »Bezieht es sich in irgendeiner Form auf das Testament?« erkundigte er sich.

Sie schüttelte den Kopf. »Es bezieht sich«, antwortete sie, »auf den letzten Wunsch meines Gatten.«

Sie verbeugte sich und ging auf ihr Zimmer.

Der Rechtsanwalt blickte ihr, als sie entschwand, mit ernster und zweifelnder Miene nach. »In meiner langjährigen Berufspraxis«, sagte er und wandte sich mir zu, »ist mir manch nützliche Lehre zuteil geworden. Ihre Tante hat mir soeben eine dieser Lehren wieder in Erinnerung gerufen.«

»Darf ich fragen, welche, Sir?«

»Gewiß.« Er nahm meinen Arm und verkündete mir seine Lehre erst, nachdem wir das Haus verlassen hatten. »Mißtraue stets dem letzten Wunsch eines Mannes auf seinem Sterbebett – wenn er ihn nicht seinem Rechtsanwalt mitgeteilt und im Testament zum Ausdruck gebracht hat.«

Damals hielt ich dies für eine ziemlich beschränkte Sichtweise seinerseits. Wie konnte ich vorhersehen, daß künftige Ereignisse im Leben meiner Tante ihm recht geben würden? Wenn sie sich damit begnügt hätte, die Pläne und Projekte ihres Mannes nach seinem Tode mit ihm ruhen zu lassen, und wenn sie niemals jene übereilte Reise zu unserem Zweigbüro in Frankfurt unternommen hätte – aber welchen Sinn hat es, zu mutmaßen, was dann vielleicht geschehen oder auch nicht geschehen wäre? Meine Aufgabe ist es, auf diesen Seiten zu beschreiben, was tatsächlich geschehen ist. So will ich denn zu meiner Aufgabe zurückkehren.

ZWEITES KAPITEL


Ende der Woche war die Witwe bereit, uns zu empfangen.

Um ihrer Beschreibung Genüge zu tun: sie war eine kleine Dame mit einer bemerkenswert hübschen Figur, einem reinen und blassen Teint, einer breiten, niedrigen Stirn und großen, klugen, stetig strahlenden grauen Augen. Da sie einen weit älteren Mann geheiratet hatte, war sie noch immer (nach vielen Jahren des Ehelebens) eine auffallend attraktive Frau. Aber sie schien sich ihrer persönlichen Vorzüge niemals bewußt oder eitel zu sein auf die vortrefflichen Fähigkeiten, die sie fraglos besaß. Unter gewöhnlichen Umständen war sie ein außerordentlich sanftes und unauffälliges Wesen. Aber bei passender Gelegenheit bewies sie augenblicklich, über welche Entschlußkraft sie verfügte. In meinem ganzen Leben bin ich keiner Frau von solcher Festigkeit begegnet, wenn sie erst einmal zur Tat schritt.

Unverzüglich trug sie uns ihr Anliegen vor, ohne mit einleitenden Worten ihre Zeit zu verschwenden. Die Ärmste! Die Spuren einer schlaflosen und tränenreichen Nacht standen ihr ins Gesicht geschrieben. Aber sie nahm deshalb keinerlei Nachsicht für sich in Anspruch. Als sie von ihrem toten Gatten sprach, beherrschte sie sich – bis auf ein leichtes Zittern in ihrer Stimme – mit einem Mut, der des Mitleids und der Bewunderung zugleich wert war.

»Sie wissen beide«, begann sie, »daß Mr. Wagner ein Mann war, der seinen eigenen Kopf benutzen konnte. Er hatte Vorstellungen von seiner Pflicht seinen armen und geplagten Mitgeschöpfen gegenüber, die den gängigen Meinungen, wie sie in der Welt um uns herrschen, weit voraus sind. Ich liebe und ehre sein Andenken – und werde (so Gott will) seine Ideen in die Tat umsetzen.«

Der Rechtsanwalt blickte bereits unbehaglich drein. »Beziehen Sie sich auf Mr. Wagners politische Ansichten, Madam?« erkundigte er sich.

Vor fünfzig Jahren hat man die politischen Ansichten meines alten Meisters schlichtweg für umstürzlerisch gehalten. Heutzutage – da seine Ansichten unter der allgemeinen Zustimmung der Nation durch Parlamentsbeschlüsse gebilligt worden sind – hätten ihn die Leute einen ›gemäßigten Liberalen‹ genannt und für einen Mann gehalten, der dem Gang des modernen Fortschritts mit besonnener Zurückhaltung gegenüberstehe.

»Ich habe nichts über Politik zu sagen«, antwortete meine Tante. »In erster Linie möchte ich zu Ihnen über die Meinung meines Gatten zur Frage der Frauenbeschäftigung sprechen.«

Auch hier sind die Ketzereien meines Meisters aus dem Jahre 1828 zu den orthodoxen Prinzipien des Jahres 1878 geworden. Als er über den Gegenstand unabhängig nachgedacht hatte, war er zu der Schlußfolgerung gekommen, daß viele Beschäftigungen ausschließlich Männern vorbehalten blieben, während es doch höchst angemessen sei, sie fähigen und verdienstvollen Frauen ebenso zugänglich zu machen. Die Rechtmäßigkeit dieses Anspruchs anzuerkennen bedeutete für einen Mann von Mr. Wagners Charakter, ohne die geringste Verzögerung seinen Überzeugungen gemäß zu handeln. Da er zu dieser Zeit gerade sein Londoner Geschäft erweiterte, vergab er die neu zu besetzenden Stellen ohne Ansehen der Person an Männer wie Frauen gleichermaßen. An das Aufsehen, das diese mutige Neuerung damals in London hervorrief, können sich alte Leute wie ich bis auf den heutigen Tag erinnern. Nichtsdestoweniger war das kühne Experiment meines Meisters – trotz des Skandals – von Erfolg gekrönt gewesen.

»Wenn mein Gatte noch lebte«, fuhr meine Tante fort, »hätte er zweifelsohne die Absicht, dem Beispiel, das er bereits in London gegeben hat, in unserem Frankfurter Hause zu folgen. Auch dort vergrößern wir unser Geschäft und beabsichtigen, weitere Beschäftigte einzustellen. Sobald ich zu der Anstrengung in der Lage bin, werde ich nach Frankfurt gehen und deutschen Frauen dieselben Möglichkeiten bieten, wie sie mein Gatte bereits den englischen Frauen in London geboten...


Eichhorn, Thomas
Thomas Eichhorn, geboren 1962 in Steinach, Thüringen, arbeitet seit 1994 als freiberuflicher literarischer Übersetzer. Er hat u.a. Arthur Rimbaud, William Blake und Wilkie Collins ins Deutsche übertragen.

Collins, Wilkie
Wilkie Collins, 1824 in London geboren und 1889 dort gestorben, enger Freund Charles Dickens', begann nach kurzer juristischer Tätigkeit die Schriftstellerlaufbahn. Er schrieb eine Reihe äußerst spannender, melodramatischer Romane, die, geschickt konstruiert, den Leser auf falsche Spuren locken und als Vorläufer des modernen Detektivromans gelten.

Wilkie Collins, 1824 in London geboren und 1889 dort gestorben, enger Freund Charles Dickens', begann nach kurzer juristischer Tätigkeit die Schriftstellerlaufbahn. Er schrieb eine Reihe äußerst spannender, melodramatischer Romane, die, geschickt konstruiert, den Leser auf falsche Spuren locken und als Vorläufer des modernen Detektivromans gelten.



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