Connelly | Das Gesetz der Straße | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für den Lincoln Lawyer

Connelly Das Gesetz der Straße

Ein Fall für den Lincoln Lawyer
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-311-70394-5
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fall für den Lincoln Lawyer

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für den Lincoln Lawyer

ISBN: 978-3-311-70394-5
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seine Fälle löst er von der Rückbank seines Wagens, was ihm den Spitznamen »Lincoln Lawyer« eingebracht hat. Wer ihn chauffiert? Mandanten, die sich die Anwaltskosten nicht leisten können. Jetzt steht Michael Haller vor dem spektakulärsten Fall seiner Karriere: Nach dem kaltblütigen Mord an seinem Kollegen Jerry Vincent wird Haller dessen hochkarätiger Klientenstamm übertragen. Der Verdacht liegt nahe, dass der Mörder unter Vincents Mandanten zu finden ist. Ist auch Haller in Gefahr? Der hat keine Zeit, sich Sorgen zu machen. Vincents letzter Fall fordert seine Aufmerksamkeit: Der Hollywood-Mogul Walter Elliot ist des Mordes an seiner Ehefrau und deren Geliebten angeklagt. Je näher Haller der Wahrheit kommt, desto größer wird die Gefahr. Und dann verschwindet er ...

Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.
Connelly Das Gesetz der Straße jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


5


Als Vorsitzende Richterin des Los Angeles Superior Court versah Mary Townes Holder den größten Teil ihrer Arbeit hinter verschlossenen Türen. In ihrem Gerichtssaal wurde zwar gelegentlich über dringende Verfahrensanträge entschieden, aber Prozesse fanden darin nur selten statt. Ihre eigentliche Tätigkeit erledigte sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Richterzimmer. Von dort aus verwaltete sie die gesamte Gerichtsbarkeit von Los Angeles County. Ihrer Aufsicht unterlagen über zweihundertfünfzig Richterämter und vierzig Gerichte. Jede Vorladung eines Geschworenen, die mit der Post rausging, trug ihre Unterschrift, und jede Stellplatzzuteilung in einem Gerichtsparkhaus war von ihr abgesegnet. Sie teilte Richtern ihre Posten nach geographischen und fachlichen Kriterien zu. Wenn ein Richter neu in sein Amt gewählt wurde, war es Holder, die entschied, ob er nach Beverly Hills oder Compton kam und ob er in einem Zivilgericht Finanzprozesse mit immensem Streitwert leitete oder in einem Familiengericht herzergreifende Scheidungsfälle.

Ich schlüpfte rasch in meinen glückbringenden Anzug. Es war ein Italienimport von Corneliani, den ich früher immer am Tag der Urteilsverkündung getragen hatte. Weil ich ein Jahr lang keinen Gerichtssaal mehr betreten und noch länger kein Urteil mehr gehört hatte, musste ich ihn aus einer Plastikhülle nehmen, die ganz hinten im Schrank hing. Danach fuhr ich unverzüglich in die Stadt, mit der dumpfen Befürchtung, dass gleich über mich selbst eine Art Urteil gesprochen würde. Unterwegs ging ich fieberhaft die Fälle und Mandanten durch, mit denen ich ein Jahr zuvor zu tun gehabt hatte. Soweit ich mich erinnern konnte, war nichts offen oder unerledigt geblieben. Aber vielleicht hatte jemand eine Beschwerde eingereicht, oder die Richterin hatte irgendwelchen Tratsch am Gericht aufgeschnappt und daraufhin Nachforschungen angestellt. Jedenfalls betrat ich Holders Gerichtssaal mit einem flauen Gefühl im Magen. Eine Vorladung von einem Richter verhieß normalerweise nichts Gutes. Und eine Vorladung von einer Vorsitzenden Richterin schon gar nicht.

Der Saal war dunkel, und der Platz der Protokollführerin neben der Richterbank leer. Ich trat durch die Schranke und wollte gerade die Tür öffnen, die auf den Flur zum Richterzimmer führte, als diese von innen aufflog und Michaela Gill erschien. Die Protokollführerin war eine erfreulich anzusehende Frau, die mich ein wenig an meine Grundschullehrerin erinnerte. Sie hatte gerade den Saal betreten wollen, ohne damit zu rechnen, dass sich gleichzeitig jemand von der anderen Seite der Tür näherte. Sie erschrak heftig und hätte beinahe einen Schrei ausgestoßen. Ich nannte ihr rasch meinen Namen, bevor sie zum Alarmknopf an der Richterbank stürzen konnte. Sie atmete tief durch und ließ mich dann unverzüglich eintreten.

Ich marschierte den Flur hinunter und traf die Richterin allein in ihrem Zimmer an, wo sie an einem wuchtigen Schreibtisch aus dunklem Holz arbeitete. Ihre schwarze Robe hing in der Ecke an einem Kleiderständer. Sie trug ein konservativ geschnittenes weinrotes Kostüm. Sie war gepflegt und attraktiv, Mitte fünfzig, mit einer zierlichen Figur und braunem Haar, das sie kurz und streng geschnitten trug.

Ich war Richterin Holder noch nie persönlich begegnet, hatte aber schon einiges über sie gehört. Sie hatte zwanzig Jahre als Anklägerin gearbeitet, bevor sie von einem konservativen Gouverneur auf die Richterbank berufen worden war. Sie hatte Strafrechtsprozesse geleitet, auch ein paar richtig große, und war dafür bekannt, das höchstmögliche Strafmaß zu verhängen. Dementsprechend war sie nach ihrer ersten Amtszeit problemlos für eine zweite übernommen worden. Vier Jahre später war sie zur Vorsitzenden Richterin gewählt worden und hatte dieses Amt seitdem inne.

»Mr. Haller, danke, dass Sie gekommen sind«, begrüßte sie mich. »Freut mich, dass Ihre Sekretärin Sie endlich finden konnte.«

Ihre Stimme hatte etwas Ungehaltenes, um nicht zu sagen Herrisches.

»Sie ist zwar nicht meine Sekretärin, Euer Ehren, aber sie hat mich gefunden. Tut mir leid, dass es so lang gedauert hat.«

»Jetzt sind Sie ja hier. Ich denke nicht, dass wir schon mal das Vergnügen hatten, oder?«

»Nein, vermutlich nicht.«

»Also, auch wenn ich Ihnen damit mein wahres Alter verrate, ich bin vor Gericht einmal gegen Ihren Vater angetreten. Es muss einer seiner letzten Fälle gewesen sein.«

Ich revidierte meine Schätzung ihres Alters. Falls sie tatsächlich meinem Vater im Gerichtssaal gegenübergestanden hatte, musste sie mindestens sechzig sein.

»Ich war nur die zweite Assistentin der Anklage, frisch von der USC und noch sehr grün hinter den Ohren. Sie wollten mir zu etwas praktischer Erfahrung verhelfen. Es war ein Mordfall, und sie ließen mich einen Zeugen übernehmen. Ich hatte mich eine Woche auf meine Befragung vorbereitet, aber Ihr Vater hat den Zeugen im Kreuzverhör in zehn Minuten nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. Wir haben den Prozess zwar trotzdem gewonnen, aber es war mir eine Lehre. Seitdem bin ich auf alles gefasst.«

Ich nickte. Ich hatte im Lauf der Jahre einige ältere Juristen kennengelernt, die ein paar Mickey-Haller-senior-Anekdoten auf Lager hatten. Ich selber konnte nur mit sehr wenigen aufwarten. Doch bevor ich die Richterin fragen konnte, bei welchem Fall sie ihm begegnet war, kam sie bereits zur Sache.

»Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich Sie herbestellt habe.«

»Habe ich mir fast gedacht. Es hat sich eher nach etwas ziemlich Dringlichem angehört.«

»Allerdings. Kannten Sie Jerry Vincent.«

Dass sie die Vergangenheitsform benutzte, ließ mich stutzen.

»Jerry? Ja, natürlich kenne ich Jerry. Was ist mit ihm?«

»Er ist tot.«

»Tot?«

»Ermordet, um genau zu sein.«

»Wann?«

»Gestern Nacht. Üble Geschichte.«

Ich senkte den Blick und betrachtete das Namensschild auf ihrem Schreibtisch. war mit Schreibschrift in die Holzhalterung mit Richterhammer, Füllfederhalter und Tintenfass graviert.

»Wie nahe standen Sie sich?«, wollte sie wissen.

Eine gute Frage, auf die ich keine rechte Antwort wusste. Ich hielt beim Sprechen den Blick gesenkt.

»Wir sind in mehreren Fällen gegeneinander angetreten, als er noch bei der Staatsanwaltschaft war und ich Pflichtverteidiger. Dann haben wir uns beide etwa zur gleichen Zeit selbstständig gemacht und Ein-Mann-Kanzleien geführt. Im Lauf der Jahre haben wir auch ein paar Fälle gemeinsam übernommen, meistens Drogendelikte, und uns gegenseitig ausgeholfen, wenn mal beim anderen Not am Mann war. Gelegentlich hat er mir auch einen Fall zugeschanzt, den er selbst nicht übernehmen wollte.«

Meine Beziehung zu Jerry Vincent war eher beruflicher Natur gewesen. Hin und wieder hatten wir im Four Green Fields einen miteinander getrunken oder waren uns im Dodger Stadium begegnet. Aber zu sagen, wir hätten uns nahegestanden, wäre übertrieben gewesen. Über das rein Berufliche hinaus wusste ich wenig über ihn. Vor einiger Zeit war mir am Gericht etwas Klatsch und Tratsch über seine Scheidung zu Ohren gekommen, ich hatte ihn jedoch nie auf dieses Thema angesprochen. Das war seine Privatangelegenheit und ging mich nichts an.

»Sie scheinen zu vergessen, Mr. Haller, dass ich noch bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet habe, als Mr. Vincent ein junger, aufstrebender Ankläger war. Damals verlor er einen wichtigen Prozess, und von da an war sein Stern im Sinken begriffen. Deshalb hat er sich wenig später selbstständig gemacht.«

Ich blickte die Richterin schweigend an.

»Und wenn mich nicht alles täuscht, waren Sie der Verteidiger bei besagtem Prozess«, fügte sie hinzu.

Ich nickte.

»Barnett Woodson. Ein Doppelmord. Ich habe einen Freispruch für ihn herausgeholt. Beim Verlassen des Gerichtssaals hat er sich bei den Medien entschuldigt, dass er mit zwei Morden ungestraft davongekommen war. Das war natürlich der blanke Zynismus. Aber er hat wohl geglaubt, es dem Staatsanwalt noch mal heimzahlen zu müssen, und hat damit Jerrys Karriere als Ankläger praktisch ruiniert.«

»Warum hat Vincent danach trotzdem noch mit Ihnen zusammengearbeitet und Ihnen sogar Fälle zugeschanzt?«

»Weil ich zwar seine Karriere als Ankläger beendet, aber damit gleichzeitig seine Karriere als Strafverteidiger eingeleitet habe, Euer Ehren.«

Dabei beließ ich es, aber ihr reichte das nicht.

»Und?«

»Ein paar Jahre später hat er ungefähr fünfmal so viel verdient wie bei der Staatsanwaltschaft. Er hat mich angerufen und sich dafür bedankt, dass ich ihn auf den Trichter gebracht hatte.«

Die Richterin nickte wissend.

»Es war also eine Frage des Einkommens. Es ging ihm ums Geld.«

Ich zuckte mit den Achseln und schwieg, als sei es mir unangenehm, im Namen eines Toten zu sprechen.

»Was wurde aus Ihrem Mandanten?«, fragte die Richterin. »Aus dem Mörder, der ungestraft davonkam.«

»Mit einer Verurteilung wäre er besser dran gewesen. Zwei Monate nach seinem Freispruch starb Woodson bei einer Schießerei.«

Die Richterin nickte erneut, als wollte sie damit zum Ausdruck bringen, Fall erledigt durch ausgleichende Gerechtigkeit. Ich versuchte, das Gespräch wieder auf Jerry Vincent zu lenken.

»Ich kann die Geschichte mit Jerry noch gar nicht glauben. Wissen Sie, was genau passiert ist?«

»Das ist noch unklar. Offensichtlich wurde er gestern Nacht tot in seinem Auto aufgefunden. Im Parkhaus neben seiner Kanzlei. Jemand hat ihn erschossen. Soviel ich gehört habe, ist die...


Leeb, Sepp
Sepp Leeb hat Amerikanistik und Germanistik studiert und lebt in München. Er hat unter anderem Michael Connelly, Lawrence Block und Thomas Harris übersetzt und findet, obwohl ein großer Fan von Harry Bosch, dass Renée Ballard seinem Lieblingsermittler bei ihrem ersten Auftritt in »Late Show« in nichts nachsteht.

Connelly, Michael
Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene´e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.