Connelly | Die Vogelscheuche | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Jack McEvoy

Connelly Die Vogelscheuche

Der zweite Fall fu¨r Jack McEvoy
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-311-70326-6
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der zweite Fall fu¨r Jack McEvoy

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Jack McEvoy

ISBN: 978-3-311-70326-6
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jack McEvoy ahnt schon, was ihm blüht, als er ins Büro seines Chefs bei der L.A. Times zitiert wird. Auch ihm wird aus Kostengründen gekündigt werden. Zwei Wochen darf er noch bleiben - um seine blutjunge Nachfolgerin Angela Cook einzuarbeiten. Jack willigt ein, denn er will noch einen letzten Scoop landen, eine letzte große Geschichte schreiben: Ein schwarzer Jugendlicher steht unter Verdacht, eine Tänzerin brutal ermordet zu haben. Doch McEvoy hält Alonzo Winslow für unschuldig. Bei seinen Recherchen stößt der Polizeireporter auf einen ganz ähnlichen Mord in Las Vegas, den Alonzo nicht begangen haben kann. Auch diese Frau wurde mit einer Plastiktüte erstickt und ihre Leiche im Kofferraum eines Wagens verstaut. McEvoy ist sicher, dass es sich um ein und denselben Täter handelt. Seine neue Kollegin versucht er aus den Ermittlungen heraushalten, aber Angela will sich profilieren und bringt sie so beide in tödliche Gefahr.

Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.
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4 The Big Three-oh


Als wir Wanda Sessums’ Wohnung verließen, war Rodia Gardens zum Leben erwacht. Die Schule war aus, und die Drogendealer und ihre Kunden waren aufgestanden. Die Parkplätze, Spielplätze und verdorrten Rasenflächen zwischen den Sozialbauten füllten sich mit Kindern und Erwachsenen. Der Drogenhandel lief hier im Drive-through-Stil ab, mit einem komplizierten System aus Spähern und Lotsen aller Altersstufen, die Käufer durch das Straßengewirr der Wohnanlage zu einem Kaufplatz dirigierten, der im Lauf des Tages ständig verlegt wurde. Die Architekten, die Rodia Gardens entworfen und gebaut hatten, ahnten wahrscheinlich nicht, dass sie ein perfektes Milieu für dieses Krebsgeschwür geschaffen hatten, das auf die eine oder andere Art die meisten seiner Bewohner zerstören würde. Mir war das alles bekannt, weil ich für meine halbjährlichen Aktualisierungen zum lokalen Drogenkrieg regelmäßig Drogenfahnder des South Bureau begleitet hatte.

Ohne nach links und rechts zu schauen, überquerten wir mit gesenkten Köpfen eine Rasenfläche und steuerten auf unser Auto zu. Wir hatten nur ein Ziel: schnell weg von hier. Erst als wir unser Auto fast erreicht hatten, sah ich, dass ein junger Mann an der Fahrertür lehnte. Er trug unverschnürte Arbeitsstiefel, Bluejeans, die halb über seine blau gemusterten Boxershorts gerutscht waren, und ein fleckenloses weißes T-Shirt, das in der Nachmittagssonne fast leuchtete. Es war die Uniform der Crips-Zelle, die in Rodia Gardens das Kommando führte. Sie nannten sich BH-Zelle, was entweder Bounty Hunters oder Blood Hunters bedeutete, je nachdem, wer es sprayte.

»Na, Leute, wie geht’s so?«, sagte er.

»Alles klar«, sagte Lester. »Wir müssen wieder zurück an die Arbeit.«

»Seid ihr jetzt hier die Bullen?«

Lester lachte, als wäre das der beste Witz, den er seit Wochen gehört hatte.

»Nee, Mann, wir sind von der Zeitung.«

Lässig verstaute Lester seine Kameratasche im Kofferraum, dann ging er zur Fahrertür. Der junge Mann rührte sich nicht von der Stelle.

»Ich muss los, Bro. Könntest du mal eben ein Stück zur Seite rücken?«

Auf der anderen Seite des Autos spürte ich, wie sich mein Magen zusammenzog. Wenn es Ärger gäbe, dann jetzt und hier. Ich konnte andere junge Männer in der gleichen Gang-Uniform etwas abseits, aber abrufbereit auf der schattigen Seite des Parkplatzes stehen sehen. Mir war klar, dass alle Waffen hatten, entweder am Körper oder in der Nähe versteckt.

Der junge Mann, der an unserem Auto lehnte, rührte sich nicht von der Stelle. Er verschränkte die Arme und sah Lester an.

»Worüber hast du mit Momm da oben geredet, ?«

»Über Alonzo Winslow«, sagte ich von meiner Seite. »Wir glauben nicht, dass er jemanden umgebracht hat, und wollen der Sache nachgehen.«

Der junge Mann stieß sich vom Auto ab, damit er sich umdrehen und mich ansehen konnte.

»Tatsächlich?«

Ich nickte.

»Das ist es, wo wir gerade dran sind. Wir stehen noch ganz am Anfang, und deshalb sind wir hergekommen, um mit Mrs. Sessums zu reden.«

»Dann hat sie euch sicher von der Steuer erzählt.«

»Von welcher Steuer?«

»Na, dass sie Steuer zahlt. Jeder, der hier ein Geschäft hat, zahlt Steuer.«

»Aha.«

»Straßensteuer, Mann. Und deshalb müssen auch alle Zeitungstypen, die hier ankommen, um über Zo Slow zu reden, Straßensteuer zahlen. Ich ziehe sie jetzt gleich von euch ein.«

Ich nickte.

»Wie viel?«

»Heute sind es fünfzig Dollar.«

Ich würde es einfach auf die Spesenrechnung setzen und sehen, ob Dorothy Fowler deswegen einen Aufstand machte. Ich griff in meine Hosentasche und zog mein Geld heraus. Ich hatte 53 Dollar und zweigte rasch zwei Zwanziger und einen Zehner ab.

»Hier.«

Ich ging ans Heck des Wagens, und der junge Mann entfernte sich von der Fahrertür. Als ich ihm das Geld gab, stieg Lester ein und startete den Motor.

»Wir müssen los«, sagte ich, als ich das Geld übergab.

»Glaub ich dir gern. Wenn du das nächste Mal herkommst, ist die Steuer doppelt so hoch, Zeitungsjunge.«

»Alles klar.«

Dabei hätte ich es belassen sollen, aber ich konnte nicht wegfahren, ohne die naheliegende Frage zu stellen.

»Interessiert es euch hier nicht, dass ich versuche, Zo freizubekommen?«

Der junge Mann hob die Hand und rieb sich das Kinn, als dächte er ernsthaft über die Frage nach. Ich sah, dass die Buchstaben auf seine Knöchel tätowiert waren. Mein Blick wanderte zu seiner anderen Hand weiter, die schlaff an seiner Seite hinabhing. Ich sah auf die anderen Knöchel tätowiert und bekam meine Antwort. Scheiß auf die Polizei. Mit so einer Einstellung auf den Händen war es kein Wunder, dass er Leute erpresste, die einem anderen Gangmitglied zu helfen versuchten. Hier schaute jeder nur auf sich selbst.

Der junge Kerl lachte und wandte sich wortlos ab. Er hatte nur gewollt, dass ich seine Hände sah.

Ich stieg ein, und Lester stieß rückwärts aus der Parklücke. Ich drehte mich um und sah, wie der junge Mann, der uns gerade fünfzig Dollar abgenommen hatte, den Crip-Gang machte. Er bückte sich und vollführte mit den Geldscheinen, die ich ihm gerade gegeben hatte, eine kurze Pantomime, als polierte er seine Schuhe; dann richtete er sich wieder auf und machte den Ferse-Zehe-Ferse-Zehe-Shuffle, den die Crips als ihr Markenzeichen betrachteten. Seine Gangkumpel drüben im Schatten johlten, als er sich ihnen näherte.

Die Verkrampfung in meinem Nacken begann sich erst zu lösen, als wir den Freeway 110 erreichten und nach Norden zurückfuhren. Erst jetzt schlug ich mir die fünfzig Dollar aus dem Kopf und hielt mir vor Augen, was bei unserem Ausflug herausgekommen war. Das hob meine Laune etwas. Wanda Sessums hatte sich bereit erklärt, uns bei den Recherchen zum Fall Denise Babbit-Alonzo Winslow zu unterstützen. Sie hatte mit meinem Handy Alonzos Pflichtverteidiger Jacob Meyer angerufen und ihm bestätigt, dass sie mir als Erziehungsberechtigte des Angeklagten uneingeschränkten Zugang zu allen Dokumenten und Beweisen in Zusammenhang mit dem Fall gewährte. Daraufhin hatte sich Meyer widerstrebend bereit erklärt, sich am nächsten Morgen zwischen zwei Verhandlungen im Jugendgericht Downtown mit mir zu treffen. Er hatte allerdings nicht wirklich eine Wahl gehabt. Ich hatte Wanda erklärt, dass es, wenn Meyer nicht spurte, jede Menge Anwälte gäbe, die den Fall kostenlos übernehmen würden, sobald sie erfuhren, dass er Schlagzeilen machen würde. Meyers Alternativen waren, entweder mit mir zusammenzuarbeiten und dafür auch selbst etwas Aufmerksamkeit von den Medien geschenkt zu bekommen oder den Fall abzugeben.

Wanda Sessums hatte sich auch einverstanden erklärt, mir Zugangsrecht zur Sylmar Juvenile Hall zu verschaffen, damit ich ihren Enkel interviewen konnte. Bevor ich mich mit Alonzo zusammensetzte, wollte ich mich jedoch erst anhand der Akten mit dem Fall vertraut machen. Es würde das Schlüsselinterview werden für den Beitrag, den ich plante. Bevor ich mit Winslow redete, wollte ich alles wissen, was es zu wissen gab.

Alles in allem war es – ungeachtet der »Gebühr« von fünfzig Dollar – ein erfolgreicher Ausflug gewesen, und ich überlegte, wie ich Prendergast mein Projekt schmackhaft machen könnte. Dann unterbrach mich Lester bei meinen Überlegungen.

»Ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte er.

»Was soll ich vorhaben?«

»Diese Waschfrau ist vielleicht zu blöd und der Anwalt zu schlagzeilengeil, um es zu merken, aber ich nicht.«

»Wovon reden Sie eigentlich?«

»Sie machen einen auf edlen Ritter, der die Unschuld des Jungen beweist und ihn aus dem Gefängnis holt. Aber tun werden Sie das genaue Gegenteil, Mann. In Wirklichkeit benutzen Sie diese Leute nur, um an die Fakten und die reißerischen Details des Falls zu kommen, damit Sie einen Artikel darüber schreiben können, wie ein Sechzehnjähriger zum eiskalten Mörder wird. Ich meine, einen Unschuldigen rauszuboxen, ist doch inzwischen in der Presse so was von abgedroschen. Aber sich in einen halbwüchsigen Killer wie den hier hineinzuversetzen? Darzustellen, wie die Gesellschaft so etwas zulassen kann? Das riecht nach Pulitzerpreis, Bro.«

Zuerst sagte ich nichts. Lester hatte mich durchschaut. Ich legte mir erst eine Verteidigung zurecht, bevor ich antwortete.

»Ich habe ihr nichts weiter versprochen, als mich der Sache anzunehmen. Wohin das Ganze dann führt, ist nicht mein Problem.«

»Erzählen Sie mir doch nichts. Sie benutzen sie, weil sie zu dumm ist, um es zu merken. Der Junge ist wahrscheinlich genauso blöd und lässt sich darauf ein. Und dass der Anwalt den Jungen für ein paar Schlagzeilen hergibt, ist sowieso klar. Sie glauben also wirklich, dass Sie damit ganz groß rauskommen, oder?«

Ich schüttelte den Kopf und antwortete nicht. Ich spürte, wie ich rot wurde, und drehte mich zur Seite, um aus dem Fenster zu schauen.

»Aber das ist völlig okay«, sagte Lester.

Ich wandte mich ihm wieder zu und versuchte, seine Miene zu ergründen.

»Was wollen Sie, Sonny?«

»Einen Anteil, mehr nicht. Wir arbeiten als Team. Ich fahre mit Ihnen nach Sylmar und zum Gericht, und ich mache die ganzen Fotos. Wenn Sie einen Fotoauftrag ausstellen, setzen Sie meinen Namen drauf. Im Paket ist so was sowieso immer besser. Vor allem bei Einsendungen.«

Womit Einsendungen an die Jurys für den Pulitzerpreis und...


Leeb, Sepp
Sepp Leeb hat Amerikanistik und Germanistik studiert und lebt in München. Er hat unter anderem Michael Connelly, Lawrence Block und Thomas Harris übersetzt und findet, obwohl ein großer Fan von Harry Bosch, dass Renée Ballard seinem Lieblingsermittler bei ihrem ersten Auftritt in »Late Show« in nichts nachsteht.

Connelly, Michael
Michael Connelly ist mit über 89 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene´e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.



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